Mit rollendem R und Provokationen am laufenden Band wurde Rammstein zu einer der erfolgreichsten deutschsprachigen Bands aller Zeiten und konnten sich weltweit Fans erspielen. Gegründet 1994 in Berlin, schillert ihre Musik zwischen den Genres Neue Deutsche Härte, Industrial und Rock.
2019 veröffentlicht die Band mit einem selbstbetitelten Album nach zehnjähriger Pause ein neues Werk, das mit der Single „Deutschland“ vorab für gehörige PR-ovokation sorgt: Im Clip zu sehen sind 2000 Jahre deutsche Kulturgeschichte und darin unter anderem RAF-Gestalten, Germanen, Nazis, Zwangsarbeiter, SED-Schurken etc.
Biografie Rammstein
1993: Meister der Provokation, einziger deutscher Act mit internationaler Bedeutung, Live-Spektakel – egal wie man das Kunstprodukt Rammstein nun auch beschreiben möchte, waren sie immer mehr ein Phänomen als eine normale Band. Till Lindemann, Richard Kruspe, Oliver Riedel und Christoph Schneider kommen Mitte der 90er-Jahre aus verschiedenen Punkbands zusammen und formten die Band Tempelprayers. Lindemann spielte zum Beispiel in der der Fun-Punk-Band First Arsch – die Kurzfassung für Erste Autonome Randalierer Schwerin – Schlagzeug, Riedel war Bassist bei der Speed-Folk-Band The Inchtabokatables.
Mit den ersten eigenen Songs nahmen sie an einem Bandkontest in Berlin teil, gewannen diesen und wurden mit einer Woche Aufenthalt in einem Tonstudio gefördert. Einige der Song-Skizzen die hier entstanden, sollten später auch ihren Weg auf das Debütalbum „Herzeleid“ finden.
1994: Anschließend stießen mit Paul Landers und Christian „Flake“ Lorenz auch die beiden letzten Mitglieder zu der Band. Ihr erstes Konzerte spielt die Band am 14. April 1994 im Leipziger NaTo – vor 15 Leuten. Ein schöner Rückblick, wenn man sich den heutigen Live-Status der Band vor Augen führt. 1995 wurde der erste Plattenvertrag bei Motor Records unterschrieben und noch im selben Jahr erschien das Debütalbum, welches auf Platz 99 der deutschen Charts einstieg und somit noch kein sonderlich großer kommerzieller Erfolg bedeutete.
1997: Das sollte sich mit dem zweiten Album „Sehnsucht“ (Platz 1 in deutschen Charts) drastisch ändern. Durch die Songs „Heirate mich“ und „Rammstein“ im Soundtrack zum David Lynch Film „Lost Highway“ wurde die Bands quasi über Nacht zum Hype in den USA und spielte dort bald ausverkaufte Touren. Ein erster Vorgeschmack darauf, welchen Status Rammstein einmal auf dem internationalen Markt haben sollten.
Mit Songs wie „Bück dich“, „Engel“ und „Tier“ beginnt nun auch das Phänomen Rammstein seine Form anzunehmen. Die ständigen Provokationen, das Ausbleiben von Erklärungen und Richtigstellungen und die andauernden Kontroversen rund um Texte und Ästhetik der Band sorgen dafür, dass sich das Feuilleton die Zähne ausbeißt und Rammstein eine stetig wachsende Fangemeinde rund um die Welt aufbaut.
2001: „Mutter“, „Reise, Reise“, „Rosenrot“, „Liebe ist für alle da“ – alle kommenden Alben springen direkt auf Platz 1 der Charts und sammeln Gold- und Platinauszeichnungen und machen deutlich, dass man es hier vielleicht mit der größten deutschen Band aller Zeiten zu tun haben könnte. Und maßgeblich mitverantwortlich dürften dafür die Live-Shows sein. Denn so einflussreich der „Neue Deutsche Härte“-Stil der Band auch sein mag – die meisten Menschen finden ihren Zugang über die Konzerte und die teilweise surreal wirkendenden Pyro-Shows. Feuer, Kostüme, irre Showeinlagen – Rammstein haben einen ganz eigenen Entwurf einer Liveshow geliefert und sich damit einen Legendenstatus erarbeitet.
2004: Die Band macht sich aber auch abseits dieser Heldenverehrung unbeliebt als sich das Band-Management mit den Betreibern der Fanpage „rammsteinfan.de“ anlegt und diese aus Copyright-Gründen vom Netz geht. Zudem gibt es eine Unterlassungserklärung gegen einen Radiosender, der den erfolreichen Schnappi-Song im Rammstein-Stil gesendet hatte. Humorrr zeigen sie hier jedenfalls nicht.
2009: Der nächste PR-Coup gelingt mit der Veröffentlichung des Clips zur ersten Single „Pussy“ aus dem neuen Album „Liebe ist für alle das“ auf einem Erotik-Portal. Das Video von Jonas Åkerlund (u.a. Clips für Prodigy, Madonna, Lady Gaga oder Coldplay) sorgt mit einer optischen Täuschung für Wirbel, denn man glaubt zu sehen, dass die Rammstein-Mitglieder darin tatsächlich Sex haben. Es wurde zensiert, eine bessere PR hätte sich die Band für das Album nicht wünschen können.
2019: Über 10 Jahre mussten Fans dann auf ein neues Rammstein-Album warten. Im November 2018 kündigte die Band eine riesige Europa-Tour an, gefolgt von einem regelrechten Ausnahmezustand im Netz. Woche für Woche gab es anschließend neue Hinweise, Teaser und erste Ankündigungen. Die erste Single „Deutschland“ provozierte gleich mal mit KZ-Optik (der Text gilt jedoch als antirechts, denn darin heißt es „Deutschland, deine Liebe ist Fluch und Segen / Deutschland, meine Liebe kann ich dir nicht geben„) und auch sonst sollten weitere Aufreger folgen wie zum Beispiel der Gedichtband von Frontmann Lindemann, in dem er mit einem Vergewaltigungsgedicht empört oder seine Abtreibungshymne „Praise Abort“ mit seinem Projekt Lindemann. In diesem Sinn: Rammstein ist Rammstein und bleibt Rammstein bis zum letzten rollenden R.
Seit über 20 Jahren sind Rammstein mit ihren spektakulären Shows der musikalische Exportschlager Deutschlands. Die Songs der Ikonen der Neuen Deutschen Härte funktionieren wohl in jedem Land der Welt. Die jüngste Kontroverse zieht allerdings große Kreise.
Mit der zunächst sanften Ballade „Zeit“, die sich zu einem orchestralen Epos steigert, kündigen Rammstein ihr neues gleichnamiges Album an, das am 29. April 2022 erscheinen wird.
Nach Olympia ist vor den Paralympics: am 24. August 2021 startet ein Jahr verspätet auch die Olympiade der Athleten mit Behinderung. Den Titelsong liefern Rammstein mit „Ich Will“.
Der Berliner Künstler Alex Molter fertigt in Handarbeit Kunstwerke in Gitarrenform mit Bandlogos von Berliner Bands. Diese sollen die Gitarren signieren und einem Club zur Versteigerung zur Verfügung stellen.
Rammstein machen einen weiteren kleinen Schritt auf ihrem Weg zur größten deutschen Rockband aller Zeiten. Dabei ist das Gespann um Till Lindemann gar nicht der erste deutsche Act, der diese Spotify-Schallmauer durchbricht.
Es gibt ein neues Rammstein-Album. Das wäre als Sechs-Wort-Rezension im Grunde schon alles, was man wissen muss. Oder am Ende wohl auch: sagen kann. Denn wer Erwartungen an Rammstein hat, wird hier wieder einmal mindestens solide und gelegentlich exzellent abgefertigt.