Das Hauptwerk der Indie-Pioniere My Bloody Valentine erhält eine remasterte Wiederveröffentlichung. Wie die wegweisende Band zu der Legende wurde…
My Bloody Valentine gehören neben Talk Talk zu den bedeutendsten britischen Bands der frühen 90er Jahre. Mit ihrem legendären Album „Loveless“ haben sie 1991 die Grenzen des Rock verschoben und einen neuen ganz neuen Sound kreiert, eine Wall of Sound bei dem nicht mehr der Original Gitarrensound, sondern nur noch Effekte zu hören waren, die förmlich miteinander verschmolzen.
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Die beiden Alben „Isn’t Anything“ und „loveless“ wurden nun für die neuen Deluxe-LPs vollständig analog gemastert und für die Standard-LPs aus neuen, hochauflösenden, unkomprimierten digitalen Quellen gemastert. Beide Alben waren seit langem vergriffen und sind nun endlich wieder erhältlich. Voll analog gemasterte Aufnahmen von m b v sind nun ebenfalls zum ersten Mal weltweit auf Deluxe und Standard LPs im Handel.
Neben den drei Longplayern wurden auch die EPs der Band neu aufgelegt: „ep’s 1988-1991 and rare tracks“ stellt die vier EPs der Band zusammen. „You Made Me Realise“ und „Feed Me With Your Kiss“ kamen beide kurz nacheinander vor dem Debütalbum der Band im Jahr 1988 heraus. Zwischen „Isn’t Anything“ und „loveless“ veröffentlichte die Band zwei weitere EPs: „Glider“ (1990) und „Tremolo“ (1991).
Diese Re-Releases lassen sowohl die alten Fans als auch neue Hörer wieder neu in die massiven wie innovativen Schichten von Gitarrenwänden eintauchen. Und neues Material soll dieses Jahr möglicherweise auch noch erscheinen. Mal wieder.
Es ist ein Running Gag im Musikbusiness: Jahr für Jahr verkündet Kevin Shields, Mastermind von My Bloody Valentine, das Erscheinen eines neuen Albums. So auch für 2021 – hier sogar gleich zwei neue Alben -, denn der Re-Release des Gesamtkatalogs bei Domino Records scheint zu beflügeln.
Wie schnell dann so eine Veröffentlichung bei den irischen Shoegazern passieren kann, zeigte das Jahr 2013 als mit „m b v“ – 22 Jahre nach dem Meisterwerk „Loveless“ – völlig unangekündigt ein neues Album erschien. Es bleibt also spannend, so spannend wie immer bei der Band, die den Gitarrensound unter anderem mit Effekten wie Glider und Tremolo völlig neu erfand…
Aber beginnen wir doch am Anfang, im Jahr 1983 als sich My Bloody Valentine in Dublin gründete…
Anfangszeiten
Gitarrist und Sänger Kevin Shields und Schlagzeuger Colm Ó Cíosóig, die sich seit ihrer Kindheit in den 1970er Jahren kannten, beschließen zusammen unter dem Namen eines kanadischen Slasher-Horrorfilms zu musizieren.
Zu beiden stoßen der Sänger Dave Conway und die Keyboarderin Tina Durkin, zusammen veröffentlichen sie die das Album „This Is Your Bloody Valentine„, aufgenomemn in Berlin und soundtechnisch noch eher dem Post-Punk-Goth gewidmet.
Die Mini-LP stößt auf wenig Beachtung, aber der Umzug nach London beider Kindergartenkumpel Shields und Cíosóig im Jahr 1987 ließ sie auf die Gitarristin und Sängerin Bilinda Butcher und die Bassistin Debbie Googe treffen, so dass nun zu viert das Line-Up von My Bloody Valentine feststand.
Nur ein Jahr später fand man in dem mittlerweile ikonischen Label Creation Records (dessen Geschichte ist in einem 2021 erscheinenden Film namens „Creation Stories“ zu sehen) eine neue Heimat und dort erscheint auch die erste EP namens „You Made Me Realise“, die erste Aufmerksamkeit einbringt.
Damit realisierten viele im Musikzirkus: Hier ist jemand definitiv „seiner Zeit voraus“. Das Debüt-Album „Isn’t Anything“ sollte dies noch mehr andeuten, denn hier wurde mit neuen Aufnahmentechniken experimentiert und ein Gesang eingebaut, der später unter dem Genrenamen Dreampop firmieren sollte.
Die MusikerInnen arbeiten fieberhaft an ihren neuen Songs, pro Nacht schlief man fast nur eine Stunde. Bilinda Butcher erinnert sich:
„Es war oft halb acht morgens, wenn wir den Gesang aufgenommen haben. Da war ich dann meist schon eingeschlafen und musste zum Singen aufgeweckt werden. Vielleicht klingts deshalb so schläfrig. Ich versuche normalerweise, mich an meine Träume zu erinnern, wenn ich singe.“
Musikalisch bewegen sich die Songs zwischen ätherischen Kollagen, experimentellem Artpop und noise-rockigen Ausbrüchen.
Meisterwerk
Die Entstehung des nachfolgenden Albums ist zugleich Mythos als auch Manifestation eines neuen Sounds, der Generationen von Bands beeinflussen soll: Mit „Loveless“ ruinierte man fast das Creation Label finanziell, denn Shields zerschliss auf seiner fast wahnhaften Suche nach dem perfekten Klang mehrere Tonstudios und brachte Labelboss Alan McGee an den Rand des Nervenzusammenbruchs.
Solche gab es auch innerhalb der Band, Colm Ó Cíosóig war nur in der Lage beim mächtigen Opener „Only Shallow“ Schlagzeug zu spielen, bei allen anderen Songs wurden die Drum-Parts geloopt. Überhaupt ist „Loveless“ fast ein Shields-Solo-Werk, der selbst die Gesangsstimmen so arrangierte, das diese ebenfalls wie Instrumente klangen.
Die britische Musikpresse bezeichnete diese Musik damals abschätzig als „Shoegazer“-Musik.
„Der Begriff ‚Shoegaze‘ wurde von der britischen Musikpresse erfunden, um eine ganze Szene zu töten und anschließend den nächsten musikalischen Trend auszurufen. Sie liebten das, war der Kern ihrer ganzen Existenz. Das hat sich für sie am Ende nicht ausgezahlt. Aber ‚Shoegaze‘ war wirklich alles andere als ein Kompliment, sondern es war abschätzig gemeint.“ Kevin Shields
Ein solcher Begriff wird der Musik von „Loveless“ auch gar nicht gerecht, denn tatsächlich hatte die Band ihr ganz eigenes Genre geschaffen, einen Sound der sie sofort wieder erkennbar machte und ihnen den Ruf einbrachte, die lauteste Band der Welt zu sein.
Kommerziell war „Loveless“ kein großer Erfolg, künstlerisch ist dieses Album jedoch nicht hoch genug einzuschätzen, denn Shields holte hier aus der Gitarre alles heraus und veränderte mit diesem Sound das Spiel für immer. Diese Wall Of Sounds versetzten den Hörer geradezu in ein Niemandsland zwischen Realität und Reverb, den Brian Eno als neuen Standard bezeichnete. Doch dieses Magnum Opus forderte seinen Preis. Die Band zerbrach, Shields isolierte sich und zog sich mit seinen 20 Chinchillas zurück, ignorierte Telefonanrufe und galt fortan als verschrobenes Genie.
Shields ist dann als Produzent und Live-Musiker von Primal Scream tätig. Das erste Lebenszeichen in eigener Sache erklingt erst wieder 2003 als er überraschenderweise einige Tracks zum von ihm selbst kompilierten Soundtrack des Films „Lost In Translation“ beiträgt, auf dem auch „Sometimes“von My Bloody Valentine selbst oder ‚Just Like Honey‘ der Noise-Heroen The Jesus And Mary Chain vertreten sind. Mit diesem Film, der sich passenderweise mit Tagträumen und Schlafmangel befasst, sollte auch das Comeback des Shoegaze eingeläutet werden…
Wiederauferstehung
2008 spielen My Bloody Valentine dann einige heißersehnte neue Live-Termine in England – die Shows in London, Manchester und Glasgow sind bereits nach wenigen Minuten ausverkauft trotz dem legendär lautem Sound: Es kann zu düsenjetartigen 126 Dezibel kommen, die die Ohren der Gäste besonders in der extrem lärmigen „Holocaust-Section“ von „You Made Me Realise“ bis zu 20 Minuten lang ausgehalten werden müssen – wer sagte nochmal Shoegaze sei nur etwas für zarte Seelen? Es folgen Shows auf renommierten Festivals (Roskilde, Benicassim, All Tomorrow’s Parties) und sogar eine kleine Tour durch die USA.
Und ganze 22 Jahre nach „Loveless“ war es dann soweit: Das heiß ersehnte dritte Werk der Band unter dem schlichten Namen „m b v“ erschien. Darauf erfindet sich die Band einerseits neu und führt andererseits den Weg ihres expirementellen sowie sperrigen Trademark-Sounds weiter. Auch einige unglaublich melodiöse Stücke sind darauf zu finden wie „Only Tomorrow“ – ein wunderbares Namensecho auf „Only Shallow“…
Und irgendwann morgen oder übermorgen wird es erscheinen, das nächste Album von My Bloody Valentine, denn wie hauchen sie selbst in einer ihrer Coversongs so treffend? „We Have All The Time In The World“…
Als das zweite Album von My Bloody Valentine „Loveless“ im Jahr 1991 erschien, war ihr Label am Rande des Bankrotts. Rund zwei Jahre perfektionierte Kevin Shields seinen „Wall of Sound“ und schaffte somit ein einzigartiges Werk, das heute noch aus der breiten Masse heraus ragt.
Es könnte ein Kaliber wie „24 Hour Party People“ werden, den Film über die Manchester Musikszene von Joy Division hin zu den Happy Mondays: Das Team hinter „Trainspotting“ verfilmt die aufregende Geschichte hinter dem Plattenlabel Creation Records und dessen schillerndem Mastermind Alan McGee.
Sagenhafte 22 Jahre nach ihrem epochalen Meisterwerk „Loveless“ veröffentlichten My Bloody Valentine überraschend den Nachfolger „mbv“. Darauf ist all das zu hören, was Indierock- und Shoegaze-Freunde bereits vor zwei Jahrzehnten in den Bann zog.