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Zwischen Beton und Tagtraum: Pippa lädt auf „Träume auf Zement“ zum Tanz mit der Wirklichkeit

Poppig, poetisch, unbequem: Pippa sucht die Schönheit im Widerstand – und findet sie im Zement.

Da steht sie wieder, Pippa, irgendwo zwischen Straßenlaternenlicht und Kindheitserinnerung, zwischen grauem Beton und zartem Pastell. Mit „Träume auf Zement“ legt sie ihr viertes Studioalbum vor – ein Werk, das gleichzeitig aufschreit und flüstert, sich wie ein Coming-of-Age-Film auf Milchglas anfühlt, aber ebenso Jacques Tatis grauer Stadtlandschaft entsteigt. Pippa schreibt keine Songs, sie wirft Fragezeichen in Beton.

Der Sound? Tanzbar. Die Zeilen? Frech, fast trotzig. Und doch ist da diese Tiefe, dieser melancholische Blick, der zwischen den Beats hindurchschaut. Ein Album wie ein Spaziergang durch die eigene Geschichte – barfuß über Pflastersteine, den Kopf in den Wolken, das Herz in der Hand.

„Reise“ und „Nichts Tun“, die ersten beiden Tracks, setzen die Tonlage. „Reise“ ist Aufbruch, ein trotziges Nein zur Routine. Der Beat rollt wie ein Güterzug durch weite Felder, während Pippa ruft: „Geh los – auch wenn du nicht weißt, wohin.“ „Nichts Tun“ ist ihr Gegenspieler, eine Ode ans Innehalten in einer Welt, die sich ständig selbst überholt. Pippa macht sichtbar, was im Schatten liegt: dass Stillstand kein Rückschritt sein muss, sondern Widerstand.

Es ist dieses Spiel mit Gegensätzen, das „Träume auf Zement“ so faszinierend macht. Die Träume: zart, manchmal märchenhaft, wie hingetupft in einer anderen Sprache. Der Zement: hart, schwer, Realität pur. Und genau in dieser Spannung entsteht das Album – wie ein Luftballon, der sich weigert zu platzen, obwohl die Stecknadel der Wirklichkeit schon bereitsteht.

Tracks wie „Weck mich nicht auf“, „Wireless“ und „Wilde Herzen“ ziehen uns tief hinein in Pippas Parallelwelt. Der Traum ist hier kein Zufluchtsort mehr, sondern Prüfstein. Was ist real, was ist Illusion? Und wenn es sich gut anfühlt – muss es dann nicht auch wahr sein?

Doch Pippa bleibt nicht in der Traumwelt. In „Tauche wieder auf“ zeigt sie den Willen, zurückzukehren, neu zu atmen. Der Song ist ein Statement, leise, aber bestimmt: Wer träumt, darf auch aufwachen – aber zu seiner Zeit, nicht wenn der Wecker der Gesellschaft klingelt.

Je weiter das Album voranschreitet, desto mehr spiegelt es sich selbst. „Verstand“ und „Hotel Soupir“ tauschen Ratio gegen Gefühl – nicht naiv, sondern konsequent. Die Welt, die Pippa beschreibt, ist kein Ort, sondern ein Zustand. Einer, den man suchen muss, ohne je sicher zu sein, ihn gefunden zu haben.

Am Ende bleibt keine Antwort, nur ein Bild: „Die Neugier ist ein seltsames Tier. Sie frisst dir aus der Hand und übergibt sich dann auf dir.“ Ein Satz, der lacht und weint zugleich. Pippa gibt uns kein Fazit, sondern eine Einladung – zur Verwirrung, zur Emotion, zur Bewegung.

„Träume auf Zement“ ist ein Album, das tanzt, obwohl es wehtut, und schweigt, wenn andere schreien würden. Es ist ein leiser Aufstand gegen das Fertige, ein Plädoyer für das Unperfekte. Pippa bleibt auch in ihrem vierten Album eine Künstlerin, die ihre Welt nicht erklärt, sondern erlebbar macht – zwischen Nebel, Neonlicht und nackter Seele. Wer sich einlässt, wird nicht nur Musik hören. Er wird eine Geschichte spüren. Seine eigene, vielleicht.


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