Zum Inhalt springen

Urheberrecht: Upload-Filter seit 1.8.2021 in Kraft

Im Mai 2021 beschloss der Bundestag eine Reform des Urheberrechts und den so genannten Upload-Filter: Plattformen sind ab 1. August 2021 verantwortlich für die Rechtmäßigkeit der Inhalte. Was das für uns als Nutzer bedeutet erklären uns die Experten von irights.info.

Upload-Filter wird praktisch notwendig, Bagatellgrenzen vorgesehen

Inhalte, die nicht lizenziert sind oder anderweitig gesetzlich nicht erlaubt sind, müssen gelöscht und dürfen nicht mehr verfügbar gemacht werden.

Bei großen Plattformen wird das nur automatisch machbar sein. Das heißt: Die flächendeckende Einführung von Upload-Filtern kommt. Nutzer*innen können hochgeladene Inhalte aber im geringfügigen Maß als legal kennzeichnen, wenn sie die Inhalte nicht kommerziell nutzen. Die Inhalte sollen dann nicht von Upload-Filtern blockiert werden.

Diese sogenannten Bagatellgrenzen für nutzergenerierte Inhalte mit geringem Umfang dürfen bei der grundsätzlich erlaubten Nutzung zu den Zwecken von Zitat, Karikatur, Parodie und Pastiche nicht mehr als „als die Hälfte eines Werkes eines Dritten oder mehrerer Werke Dritter” umfassen.

Allerdings dürfen Nutzer*innen – anders als zunächst vorgesehen – Karikatur, Parodie und Pastiche auch dann nutzen, wenn kein besonders rechtfertigender Zweck vorliegt. Der Regierungsentwurf sah diese Einschränkung noch vor. Urheberrechtsexpert*innen hatten bezweifelt, dass eine solche Einschränkung rechtmäßig sei.

Als geringfügige Nutzung gelten ein bis zu 15 Sekunden langer Audio- oder Video-Schnipsel, Texte bis 160 Zeichen sowie 125 Kilobyte eines Fotos oder einer Grafik.

ACT DES MONATS

Linkin Park (Bandfoto 2024, James Minchin)
ACT DES MONATS: Linkin Park (Foto: James Minchin)

 

Upload bei Facebook
Upload bei Facebook – künftig wird stärker geprüft

Verschärfte Regelungen für Sportübertragungen

An einer Stelle verschärft der Bundestag sogar die Regelung für Upload-Filter: Für Live-Übertragungen von Sportveranstaltungen gelten die Bagatellgrenzen nicht. Jede auch noch so kleine Veröffentlichung von Ausschnitten aus einem noch laufenden Spiel ist damit verboten.

Allerdings obliegt es den Rechteinhaber*innen, die Sperre zu verlangen und dafür die erforderlichen technischen Informationen zur Verfügung zu stellen. Die Nutzer*innen müssen zudem über die Blockierung informiert werden.

Mehr Transparenz bei Upload-Filtern?

Um ein Overblocking legaler Inhalte zu verhindern, will der Bundestag außerdem mehr Transparenz bei Upload-Filtern schaffen. Plattformen müssen Wissenschaft und Forschung Zugang zu den Daten „über den Einsatz von Verfahren zur automatisierten und nicht automatisierten Erkennung und Blockierung von Inhalten” verschaffen.

Auch können Rechteinhaber*innen, die immer wieder Blockierungen verlangen, obwohl die Inhalte rechtlich zulässig sind, vom Upload-Filter-Verfahren ausgeschlossen werden. Vereine und Verbraucherschutzverbände können gegen solche „Overblocker“ zukünftig gerichtlich vorgehen und diese auf Unterlassung in Anspruch nehmen.

Verlegerbeteiligung und Leistungsschutzrecht für Presseverlage

Für Verlage sieht das Gesetz die sogenannte Verlegerbeteiligung vor. Das heißt, dass Verlage regelmäßig an den Einnahmen der Verwertungsgesellschaften beteiligt werden; etwa auf Grundlage von Vergütungsansprüchen für gesetzlich erlaubte Nutzungsformen wie der Privatkopie.

Den Urheber*innen sollen zwei Drittel dieser Einnahmen zustehen, den Verlagen ein Drittel. Es soll allerdings möglich sein, dass die Gremien der jeweiligen Verwertungsgesellschaften andere Verteilungsschlüssel und Tarife festlegen.

Die Regelung hatte schon im Vorfeld viel Kritik erregt (iRights.info berichtete). Gleiches gilt für das Leistungsschutzrecht für Presseverlage, das eine lizenzfreie „Nutzung einzelner Wörter oder sehr kurzer Auszüge aus einer Presseveröffentlichung“ prinzipiell ermöglicht. Wie unter anderem golem.de berichtet, definiert das Gesetz allerdings nicht näher, wie lang solche Auszüge genau sein dürfen.

Kontroverse Reform bringt kontroverse Reaktionen

Insgesamt war das Echo auf die Entscheidung des Deutschen Bundestags zur Umsetzung der Richtlinie sehr durchmischt. Das ist wenig überraschend, wenn man bedenkt, wieviele verschiedene Interessen die Reform unter einen Hut bringen soll und wie hart um sie gestritten wurde.

Lob aus der Medienindustrie

Zeitungs- und Zeitschriftenverlage lobten den Beschluss. Alexander Skipis vom Börsenverein des Deutschen Buchhandels etwa begrüßte die Entscheidung zur Verlegerbeteiligung und die hier gestärkte Position der Verwertungsgesellschaften, insbesondere der VG Wort.

Trotz der umfassenden Regelungen hätten seiner Ansicht nach die Plattformen sogar noch stärker in die Pflicht genommen werden können, betonte der Geschäftsführer des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels in einem Statement.

Auch der größten deutschen Verwertungsgesellschaft GEMA, die zehntausende Komponist*innen, Textdichter*innen und Musikverlage vertritt, ging die Reform nicht weit genug. Zwar unterstützte der GEMA-Vorstandsvorsitzende Harald Heker in einer Pressemitteilung grundsätzlich die neuen Haftungs- und Lizenzierungsvorgaben für die Internet-Plattformen. Bei den neu gefassten Schrankenregelungen müsse man jedoch darauf achten, so Heker, „dass ihre Auslegung nicht zulasten der Kreativen geht.“

Gemischte Reaktionen bei Vertretungen von Kreativen und Nutzer*innen

Der Initiative Urheberrecht zufolge sei das Ziel der Reform, nämlich eine Stärkung der Kreativen, „im Wesentlichen erreicht“ worden. Die Organisation vetritt nach eigenen Angaben die Interessen von rund 140.000 Urheber*innen aus mehr als 35 angeschlossenen Verbänden und Gewerkschaften.

Demgegenüber äußerte ver.di-Bundesvorstandsmitglied Christoph Schmitz Unverständnis für die Reform. Die rund 45.000 von ver.di vertretenen Urheber*innen und Künstler*innen könnten auf Grundlage des neuen Gesetzes nicht angemessen für ihre kreative Arbeit bezahlt werden: „Menschen, die die Inhalte schaffen, müssen mit dem Vorlieb nehmen, was vom Tisch herunterfällt“, so Schmitz.

Weiter befürchtet Schmitz durch das Gesetz die „Taktik vieler Verwerter, Geld nicht für die Zahlung angemessener Vergütungen, sondern für Anwältinnen und Anwälte als Abwehr- und Einschüchterungsmethode einzusetzen.“

Susanne Dehmel vom Branchenverband bitkom, der die Interessen von Informationswirtschaft, Telekommunikation und neuen Medien in Deutschland vertritt, zeigte sich in einer Stellungnahme ebenfalls enttäuscht: Das Gesetz sei ein „Rückschlag für die Meinungsfreiheit im Netz“ und bringe Unsicherheit für die Nutzer*innen der Plattformen mit sich, „weil diese in vielen Fällen kaum selbst einschätzen können, wann eine Bild- oder Filmdatei legal ist.“

Dazu trage auch ein „überkomplexes Beschwerdeverfahren“ bei, mit dem strittige Fälle geklärt werden müssten, so Dehmel. Die Plattformen müssten sich nun in vergleichsweise kurzer Frist um technische Lösungen der rechtlichen Vorgaben bemühen.

Die Bürgerrechts-Aktivistin Julia Reda von der Gesellschaft für Freiheitsrechte sorgt sich vor allem um mögliche Einschränkungen bei digitaler Kommunikation und Grundrechten, die durch Upload-Filter entstehen könnten. Sie halte es für „Augenwischerei“, dass der Begriff Upload-Filter zwar nicht im Gesetzestext stehe, aber den Plattformen nun nichts anderes übrig bleibe, als diese zu implementieren.

In einem Tagesschau-Interview sowie in einem Blogpost kündigte sie an, mit der Gesellschaft für Freiheitsrechte genau zu beobachten, ob und wo Upload-Filter legale Inhalte sperren würden, um gegebenenfalls dagegen vorzugehen. Die Stärkung der Wissenschaftsfreiheit, etwa was Text- und Data-Mining, Ausnahmen für den Schulunterricht oder die Aufhebung der Befristung der Wissenschaftsschranken betrifft, begrüßte Reda.

Dieser Text wurde verfasst und veröffentlicht von der Redaktion von irights.info am 21. Mai 2021. Wir haben den Text an einigen Stellen gekürzt. Der Text wurde veröffentlicht unter Creative Commons Lizenz 4.0.