Zum Inhalt springen

Urheberrecht: Pro & Contra zu Artikel 13 („Upload Filter“)

Die Debatte um das neue Urheberrecht ist heftig und laut. Während Künstler und Labels künftig auf faire Entlohnung hoffen, befürchten Netzaktivisten flächendeckende Zensur. Die beiden Seiten stehen sich fast feindselig gegenüber. Wir haben beim Indielabel-Verband VUT und Netzpolitik.org nachgefragt.

Pro:

Der VUT  (Verband unabhängiger Musikfirmen) spricht sich klar für eine Urheberrechtsreform aus, die dafür sorgen soll, dass Rechteinhaber Geld bekommen, wann immer Musik auf Youtube gespielt wird. Dafür werden neben GEMA (die Youtube nach jahrelangen Verhandlungen inzwischen abführt) auch Lizenzgebühren fällig. Dasselbe gilt für Facebook, Vimeo und andere. Schon längst sind diese Plattformen zu mächtigen Medien geworden, die Millionen von Nutzern mit Musik versorgen an der man keine Rechte besitzt. Und ohne dafür zu bezahlen.

Contra:

Auf der anderen Seite stehen die Netzaktivisten von Netzpolitik.org für ein freies Netz, das in erster Linie den Nutzern dienen soll und nicht kommerziellen Interessen geopfert werden darf. Die Journalisten von Netzpolitk.org  – selbst Urheber – sind lautstarke Kritiker des geplanten Gesetzes, da dieses künftig eine Zensur ermöglichen werde, was gerade angesichts der politischen Lage in Europa gefährlich werden könne. 

Worum geht es in Artikel 13?

Die Verantwortung für das Anbieten urheberrechtlich geschützter Inhalte liegt momentan bei den Nutzern, die Musik und Videos auf Facebook, Instagram oder Google hochladen. Die Plattformen stellen lediglich die technische Möglichkeit bereit, sind aber nicht für die Inhalte verantwortlich. So wurde es zumindest bisher gehandhabt.

ACT DES MONATS

Linkin Park (Bandfoto 2024, James Minchin)
ACT DES MONATS: Linkin Park (Foto: James Minchin)

 

Die Internetkonzerne konnten sich also aus der Verantwortung stehlen und urheberrechtlich geschütztes Material anbieten, ohne dafür zahlen zu müssen. Wir als redaktionell betreute Plattform können generell keine unlizenzierten Inhalte anbieten, ohne sofort eine teure Abmahnung in der Post zu haben. Ungerecht? Eigentlich schon.

Der VUT fordert gemeinsam mit anderen Verbänden und Unternehmen aus der Kreativwirtschaft schon seit Jahren, dass Google und Facebook für jedes geschützte Werk eine Lizenzgebühr bezahlt und die Rechteinhaber endlich mitverdienen können. Man beruft sich unter anderem darauf, dass das bei Streamingplattformen wie Spotify oder Deezer auch funktioniere. Allerdings sind das kostenpflichtige Aboangebote für die Nutzer monatlich rund 10 Euro bezahlen. Am Ende könnten künftig also auch die Nutzer zur Kasse gebeten werden, wenn sie Videos sehen wollen. Dazu passt die Meldung, dass Youtube-Vorläufer MTV einen Neustart mit 90 Prozent Musikanteil wagen will. Zufall?

CC-BY-SA 4.0 Christian Schneider

Pro & Contra: Werden die Plattformen Uploadfilter einsetzen, um Lizenzzahlungen zu vermeiden?

VUT:

„Das wird nicht passieren. 99,99% der Online-Angebote sind von Artikel 13 der Richtlinie nicht betroffen. Dass nun als Reaktion die großen, betroffenen Plattformen anfangen, massenhaft Inhalte zu filtern, um Schadensersatzansprüche von Urheber_innen zu vermeiden? Dagegen sprechen wichtige Gründe. 

Erstens sind Google, Facebook u.a. börsennotierte Unternehmen und wären eine große Ausnahme, stünden nicht die Steigerung von Wachstum, Umsatz und Gewinn als dominierende Geschäftsziele im Vordergrund. Durch Sperrung oder Filterung von Inhalten erreichen sie ihre Geschäftsziele nicht – das ist für sie also die schlechteste Lösung. Wo keine Inhalte, da keine Nutzer_innen. Wo keine Nutzer_innen, da kein Wachstum.

Zweitens können sie die nachweislich am meisten nachgefragten Inhalte, wie z.B. Musik, leicht von den Rechteinhaber_innen lizenzieren und damit rechtmäßig nutzen. Das gilt auch für Hintergrundmusik, Bearbeitungen und jede Form von User Uploaded Content. Für den typischen User und Channelbetreiber ändert sich nichts.“

Netzpolitik.org:

„Youtube verwendet längst Uploadfilter, es entwickelte mit dem ContentID-System seine eigene Software dazu. Die Frage ist nicht, ob Google und Facebook Uploadfilter verwenden, sondern ob deren Technologie für alle verpflichtend werden soll. Die Konzerne lobbyieren in dem Sinn auch gar nicht gegen die Filter, sondern gegen verstärkte Haftungsbedingungen. Das ändert aber aus unserer Sicht nichts daran, dass Artikel 13 implizit zu Filterpflichten führt und Nutzer:innen zu Opfern des Machtkampfs zwischen Internetkonzernen und Rechteinhabern werden.“

Pro & Contra: Wird die Informations- und Meinungsfreiheit durch das neue Gesetz eingeschränkt?

VUT: 

„Es geht um Urheberrechtsverletzungen, nicht um Meinungsverbreitung. Eine urheberrechtlich geschützte Datei zu verbreiten ist keine Meinungsäußerung. Das ist als würde man pauschal behaupten, das Urheberrecht verstoße gegen das Recht auf freie Meinungsäußerung. Ganz entscheidend kommt aber hinzu, dass es in erster Linie darum geht, Plattformen wie YouTube zu zwingen, Lizenzverträge abzuschließen und die Nutzung der verfügbaren Inhalte fair zu vergüten. Weder VUT-Mitglieder noch die anderen Kulturschaffenden und am allerwenigsten die Plattformen haben ein Interesse daran, dass ihre Inhalte aus dem Netz gefiltert werden. 

Der Begriff „Zensur“ wird in dem Zusammenhang als politischer Kampfbegriff benutzt. Das deutsche Grundgesetz beinhaltet ein absolutes Zensurverbot (Art. 5 Abs. 1. S. 3 Grundgesetz). Es ist weder Zensur noch ein ungerechtfertigter Eingriff in die Kommunikationsfreiheit, wenn YouTube oder irgendeine andere Plattform den Uploader_innen mitteilt, dass deren Uploads nicht veröffentlicht werden.“

Netzpolitik.org:

„Filtersysteme sind eine Zensurinfrastruktur. In der EU werden derzeit Systeme zur Uploadfilterung nicht nur gegen Urheberrechtsverletzungen diskutiert, sondern auch gegen „Terrorpropagdanda“ und andere unerwünschte Inhalte. Die Befürchtung dabei ist, dass automatisierte Filter aber nicht wirklich genau zwischen erlaubten und unerlaubten Inhalten unterscheiden und, quasi als Beifang, auch sehr viel an legalen und sogar explizit geschützten Inhalten aus dem Netz fegen.“

Pro & Contra: Werden Memes, also Parodien zu aktuellen Phänomenen, in Zukunft nicht mehr möglich sein?  

VUT: 

„Die Einführung von Artikel 13 wird keinen Einfluss auf die Verbreitung von Zitaten oder Parodien nehmen. Automatisiert können Parodien oder Zitate nur schwer erkannt werden. Oft sind sich auch Expert_innen uneinig, wo die bloße Kopie endet und die Parodie anfängt. Die Übergänge sind fließend und die gleiche Unsicherheit besteht seit jeher in Bezug auf Persönlichkeitsrechte.

Sollte es trotzdem in einem Ausnahmefall vorkommen, dass bestimmte für eine Parodie verwendete Musik nicht lizenziert ist und damit fälschlicherweise eine zulässige Parodie gesperrt wird, dann gibt es für den Uploader die Möglichkeit, gegen die Verhinderung seines Uploads vorzugehen und den Upload durchzusetzen. Wenn er sich zu Recht auf eine Parodie berufen kann, dann muss er lediglich einen gewissen Verzug beim Freischaltvorgang hinnehmen.“

Netzpolitik.org: 

„Es mag vielleicht eine Ausnahme auf Meme geben (noch ist der genaue Text, auf den sich die Verhandler geeinigt haben, ja nicht bekannt). Allerdings ist es genau die Befürchtung, dass zwar allerhand Dinge als legale Inhalte besprochen werden, aber die automatisierten Filtersysteme zwischen einer (illegalen) Kopie und einer (legalen) Parodie nicht unterscheiden können.“

Fazit: Risiken und Nebenwirkungen sind bisher unerforscht

Zwar ist das neue Gesetz so gut wie beschlossen und von „Upload-Filtern“ darin eigentlich keine Rede, doch anders könnte man Urheberrechtsverletzungen wohl kaum verlässlich erkennen bei der Masse von Material, die Tag für Tag bei Facebook, Google und Co. hochgeladen wird.

Während der VUT betont, dass man überhaupt nicht an Upload-Filtern, sondern einer Lizenzierung interessiert sei, befürchten die Netzaktivisten einen massiven Eingriff in die Freiheit der Nutzer, da Filter für dieses Vorhaben unumgänglich seien, aber niemals exakt sein könnten. Deshalb würden im Zweifelsfall vermutlich lieber mehr Inhalte ausgefiltert als zu wenig. 

In der Theorie klingt das Gesetz also erstmal gar nicht schlecht, sogar fair, doch die Praxis könnte zahlreiche Einschränkungen mit sich bringen, nicht nur für Nutzer, sondern auch für uns und alle, die mit Hilfe der Services von Youtube, Facebook und Co. Inhalte fürs Internet produzieren. Dass die sagenhafte Reichweite, die beispielsweise Youtube den Nutzern, Blogs und Online-Medien bietet auch einen sehr hohen Wert hat und vielen Künstlern zahlreiche neue Fans beschert, darüber wird derzeit kaum gesprochen.

Einig sind sich beide Seiten derzeit nur darüber, dass die Internetgiganten in den letzten Monaten mit recht massiven Drohungen und Lobbyarbeit versuchten, Einfluss auf die Gesetzgeber zu nehmen und dass man nicht jedem hysterischen Aufschrei von irgendwelchen Youtubern glauben sollte.

Allerdings kann ein Gesetz, das selbst Urheber derart polarisiert kein besonders Gutes sein. Die Risiken und Nebenwirkungen sind jedenfalls noch völlig unerforscht und das wäre bei der Einführung eines neuen Medikaments schlicht verboten.