Udo Lindenberg ist die lebende Legende im deutschen Musikzirkus. Kurz vor seinem 70. Geburtstag veröffentlicht er sein 35. Album und schaltet einen Gang zurück.
Nach den großen Erfolgen in den 70er und 80er Jahren dümpelte seine Karriere eher vor sich hin. Lindenberg zog als dauerbesoffenes Kuriosum durch Hamburg, veröffentlichte hin und wieder mäßig erfolgreiche Platten und lebte von seinen alten Hits. Er musste erst 60 werden, bis seine Karriere nochmal eine erstaunliche Wende nahm.
Im Jahr 2006 erinnerten sich zahlreiche Künstler von Jan Delay bis Max Herre daran, wie wichtig Udo Lindenberg für sie als Inspiration gewesen war und traten mit dem Panikpräsidenten gemeinsam auf. Die selbst ernannte „Nachtigall“ Lindenberg hatte ihnen und vielen anderen gezeigt, dass man keine große Stimme braucht, um ein großer Sänger zu sein. Der Radiosender 1Live ehrte ihn im gleichen Jahr für sein Lebenswerk.
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All die Aufmerksamkeit gaben dem Altrocker Udo Lindenberg nochmal einen kreativen Schub. Er hörte mit dem exzessiven Saufen auf, nahm neue Songs auf und veröffentlichte sie 2008 unter dem Namen „Stark wie zwei“. Es wurde das erste Nummer-1-Album seiner langen Karriere und seitdem läuft es wieder rund im Hotel Atlantic, wo sich Lindenberg vor über 20 Jahren einquartiert hat. Und wo er 2011 auch ein MTV Unplugged Album aufnahm – das bislang erfolgreichste Album seiner Karriere verkaufte fast so viel, wie alle seine Studioalben davor zusammen.
Für sein neues Album „Stärker als die Zeiten“ hat er das Who-is-who der deutschen Hitproduzenten um sich geschart, um seine Lebensweisheiten in Musik wie Watte zu packen. Das Album besteht bis auf vier Ausnahmen aus Balladen, was damit zusammen hängen mag, dass auch rüstige Rocker es irgendwann ruhiger angehen lassen müssen, vor allem, wenn sie eine lange Stadiontour vor sich haben.
Aber auch daran, dass Udo überwiegend nachdenkliche Texte geschrieben hat über Abschied („Wenn du gehst“) und auch seinen eigenen Tod („Wenn die Nachtigall verstummt“). Natürlich macht man sich mit 70 Gedanken darüber, dass das Leben nicht endlos ist.
Trotzdem sind seine Texte überwiegend Aufbaupoesie, wie man sie von Lindenberg kennt. Selbst seinem eigenen Körper widmet er auf „Stärker als die Zeit“ ein Loblied, schließlich hat er ihn trotz des jahrelangen Missbrauchs durch Alkohol, Nikotin und Drogen aller Art nie im Stich gelassen.
15 Songs stark ist „Stärker als die Zeit“ und es ist musikalisch durchgehend radiotaugliches Mainstream-Futter geworden, was manche notorisch schlecht gelaunte Kritiker natürlich bemängeln, aber echte Lindenberg-Fans kaum weiter interessieren dürfte. Schließlich hat der Mann schon ein Musical aus seinen Songs gemacht. Das ist gerade so, als würde man den Stones vorwerfen, keinen Punk zu machen oder BAP, auf Kölsch zu singen: Schwachsinn. Udo Lindenbergs große Kunst ist es, Udo Lindenberg zu sein. Davon gibt es nur einen. Und damit hat er sich längst unsterblich gemacht.
Mit dem Video zur ersten Single „Durch die schweren Zeiten“ räumte Udo Lindenberg 2016 gleich noch einen Echo ab und trifft einen Nerv, wenn auch mit ganz leisen Tönen. Ein ganz starker und emotional aufwühlender Song für alle, denen es zur Zeit nicht so gut geht.
Die Zeit ist reif, Udo Lindenberg, der am 17. Mai 70 Jahre alt wird, zum offiziellen Panikpräsidenten der bunten Republik Deutschland zu küren.
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