Es gibt nur wenige Filme, die wirklich Kult sind. The Big Lebowski von 1998 gehört zu diesem exklusiven Kreis – und ist eine der besten Komödien überhaupt.
Wem kein wohliger Schauer über den Rücken läuft, wenn er an den Dude denkt, hat kein Herz. Ein dauerbekiffter Althippie in LA, der wegen seines richtigen Namens Jeffrey Lebowski in eine völlig absurde Kriminalgeschichte stolpert und irgendwie doch alles auf die Reihe kriegt: Diese Figur muss man einfach lieb haben. Das gilt freilich auch für die anderen abgefahrenen Charaktere, die sich die Autoren, Produzenten und Regisseure Joel und Ethan Coen für The Big Lebowski ausgedacht haben. Seit 2002, das rechtfertigt das Attribut „Kultfilm“, veranstalten Fans in den USA alljährlich mehrere Tage lang ein Lebowski-Fest. Es gibt sogar einen religiöse Quatsch-Gruppe, die ihre Kirche „Church Of The Latter-Day Dude“ genannt hat. Nun, manche Leute haben zu viel Zeit.
Eine solche Verehrung war nicht abzusehen, als die Komödie The Big Lebowski 1998 ins Kino kam. Fargo (1996), der Vorgänger-Film der Coen-Brüder, war zu Recht ein Hit gewesen und hatte zwei Oscars abgeräumt. Dagegen war der Erfolg von Lebowski zunächst eher bescheiden. Erst über die Jahre hinweg entwickelte der mit Kraftausdrücken – über 250 mal fällt das böse Wort mit „f“ – gespickte Film eine Eigendynamik, die ihn zu einem der beliebtesten überhaupt machte. Die Faszination für Dude und Co. hat mehrere Gründe.
The Big Lebowski: Die Handlung
Der arbeitslose Jeffrey Lebowski, der sich selbst nur der Dude nennt und auch so angesprochen werden will, ist die faulste Sau weit und breit. Außer für Kiffen und den Ekel-Cocktail White Russian interessiert er sich nur für Bowling und Hippie-Musik. Seine beiden Freunde passen eigentlich überhaupt nicht zu ihm: Walter Sobchak ist ein frustrierter, aggressiver Vietnam-Veteran, der einen Bowling-Konkurrenten schon mal mit der Knarre bedroht, sich aber aus Liebe zu seiner Exfrau luschenhaft erniedrigt. Und Donny – Theodore Donald Kerabatsos – ist ein rundum netter Kerl, aber auch ein Nullchecker, der überwiegend teilnahmslos dabeihockt und ansonsten mit dämlichen Fragen und Kommentaren nervt. Was dazu führt, dass Walter ihm ständig mit übelsten Worten den Mund verbietet.
Eines Tages wird der Dude in seiner heruntergekommenen Bude von Handlangern des Pornofilm-Produzenten Jackie Treehorn (die Namen!) überfallen, weil sie ihn mit einem alten Millionär, der zufällig auch Jeffrey Lebowski heißt, verwechseln. Dessen blutjunge Frau Bunny, eine ehemalige Porodarstellerin, soll Treehorn Geld schulden. Einer der Gangster pinkelt auf Dudes Teppich. Woraufhin der, angefeuert von Walter, beim Millionär Lebowski vorstellig wird und um Ersatz bittet. Was dieser rundweg ablehnt.
Es folgt eine äußerst verzwickte Film Noir-Hommage mit einer Entführung, einer gescheiterten Lösegeldübergabe, Einblicken in das obskure Künstlerinnenleben der vom Vater entfremdeten Millionärstochter Maude Lebowski und wirren K.o.-Träumen des Dude. Dazu wird viel gebowlt, weil er und seine Freunde an lokalen Meisterschaften teilnehmen. Und ein Detektiv mischt auch noch mit. Erzählt und kommentiert wird das Ganze von einem verwitterten Cowboy, der zufällig in der Stadt ist. Es verwundert immer wieder, wie die Coens aus all dem einen Film zusammenschrauben konnten, der gleichzeitig einzigartig schrill und doch logisch ist.
Besetzung von Big Lebowski
Joel und Ethan Coen sind Meister der Besetzung. Das Ensemble in The Big Lebowski ist durchweg erste Sahne. Jeff Bridges verkörpert den Dude nicht, er ist der Dude. Mit halblangen, schmierigen Haaren, verfusseltem Bart, roten Äuglein und einer Strickjacke aus dem Heilsarmee-Fundus tapert er knuffigst benebelt durch den Film. John Goodman, dem das Regie-Duo wie auch anderen Schauspielern in mehreren Filmen vertraute, spielt Walter mit der Wucht seines Körpers und macht ihn zu einem komplexbehafteten trotzigen Kind. Donny ist eine der schönsten Rollen des immer sehenswerten Steve Buscemi. Obwohl er wenig mehr zu tun hat, als verloren herumzusitzen, ist er mit der Miene eines Mannes, dem jede Kleinigkeit ein Staunen entlockt, allzeit präsent und die Geheimwaffe des Films.
Julianne Moore spielt Maude, die es dank ihres Millionenvermögens als bildende Künstlerin babyleicht hat und sich wenn’s drauf ankommt wie eine skrupellose Geschäftsfrau verhält, gnadenlos affektiert. Ben Gazzara ist der schmierigste Pornoproduzent, den man sich vorstellen kann, David Huddleston als im Rollstuhl sitzendes Familienoberhaupt der reichen Lebowskis ein Patriarch der ganz alten Schule. Was umso lächerlicher wirkt, als das Kartenhaus zusammenstürzt.
Erwähnenswert sind darüber hinaus noch zwei Nebenrollen. Philip Seymour Hoffman dabei zuzusehen und zuzuschauen, wie er den speichelleckenden und verklemmten Diener Brandt mit Leben füllt, ist ein Fest. Genauso wie John Turturro als Bowler Jesus Quintana, der in seinem lilafarbenen Ganzkörperanzug nach gelungenem Wurf einen ebenso albernen wie selbstgefälligen Tanz auf die Bahn zaubert. Und zwar zu der abgeschmackt lateinamerikanischen Gipsy Kings-Version von Hotel California (eigentlich von den Eagles). Womit wir beim famosen Soundtrack angekommen sind.
Big Lebowski: Soundtrack
Soundtracks haben schon manchen Film zur Farce werden lassen. Bei The Big Lebowski dagegen hebt die Musik das Werk noch mal auf eine höhere Ebene. Bob Dylans bekifft-schunkelndes „The Man In Me“ fungiert als Titelstück und untermalt später einen absurden Bowling-Traum des nach einem Faustschlag ohnmächtigen Dude grandios. Creedence Clearwater Revivals „Lookin‘ Out My Back Door“ macht aus der Szene, als der Dude seine ohnehin schon ramponierte Karre noch mehr demoliert, einen beschwingten Hippie-Spaß. Auch die Wahl des Abspanntitels überzeugt auf ganzer Linie, weil das Ende des Films mehr melancholisch als lustig ist: „Dead Flowers“ von den Rolling Stones in der Version des großen Depressiven Townes Van Zandt.
Das ist nur eine kleine Auswahl aus den Stücken, die dabei helfen, The Big Lebowski zu einer der besten Komödien überhaupt zu machen. Der Soundtrack lohnt sich freilich auch auf Platte. So klingt er, der Dude.