Rock ist tot, die Zeit der Gitarren ist vorbei. Zumindest, wenn es nach Tame Impala geht.
Ein von wilden Spekulationen umgebenes Album ist da: „Currents“ heißt das dritte Werk des Australiers Kevin Parker aka Tame Impala. Zumindest abseits der Bühne ist diese Band tatsächlich eine One-Man-Show: Mastermind Parker hat den Longplayer komplett im Alleingang geschrieben und eingespielt – und er hat alles hinter sich gelassen : den Rock, die 60s-Verweise, die Riffs, alles weg. Hier ist nichts mehr wie es war.
Vollkommen überraschend ist das zwar nicht, bereits im Vorfeld sorgte das gratis im Netz verfügbare „Let It Happen“ auf knapp 8 Minuten mit reichlich elektronischen Spielereien für Aufsehen und auch auf dem Vorgänger „Lonerism“ kündigte sich manche Idee hier und dort schon an. Dennoch ist der Umbruch radikal: Loops, breite Synthie-Teppiche, Bee Gees der 70er und Prince der 80er, Pop, Pop und nochmal Pop. Captain Future meets Pink Floyd. Manches wirkt etwas schwülstig, wenn nicht gar kitschig. Doch Parker ist ein zu erfahrener Songwriter um in diese Falle zu tappen.
Er schachtelt die Versatzstücke dichter ineinander, lässt an anderer Stelle etwas Luft und kriegt so tatsächlich die Kurve, wenn auch manchmal nur haarscharf. Konsequent verweigert Parker die Single: „Currents“ ist ein einheitliches und geschlossenes Album ohne die Sorte Hit, über die sich ein Label freut. Statt dessen liegt der Fokus gleichberechtigt auf jedem einzelnen Track. Lediglich „Gossip“ wirkt wie ein merkwürdig unnötiger und deplatzierter Pausenfüller. Irgendwie psychedelisch kommt all das noch immer daher. Nicht ohne Schwächen, dafür entschlossener, konkreter und weniger zaghaft.
Ob Disco, Funk, R-n’B oder Pop, Tame Impala 2015 zehrt von vielen Einflüssen, die meisten davon für die beiden bisherigen Alben unvorstellbar. Es ist nicht ungefährlich, sich derart kompromisslos neu zu erfinden. Dass alle Fans die Kehrtwende mitmachen darf bezweifelt werden. Doch so ein Neustart ist auch beeindruckend, zeugt von Mut und vom Vertrauen, seinen Impulsen nachzugehen und das eigene Potential zu verwirklichen. Diese Energie steckt an.
Parker wird hoffentlich für dieses viel zu selten eingegangene Risiko belohnt und von Menschen neu entdeckt werden, die seine Vision vom Pop teilen. Zu wünschen ist es ihm, denn dort wo dieses Album herkommt gibt es wahrscheinlich in den nächsten Jahren noch eine ganze Menge mehr zu entdecken. Es bleibt spannend. Das ist im Musikgeschäft sicher nicht die schlechteste Eigenschaft.
UPDATE:
Gerade ließen Tame Impala einen neuen Song hören. Zu finden ist der bald in einer riesigen Currents-Collectors-Edition mit B-Seiten, Raritäten, Outtakes und einem alternativen Artwork. Hört hier „List Of People (To Try And Forget About)“