Kurz vor dem Ruhestand gibt Sido das Zepter weiter.
„Ich glaube nicht, dass ich eine Legende bin, weil Legende so nach Ende klingt„, verkündet Sido auf dem Album-Opener „Wie Papa“. Dennoch lässt er auf seinem achten Studioalbum „Ich & keine Maske“ immer wieder durchblicken, dass der Ruhestand für ihn keine völlig absurde Vorstellung ist. Er hat alles erreicht, was es im deutschen Rap zu erreichen gibt. Müde das zu betonen, wird er zwar nicht, doch der Wunsch nach Scheinwerferlicht treibt ihn nicht mehr ans Mikrofon – allerhöchstens die Liebe für Hip-Hop.
„Nicht falsch verstehen, ich gönne, ist nur nicht meine Hymne / Auch wenn ich euch nicht versteh, ihr gebt der Jugend eine Stimme / Also macht euch keinen Kopf über die Zeit, die mir noch bleibt / Weil eigentlich wichtiger ist, wie viele Seiten ihr noch schreibt„, richtet sich Sido in „Das Buch“ an die nächste Generation. In einer Mischung aus Altersmilde und Zufriedenheit gibt der 38-Jährige auf „Ich & keine Maske“ das Zepter weiter.
Feature-Gäste wie Luciano, Apache 207 und Samra zeigen, wohin sich deutscher Rap in den letzten Jahren entwickelt hat. Sido macht an deren Seite keine schlechte Figur, weist im direkten Vergleich aber Defizite auf. Auf dem vierminütigen Stück „2002“ mit Apache 207 vergehen fast zwei Minuten, bis Sido zum ersten Mal zu hören ist. Bis dahin hat der 21-Jährige das Lied längst an sich gerissen und den Gastgeber zum Nebendarsteller degradiert.
Video: Sido feat. Samra & Kool Savas – High
Auch wenn sich Sido durch und durch als Hip-Hopper inszeniert, fiel er im Laufe seiner Karriere immer wieder durch Pop-Ausflüge auf. „Ich & keine Maske“ stellt da keine Ausnahme dar. Wenn der Berliner nicht selbst den Refrain singt, erledigen das Johannes Oerding, YONII und Monchi von Feine Sahne Fischfilet. Genau das macht die Musik des Berliners so authentisch, spiegelt sie doch nachvollziehbar den Werdegang des „Jungen von der Straße“ hin zu Deutschraps Grönemeyer wider. Es begann mit zwei Dönern, die er sich aus Geldmangel mit vier Kumpels teilen musste, und steht aktuell bei einem Engagement für „The Voice Of Germany“.
ACT DES MONATS
Mittlerweile ist Sido ein besserer Songschreiber als Rapper. „Ich & keine Maske“ bietet daher kaum Überraschungen, die das Genre beeinflussen werden. Musikalische Neuerungen steuern die Gäste bei. Dass sich Sido auf die neue Generation nicht nur einlässt, sondern sie auch aktiv unterstützt, spricht für seine Liebe zur Musik. „Ich & keine Maske“ zeigt einen sympathischen Rapper, der künstlerisch auf einem ganz hohen Niveau stagniert. Das können nur wenige Legenden von sich behaupten.
Video: Sido feat. Monchi – Leben vor dem Tod
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