Zwei Dinge, die im Bezug auf dieses Album wohl nicht größer sein können: Erwartungen und Vorschusslorbeeren. Seit Jahren wird Roosevelt von zahlreichen Blogs als Next Big Thing fast zu Tode gehypt, die Fanbase ist beachtlich. Jetzt ist das heiß ersehnte Debüt da und muss halten, was andere versprochen haben.
Die Vorgeschichte von Marius Lauber aka Roosevelt liest sich gut: mit 18 ist er Drummer der Indieband Beat! Beat! Beat, startet Ausflüge in den Club – erst als DJ, dann als Producer, eine erste EP erregt die Aufmerksamkeit von Hot Chip-Mastermind Joe Goddard, es folgen Support-Gigs für eben diese und ein Signing beim Hauslabel Greco-Roman. Ziemlich viel für einen Mittzwanziger vom Lande. Aber wohl erst der Anfang für den Tatendrang von Lauber.
Vier Jahre ließ sich der gebürtige Viersener mit Wohnsitz in Köln für dieses Debüt Zeit, einen zweiten ersten Eindruck gibt es schließlich nicht. Nun legt er ein Album auf den internationalen Plattenteller, das es in dieser Form aus Deutschland nicht oft gibt. „Roosevelt“ glänzt mit einer üppigen Flut aus Zitaten und Referenzen quer durch die Geschichte der Clubmusik: von Italo-Disco zu French House, von den 70ern in die 80er und zurück. Ein Album, wie eine Hommage an den Dancefloor: Discokugeln und Nebelschwaden überall.
Doch das Album ist weder Kostümfest noch ironische Hipster-Version der ach so schrägen Disco Days. Lauber meint alles genau so, wie es klingt. Seine Liebe zu Pop und Disco, sein Respekt vor alten Helden wie Chic, Khan oder Moroder ist aufrichtig. Das hört man. Dieses Album ist so weit von einer cleanen Trend-Produktion entfernt wie nur irgend möglich. Warmer, analoger Sound und ein beeindruckendes Gespür für kleine, fast unhörbare Details verleihen ihm die Seele, die seine Vorbilder zeitlos werden ließ. Dabei klingt Roosevelt keine Sekunde nach gestern, er schafft den Spagat zwischen damals und heute, ohne dabei ins Straucheln zu geraten.
Völlig ohne Verluste funktioniert all der Zauber auf Albumlänge jedoch nicht, an manchen Stellen zitiert Lauber eher sich selbst, wirkt der Beat schon recht vertraut. Krasse Brüche oder die unerwartete Wendung sucht man vergebens. Auf „Roosevelt“ herrscht uneingeschränkte Harmonie, alles ist aus einem Guss und exakt getimed. Das könnte tatsächlich schnell ermüden oder sich abnutzen, wäre da nicht Laubers DJ-Erfarhung, die sich hier in Form eines nahezu perfekten Spannungsbogens zeigt: „Roosevelt“ gleicht der eingedampften Essenz einer guten Clubnacht; so ergibt dann auch der extrem homogene Aufbau Sinn und passt ins Konzept.
Auch im Nachtleben ist der Floor bekanntlich nicht alles und in der glitzernden Welt von Roosevelt ist neben dem Gebot der Tanzbarkeit immer auch Raum für Melancholie in Wort und Ton. „When you left, you took your colours with you“. Selbst hemmungsloser Kitsch („Fever“) behält so seine Würde und mündet in einem schier unangreifbar großen Refrain. Respekt.
ACT DES MONATS
Marius Lauber liefert mit gerade 25 Jahren im Alleingang (Songwriting, Produktion, Instrumente) ein geschlossenes, hochkarätiges Album von internationalem Format ab. Es ist noch Luft nach oben. Aber viel fehlt nicht mehr zur Perfektion. Und für dieses Quäntchen hat er ja noch sehr, sehr lange Zeit. Einstweilen: eines der schönsten Alben des Jahres. Chapeau!
„Roosevelt“ erschien am 19.8.2016 bei City Slang.