Mit verzerrten Gitarren und reichlich Punk-Rock Energie wirft sich das Duo gegen Patriarchat und Kapitalismus.
Plopp! Den Ton zum neuen Album setzen CAVA mit einem explodierenden
Sektkorken. Schneller kann eine Band mit spanischem Schaumwein im Namen nicht
zum Punkt kommen. Auch die 14 Stücke danach verfehlen ihre krachende Wirkung
nicht. Meist gelingt das unter zwei Minuten. Ging es dem Berliner Punkrock-Duo auf
ihrem Debüt noch um Schadensbegrenzung („Damage Control“), so ist das Maß an
Zerstörung auf „Powertrip“ an jeder Stelle hörbar. Das ist auch dem satten
Studiosound zu verdanken. „Wir wollten diesmal unbedingt, dass man auch hören
kann, dass wir in einem richtigen Studio waren“, sagt Gitarristin und Sängerin Peppi.
Dennoch sollte das Album nicht allzu „durchproduziert“ klingen und vor allem der
Livecharakter erhalten bleiben. Nachdem ihnen der erste Mix etwas zu poppig
geraten war, sind CAVA daher im Laufe der Produktion zu ihrem punkigen Kern
zurückgekehrt. „Es war uns wichtig, wieder diesen drahtigen, rohen Sound
reinzubekommen“, ergänzt Mela, zweite Stimme und Schlagzeugerin der Band.
Dass der Spagat zwischen professioneller Produktion und Punkidentität gelingt, wird
schon mit der ersten Single deutlich. „Crashing“ klingt gut durchdacht und ist
dennoch pure Emotion: Von rotierenden Gitarren und treibenden Drums wird man
direkt in den Sitz gedrückt, auf Reisehöhe wiegt ein Metal-Riff kurz in Sicherheit,
bevor die nächsten Turbulenzen kommen und der Sturz in den Abgrund folgt. Am
Ende – nach dem letzten kreischenden Feedbackton – liegt alles in Trümmern: „Don’t
even look at me, don’t even talk to me“. „Crashing“ ist der wütende Abgesang auf
eine zerbrochene Beziehung, der keine Tränen nachgeweint wird. Die sind eh längst
vergossen: „No more tears / No more desire / Plane is crashing / Road is ending /
Plane is crashing / Never landing“.
Eine Heimat im glücklichen Tal der Liebe finden CAVA auch an anderer Stelle nicht.
Schonungslos beleuchten Songs wie „Burn Your House Down“ die Schattenseiten
menschlicher Beziehungen, dezidiert aus weiblicher Perspektive: „You’re better off by
yourself“ heißt es am Ende von „Losing Daylight“ ernüchtert. Resignative
Grundstimmung lassen Peppi und Mela aber nicht zu. Auch deshalb nicht, weil sie
auf der privaten Gefühlsebene nicht stehen bleiben, die gesellschaftlichen
Zusammenhänge sind mindestens ebenso wichtig. Oft ist beides – das Private und
das Politische – miteinander verwoben, die Texte lassen die Lesarten teilweise
bewusst offen. In der Aussage unmissverständlich ist „Control“, der Fokustrack zum
Albumrelease. „Now we’re in control, we want the power / And when you talk, we just
talk louder” heißt es hier.
Überhaupt sind Macht und Kontrolle die Schlüsselbegriffe des neuen Albums. „Wir
sind hier schon eine Nummer ernster unterwegs als bei ‚Damage Control‘ und
fordern diesmal auch sehr viel direkter dazu auf, die Kontrolle zu behalten und sich
die Macht zu nehmen“, sagt Mela. „Für mich“, ergänzt Peppi, „ist ,Powertrip‘ ein sehr
feministisches Album geworden.“ Das Hinterfragen gesellschaftlicher
Machtverhältnisse und Beziehungsdynamiken zieht sich als roter Faden durch die
Texte der Band. Dabei möchten sie aber nicht mehr stehen bleiben –
Schadensbegrenzung war gestern. Es geht darum, in Aktion zu treten: „Just give us
what we want” schreien die beiden in der Selbstermächtigungshymne „Control“
heraus. Und weiter: „By not making a choice, you make a choice / Go on and make a
choice, before we make a fucking choice for you.”
CAVA, die sich ihren Platz mit Support aus der musikalischen FLINTA*-Szene
Berlins erkämpft haben, sind sich dabei ihrer Vorbildfunktion bewusst. Zumal ihnen
selbst die Role Models aus dem Riot-Grrrl-Umfeld in jungen Jahren verborgen
geblieben waren. „Als ich angefangen habe, Musik zu machen“, sagt Mela, „war ich
der festen Überzeugung, dass ich keine coole Rockmusik machen kann, eben weil
ich kein Mann bin. Alle Bands, die ich früher gehört habe – britische Indiebands oder
ältere Rockbands aus den Siebzigern –, das waren alles Männer.“
Mit unterschiedlichen Formen der Diskriminierung waren und sind die Berlinerinnen
immer wieder konfrontiert. Vor Mansplaining und Mackertum schützen auch linke
Kreise und ein punkaffines Publikum nicht, wenngleich die sexistischen Sprüche oder
übergriffiges Verhalten im Moshpit nachgelassen haben, wie Peppi und Mela
betonen: „Was den Sexismusfaktor anbelangt, scheint sich in letzter Zeit einiges
getan zu haben.“ An ihr Geschlecht werden sie dennoch öfter erinnert als ihnen lieb
ist. Gerade im Umfeld von Festivals und Konzerten, wenn ihnen von der Fraktion
Licht und Ton technisches Wissen wiederholt abgesprochen wird.
Dennoch sind die meisten Erfahrungen, die sie auf Tour machen, positiv. Auf der
Bühne fühlen sich die beiden auch mehr Zuhause als anderswo. „Wir sind einfach
eine Live-Band, und deshalb versuchen wir auch so viel wie möglich aufzutreten“,
bekräftigt Peppi. Dafür sprechen die weit über 100 Auftritte, die CAVA in den DIYClubs
quer durch die Republik, bei zahlreichen Festivals oder als Support für Bands
wie Idles, Beatsteaks und Lambrini Girls hingelegt haben und die das Hauptstadt-
Duo zu einem angesagten Act in der deutschen Punkrock-Community haben werden
lassen. Die kommenden „Powertrip“-Shows im Februar und März sollte man sich also
in jedem Fall schon einmal fett im Konzertkalender 2025 anmarkern!
Text: Marc Wilde
CAVA Live:
13.12.24 – Berlin – Privatclub (Album-Releaseshow)
12.02. – Leipzig – Werk2
13.02. – Wien – Rhiz
14.02. – Graz – Music-House
15.02. – Linz – Kapu
18.02. – Kreuzlingen – Horst-Klub
19.02. – Augsburg – Vintage & Krätze
20.02. – München – Milla
21.02. – Nürnberg – MUZclub
22.02. – Schorndorf – Manufaktur
25.02. – Dresden – Ostpol
26.02. – Hannover – Faust
27.02. – Kiel – Hansa48
28.02. – Rostock – Peter-Weiss-Haus
01.03. – Hamburg – Hafenklang
05.03. – Erfurt – Tiko
06.03. – Regensburg – Alte Mälzerei
07.03. – Freiburg – Slow Club
09.03. – Frankfurt a.M. – Zoom
11.03. – Mainz – Schon Schön
12.03. – Köln – Stereo Wonderland
13.03. – Essen – Goethebunker
14.03. – Dortmund – Subrosa
15.03. – Jena – Rosenkeller