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Pulp kündigen erstes Album seit 24 Jahren an – neuer Song „Spike Island“ veröffentlicht

Pulp melden sich mit einem neuen Album zurück: Am 6. Juni 2025 erscheint mit More das erste Studioalbum der britischen Band seit über zwei Jahrzehnten. Als Vorbote wurde heute die Single Spike Island inklusive Musikvideo veröffentlicht, das von Jarvis Cocker selbst inszeniert wurde.

Nach We Love Life (2001) galt die Band lange Zeit als aufgelöst, auch wenn es zwischendurch immer wieder vereinzelte Live-Auftritte gab. Doch More ist ein klares Statement: Pulp sind nicht nur zurück, sondern sie klingen aktueller denn je, auch, weil sie sich wie immer nicht an gängige Erwartungen halten.

Drei Wochen im Studio, 24 Jahre Pause

Aufgenommen wurde das Album im November 2024 innerhalb von nur drei Wochen im Londoner Orbb Studio. Für die Produktion zeichnet James Ford verantwortlich, der unter anderem mit Arctic Monkeys, Blur und Depeche Mode gearbeitet hat. Dass die Aufnahmen so schnell abgeschlossen wurden, überrascht selbst die Band. „This is the shortest amount of time a Pulp album has ever taken to record“, erklärt Jarvis Cocker. „It was obviously ready to happen.“

Die Schnelligkeit ist jedoch kein Zeichen von Beliebigkeit, sondern von Klarheit. Pulp haben eine musikalische Idee verfolgt, die über Jahre gereift ist – und die nun wie aus einem Guss wirkt. Dabei bleibt die Band ihrem unverwechselbaren Stil treu, zwischen Pop, Glam, Drama und britischer Melancholie.

„Spike Island“: Vergangenheit trifft Zukunft

Die erste Single Spike Island gibt einen Einblick in die thematische Ausrichtung des Albums. Das begleitende Video beschäftigt sich mit der Rolle künstlicher Intelligenz und wurde mit Hilfe einer KI-Anwendung erstellt. Cocker fütterte das System mit Fotografien von Rankin & Donald aus dem Booklet des Klassikers Different Class, um visuelle Variationen zu erzeugen. Dabei tippte er Anweisungen ein wie: „The black & white figure remains still whilst the bus in the background drives off.“ Heraus kam ein Video, das zwischen Nostalgie und Science-Fiction oszilliert.

„The experience had marked me“, schreibt Cocker in einem Statement. „I don’t know whether I’ve recovered yet.“ Der Clip zeigt einen digital überarbeiteten Rückblick auf die Pop-Ästhetik der 90er, der durch die KI-Verfremdung gleichzeitig wie eine dystopische Zukunftsvision wirkt.

Gäste auf dem Album: Richard Hawley, die Eno-Familie und das Elysian Collective

Musikalisch erhält die Band prominente Unterstützung. Richard Hawley und Jason Buckle steuern jeweils eine Songkomposition bei, die Eno-Familie singt Backing Vocals auf einem Stück. Für die Streicher-Arrangements war Bassist Richard Jones verantwortlich, die Einspielung übernahm das Elysian Collective, ein renommiertes Londoner Ensemble für Neue Musik.

Dass Pulp nach so langer Zeit wieder ins Studio gehen, ist nicht nur ein nostalgischer Akt. More will keine Fortsetzung früherer Erfolge sein, sondern eine eigene Erzählung eröffnen. Der Albumtitel selbst ist dabei vieldeutig: mehr Musik, mehr Fragen, mehr Ungewissheit oder schlicht ein ironischer Kommentar auf die Erwartungshaltung an ein Comeback dieser Größenordnung.

Rückkehr einer Band, die nie wirklich weg war

Pulp gehörten neben Blur, Oasis und Suede zu den prägenden Acts der Britpop-Ära der 90er. Im Gegensatz zu vielen ihrer Zeitgenossen wirkte ihr Werk jedoch nie rein retrospektiv oder modisch, sondern oft wie ein Kommentar zur Gegenwart in Popform. Jarvis Cocker schrieb Songs über soziale Klassen, Sexualität, Voyeurismus und Alltagsbanalitäten, immer mit einem scharfen Blick und der Fähigkeit, große Dramen aus kleinen Szenen zu formen.

Dass die Band nun mit einem neuen Album zurückkehrt, wirkt fast wie eine logische Konsequenz in einer Zeit, in der britische Popkultur erneut auf der Suche nach sich selbst ist. Pulp bieten keine einfache Lösung, aber einen Soundtrack zum Denken und Tanzen.

More erscheint am 6. Juni 2025 bei Rough Trade. Die Tracklist wurde noch nicht bekanntgegeben. Ein vollständiges Tourprogramm steht ebenfalls aus, es wird jedoch erwartet, dass die Band im Sommer auf mehreren Festivals zu sehen sein wird.

Pulp Biografie

Pulp zählen zu den eigenwilligsten und langlebigsten Erscheinungen des britischen Pop. Entstanden in der Post-Punk-Ära, groß geworden mit dem Britpop der 1990er, entwickelte die Band über mehrere Jahrzehnte hinweg einen ganz eigenen Stil zwischen Glamour, Gesellschaftsanalyse und ironischer Distanz. Im Mittelpunkt: Sänger und Songwriter Jarvis Cocker, der mit seinem scharfen Blick auf die britische Klassengesellschaft, seine Theatralik und sein erzählerisches Talent zur Kultfigur wurde.

Frühe Jahre: Sheffield und der lange Anlauf

Die Geschichte von Pulp beginnt 1978 in Sheffield, einer industriell geprägten Stadt im Norden Englands. Der damals 15-jährige Jarvis Cocker gründet die Band unter dem Namen Arabacus Pulp gemeinsam mit Schulfreunden. Inspiriert von John Peel, der in seiner BBC-Radioshow Demos junger Bands spielte, schickt Cocker eine Kassette an den legendären DJ. Peel lädt Pulp 1981 zu einer Session ein, obwohl die Band zu diesem Zeitpunkt kaum Live-Erfahrung hat.

In den ersten Jahren wechselt die Besetzung häufig, der Sound ist noch unausgereift. Zwischen 1983 und 1987 erscheinen zwei Alben, It und Freaks, die wenig Beachtung finden. Musikalisch bewegt sich die Band zwischen Art-Pop, Folk und düsteren New-Wave-Elementen. Der Durchbruch lässt auf sich warten, und Pulp droht, im Schatten anderer Acts unterzugehen. Mitte der 1980er zieht sich Jarvis Cocker zeitweise aus der Musik zurück und studiert Film an der renommierten St. Martin’s School of Art in London. Ein Bruch, der sich später als prägend für die visuelle und narrative Sprache von Pulp erweisen wird.

Durchbruch in den 1990ern: His ’n’ Hers und Different Class

Mit dem Album Separations (1992) und insbesondere der Single My Legendary Girlfriend vollzieht die Band eine stilistische Wende. Elektronische Elemente und Disco-Anleihen mischen sich mit erzählerischem Indie-Pop, Cocker entwickelt eine markante Bühnenpräsenz. Der Song Babies, der ursprünglich als B-Seite gedacht war, wird zu einem Underground-Hit und markiert den Beginn der erfolgreichsten Phase der Band.

1994 erscheint His ’n’ Hers bei Island Records. Das Album bringt Pulp erstmals in die britischen Charts. Die Texte erzählen von heimlichen Affären, kleinstädtischer Langeweile und dem erotischen Potenzial der Banalität. Cocker wird zunehmend zum Sprachrohr einer Generation, die sich nicht mit dem Machismo der damaligen Popkultur identifizieren kann.

Ein Jahr später veröffentlicht Pulp ihr Meisterwerk: Different Class (1995). Mit Songs wie Common People, Disco 2000 und Sorted for E’s & Wizz trifft das Album den Nerv der Zeit. Während andere Britpop-Bands wie Oasis auf Stadionrock und Working-Class-Pathos setzen, erzählt Cocker von der Perspektive des Beobachters, intelligent, sarkastisch und oft entlarvend. Common People avanciert zur Hymne des Britpop, jedoch ohne dessen Glamour zu feiern. Der Song handelt von sozialer Ungleichheit und dem romantisierenden Blick der Oberschicht auf das Leben der Arbeiterklasse. Die Kombination aus politischen Untertönen und eingängigen Hooks wird zum Markenzeichen der Band.

Different Class gewinnt 1996 den Mercury Prize und macht Pulp endgültig zu einem der zentralen Akteure der britischen Musiklandschaft. In dieser Phase ist die Bandbesetzung stabil. Neben Jarvis Cocker gehören Candida Doyle (Keyboards), Nick Banks (Schlagzeug), Steve Mackey (Bass), Mark Webber (Gitarre) und Russell Senior (Violine, Gitarre) zur Kernformation.

Der dunkle Nachhall: This Is Hardcore

Mit dem Ruhm kommt die Erschöpfung. Das 1998 veröffentlichte Album This Is Hardcore markiert eine deutliche stilistische und inhaltliche Wendung. Der Sound wird düsterer, die Texte beschäftigen sich mit Desillusionierung, Altern und dem Ende jugendlicher Träume. Der gleichnamige Titelsong, begleitet von einem ikonischen Video, dekonstruiert den Glanz des Pop und zeigt dessen Schattenseiten. Das Album erhält gute Kritiken, bleibt kommerziell aber hinter Different Class zurück.

Jarvis Cocker positioniert sich in dieser Zeit zunehmend als kritischer Kommentator des Popbetriebs. Ein Image, das durch seinen berüchtigten Auftritt bei den BRIT Awards 1996 unterstrichen wird, als er während Michael Jacksons Performance auf die Bühne stürmt, um gegen dessen messianische Inszenierung zu protestieren.

We Love Life und die Auflösung

2001 erscheint We Love Life, produziert von Scott Walker, einem erklärten Idol Cockers. Das Album ist in seiner Grundstimmung versöhnlicher, richtet den Blick auf Natur, Gemeinschaft und die Suche nach Bedeutung jenseits von Ruhm und Exzess. Songs wie The Trees oder Sunrise zeigen eine gereifte Band, deren Ambitionen über Britpop hinausreichen.

Kurz nach der Veröffentlichung legt die Band eine Pause ein, die später zur inoffiziellen Auflösung wird. Cocker widmet sich Soloprojekten, unter anderem unter dem Namen Jarv Is…, arbeitet als Radiomoderator bei der BBC und engagiert sich kulturell und politisch. Steve Mackey wird ein gefragter Produzent, unter anderem für M.I.A. und Florence + The Machine. Mark Webber kuratiert Filmprogramme, Candida Doyle bleibt als Keyboarderin aktiv.

Reunion, Live-Auftritte und das Comeback-Album More

2011 folgt eine erste Reunion für ausgewählte Festivalauftritte, unter anderem beim Primavera in Barcelona und beim Glastonbury Festival. Pulp spielen ohne neue Songs, doch die Begeisterung beim Publikum zeigt, wie groß die Strahlkraft der Band geblieben ist. 2023 dann die erneute Rückkehr, diesmal mit dem Versprechen neuer Musik. Im März 2023 verstibt der ehemalige Bassist Steve Mackey im Alter von 56 Jahren.

Bedeutung und Einfluss

Pulp haben sich nie als klassische Rockband verstanden. Ihr Werk ist vielmehr eine fortlaufende Auseinandersetzung mit der britischen Gesellschaft, mit Popkultur und ihren Inszenierungen. Jarvis Cockers Texte sind literarisch geprägt, häufig ironisch gebrochen, dabei aber immer nah an echten Emotionen. Musikalisch verband die Band Einflüsse aus Glam, Disco, New Wave und elektronischem Pop zu einem eigenen Sound, der nie stehen blieb.

Während viele Britpop-Bands nach ihrem Höhepunkt in den 1990er Jahren verblassten, blieb Pulp als Referenz für nachfolgende Generationen relevant. Bands wie Arctic Monkeys, The 1975 oder Sleaford Mods führen Aspekte dieses Erbes weiter. Pulp steht nicht für Nostalgie, sondern für die Möglichkeit, Pop als intellektuelle wie körperliche Erfahrung zu begreifen.


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