Zum Inhalt springen

Musikvideo drehen: So produzierst du dein eigenes Video mit dem Smartphone

Ein Musikvideo-Produzent erklärt, wie du ein professionelles Video nur mit einem Smartphone selbst produzieren kannst.

Euer Song ist fertig gemastert und ihr möchtet ihn am liebsten direkt hochladen? Ohne ein passendes Musikvideo dazu ist es nicht empfehlenswert, da es nach wie vor das wichtigste Marketing-Werkzeug ist, um die Musik und euch als Künstler bekannt zu machen. So drehst du dein eigenes Musikvideo mit einem Smartphone.

Musikvideo mit Smartphone Kamera drehen

Die Videoqualität heutiger Smartphone Kameras ist mittlerweile auf einem sehr hohen Niveau verglichen mit Geräten von vor 10 Jahren. Sogar 4k Auflösung bzw. Ultra HD mit 3840×2160 Bildpunkten sind möglich. Gerade diese Bildgröße macht die handlichen Alltagsbegleiter zu brauchbaren Filmkameras. Doch für eine gute Musikvideoproduktion benötigt man weit mehr als nur einen Song und eine Kamera. Dazu gehört, genau wie in der Filmproduktion folgendes:

1. Das Konzept/Ideensammeln

Jedes Projekt sollte gut geplant werden. Welche Story möchte ich erzählen und wie? Wo und mit wem soll gedreht werden? Diese Fragen sind wichtig um einen Überblick zu haben, was genau für später gebraucht wird. Oftmals ist es hilfreich erneut euren Song anzuhören und sich vorzustellen, welche Emotionen vermittelt werden und wie man diese visuell am besten darstellen kann. Ein eher trauriger Song macht beispielsweise mit sommerlichen Szenen an einem Blumenfeld weniger Sinn.

Auch eine Story bzw. Handlung kann man oftmals mit einbauen und so zwischen Performance (Künstler steht aktiv vor der Kamera und performt den Song) und Story bzw. Zwischenszenen für Abwechslung sorgen, was sehr wichtig ist um den Zuschauer bei der Stange zu halten.

2. Die Kameraausrüstung

Gehen wir von einem aktuellen Smartphone wie das iPhone aus, erhält man schon eine sehr gute Basis. Auch Apple wirbt mittlerweile mit von Künstlern erstellten Videos auf YouTube unter „Shot by iPhone“. Viele Musiker sind wahrscheinlich nach Ihrer ersten Aufnahme verwundert, wieso es bei Ihnen selbst nicht genauso ausseht, zumal ihr ja dasselbe iPhone habt.

Die Fantastischen Vier (Foto: Mumpi / Monsterpics)
Act des Monats: Die Fantastischen Vier

 

Einfach Handy an und drauf los filmen reicht dann leider doch nicht aus. Diese hochwertig aussehenden iPhone clips auf YouTube sind zwar echt, wurden jedoch mit spezieller App Erweiterung und professioneller Nachbearbeitung produziert und so bestmöglich aufgewertet. Vergleichbar mit einem guten Neumann Mikrofon, welches Roh und umgemischt auch noch nicht groß klingt.

Genau wie in der Musikproduktion ist die anschließende Bearbeitung für ein gutes Ergebnis extrem wichtig. Um euer iPhone in eine Filmkamera zu verwandeln ist die Nutzung der App „Filmic Pro“ unerlässlich.

Mit diesem Zusatzprogramm könnt ihr wie bei einer großen Kamera die Belichtung sowie den Fokus einstellen und fixieren, damit während der Aufnahme das Bild nicht automatisch dunkler oder heller wird. Allein dieser Aspekt lässt euer Smartphone schon professionell wirken. 

Damit euer Bild während den Aufnahmen nicht allzu stark wackelt, empfiehlt sich außerdem die Verwendung eines Gimbals. Diese sind ebenfalls für Smartphones in kleinerer Form erhältlich und fungieren als Aufhängung, um die Schritte und Bewegungen, die ihr während des Drehs macht „abzufedern“. Einfach euer Smartphone eingesteckt, erhält man so ein nahezu wackelfreies Bild, welches auf Anhieb professioneller aussieht.

3. Das Licht

Die handliche Größe der Smartphones bringt auch Nachteile mit sich, wenn es um das Licht beim aufnehmen geht. Aufgrund des kleinen Kamerasensors wird weniger Licht aufgenommen als bei größeren Kameras.

Mit der Filmic pro app könnt ihr dem so gut wie möglich entgegensteuern, jedoch wird es immer physikalische Einschränkungen aufgrund der kleinen Linse geben. Deshalb empfehle ich immer so gut es geht bei Tageslicht zu drehen. Dort könnt ihr die handliche Größe wiederum zu eurem Vorteil machen.

Habt ihr beispielsweise durch Zufall einen coolen Spot zum drehen gefunden, seid ihr schneller in der Lage Startbereit zu sein und einfach drauf los zu filmen. Bei einem Videodreh mit dem iPhone auf Palma de Mallorca sind die Lichtverhältnisse tagsüber zum Vergleich so natürlich und gut, dass das Bildmaterial am Ende hochwertig sieht und Laien kaum unterscheiden können, mit welcher Kamera gedreht worden ist.

Schlecht beleuchtete Szenen dürft ihr auf keinen fall mit „wird schon in der Nachbearbeitung verbessert“ rechtfertigen. Um auf den Musikvergleich zurückzukommen, eine schlechte Performance des Künstlers vor dem Mikrofon kann selbst der beste Toningenieur später nicht in eine professionelle Aufnahme verwandeln.

Gut zu wissen: In Hollywood werden oft Tagesszenen in Nachtszenen umgewandelt, damit man später in der Bearbeitung nur dort abgedunkelt wo es nötig ist und dennoch eine saubere Szene hat. Dem Zuschauer wird also gekonnt vorgegaukelt, dass sich die Szene gerade nachts abspielt, sie jedoch unter perfekten Tageslicht Bedingungen gedreht worden ist.

Der typische Anfängerfehler ist also abends mit schlechten Lichtverhältnissen zu drehen und später bei der Bearbeitung zu scheitern. Es ist also nahezu alles möglich mit heutigen Effekten.

Mit diesen Tipps seid ihr schon sehr gut aufgestellt. Nach den Aufnahmen geht es jedoch an den genauso wichtigen Teil:

4. Die Nachbearbeitung/Postproduktion

Nachdem alle Aufnahmen im Kasten sind, geht es an die Bearbeitung. Habt ihr bei der Konzeption gute Vorarbeit geleistet, fällt euch der Schnitt später deutlich leichter weil ihr verschiedene Locations und Abwechslungen rein bringen könnt. Falls ihr einen halbwegs guten Laptop/PC besitzt und noch keine Schnittsoftware habt, empfehle ich die kostenlose Schnittsoftware Davinci Resolve für PC und MAC, mit der ihr ein umfangreiches Programm für die komplette Videobearbeitung erhält.

Wem das zu komplex ist, kann auf Mac Basis mit der vorinstallierten Version von Imovie arbeiten. Hier gibt es jedoch deutliche Einschränkungen insbesondere was die Farbkorrektur angeht, wo wir auch schon beim Color Grading wären.

Unterschied zwischen Farbkorrektur und Color Grading: Bei der Farbkorrektur werden lediglich Farben, Kontrast, Rauschen etc. korrigiert. Wenn euer Bild beispielsweise eher grünlich geworden ist, lässt sich das mit ein paar Handgriffen nachjustieren. Beim Color Grading wird der komplette Look des Films erzeugt. Ist also eher Künstlerisch angelehnt und sorgt erst für den Profi Film Look. Dies ist auch der Grund, warum die iphone Clips auf Youtube so professionell aussehen.

Zu guter Letzt noch ein Gutes Vorher-Nachher-Video, das zeigt, wie wichtig ein sauberes Color Grading ist und welche Emotionen mit bestimmten Farben hervorgehoben werden können. Dafür braucht man Heutzutage nicht mehr das meiste Geld auszugeben, sondern ist es eher die Zeit die man investieren muss, damit man auf solch ein Level kommt. Dadurch lassen sich dann auch Handyaufnahmen auf ein neues Level bringen.

Wem das ganze dann zu umfangreich ist, sollte spätestens jetzt in Erwägung ziehen, sein Material zu einem Coloristen zu schicken, um es am Ende so hochwertig wie möglich aussehen zu lassen. Auch das ist vergleichbar mit Musik: man kann zwar inzwischen problemlos ein Album am heimischen Rechner produzieren, doch bevor es veröffentlicht wird, muss es noch gemastered werden. Und das können spezialisierte Profis am besten.

Keyhan Skornia ist Videoproduzent und betreibt in Köln die Keyhansound Studios für professionelle Film- und Videoproduktion.