Maxence Cyrin, ein Pianist von unaufdringlicher, doch bestechender Tiefe, legt mit „Passenger“ ein Werk vor, das in seiner Intimität und emotionalen Klarheit die Grenzen zwischen musikalischer Technik am Klavier und gefühlvoller Hingabe nahezu auflöst. Seine über eine Million monatlichen Hörer auf Spotify haben sehnsüchtig darauf gewartet.
Maxence Cyrins neuntes Album entführt in einen klanglichen Kosmos, in dem Minimalismus und Opulenz einander nicht ausschließen, sondern wie zwei Seiten derselben Medaille zusammenfließen. Nach zwanzig Jahren im Dienst des Klavierspiels präsentiert Cyrin ein Album, das reift und zugleich spontan wirkt, meisterlich und gleichzeitig im Augenblick verwurzelt.
Seine kompositorische Handschrift zeigt sich in seiner unverkennbaren Melodik und einem subtilen Gespür für Dynamik, das an Einflüsse wie Ryuichi Sakamoto, Brian Eno und die sanfte Zärtlichkeit Erik Saties erinnert. „Passenger“ entfaltet in seinen elf Stücken eine narrative Kraft, die weniger auf plakative Themen als auf fein verwobene Stimmungen setzt.
Besonders Stücke wie „Ocean“ und „Slow Train“ nehmen uns mit auf eine Reise voller Sehnsucht und Entrückung, als lausche man der Wellenbewegung in Zeitlupe oder der Melodie eines verlassenen Bahnhofs. Diese Kompositionen, entstanden in Augenblicken des Eskapismus, sind zugleich Spiegelbilder einer inneren Suche. Cyrin, der seine Inspiration in der Ferne sucht, findet letztlich sich selbst in diesen Tönen – ein Kontrapunkt zur heimatlichen Ruhe Montmartres, aus der er immer wieder aufbricht.
Doch nicht nur Eskapismus durchzieht „Passenger“. Das Album wagt einen Blick nach innen, in Form von introspektiven Stücken wie „Rêve“ und „Mirrors“. Hier wirkt das Klavier wie ein Medium der Selbstbetrachtung, eine Einladung an den Hörer, in diesen Momenten der Stille und Reflexion innezuhalten. Mit „Under A Glass Bell“ und „Dive“ bietet Cyrin improvisierte Momente an, die in ihrer rohen Unmittelbarkeit die Atmosphäre seiner Aufnahmen in der französischen Bretagne widerspiegeln. Der Pianist lässt hier der Musik den Vorrang vor konventionellen Kompositionsstrukturen und verleiht den Stücken damit eine Ursprünglichkeit, die an die zufälligen Schönheiten des Lebens erinnert.
Besonders hervorzuheben ist Cyrins Mut zur Melancholie – „Daedalus“ und „Hermione“ sind Bekenntnisse zur Zerbrechlichkeit und zur Trauer über das Verlorene. Diese melancholischen Passagen, fern von sentimentalen Exzessen, wirken auf den Hörer als Erinnerungen an längst verflossene Tage, die in der Musik Cyrins jedoch nie ganz verblassen. Der Titeltrack „Passenger“ schließlich symbolisiert das Album als Reiseerzählung, auf der sich das Leben in all seinen Nuancen entfaltet – eine Erfahrung, die weniger Ziel als Prozess ist, ein Nachdenken über das Menschsein.
Maxence Cyrin ist in der Neoklassik-Szene längst eine prägende Figur; sein Werk „Where Is My Mind?“, eine feinfühlige Neuinterpretation des Pixies-Klassikers, berührte Millionen und etablierte ihn international. Seitdem hat er mit seinen Alben, die bei Warner Classics erschienen sind, die Möglichkeiten des modernen Klavierspiels weiter ausgelotet und dabei immer wieder die Balance zwischen Tradition und Innovation gesucht. Seine hohe Affinität für Streicherarrangements und Synthesizer-Einsätze, die dezent in seine Stücke eingeflochten werden, verleiht seinem Klang eine prägnante Individualität.
Die Popularität des Künstlers ist ungebrochen, seine Spotify-Hörerzahlen und Synchronisationen in bekannten TV-Serien und Werbespots belegen seinen festen Platz in der Musikwelt. Cyrins Konzerte, wie zuletzt im ausverkauften Café de la Danse in Paris, sprechen von der unvermittelten Nähe, die seine Musik schafft – eine Qualität, die auch „Passenger“ durchdringt. Hier haben wir ein außergewöhnliches Album, das nicht nur gehört, sondern in all seinen feinen und liebevollen Nuancen erlebt werden will.