ACT DER WOCHE – Little Simz ist mehr als nur eine outspoken MC und UK Rap Ikone. Auf ihrem neuen Album gibt sie sich als wortgewaltige „Introvert“ zu erkennen.
Zurecht hat Grime King Stormzy seine Kollegin Simbiatu Ajikawo aka Little Simz als ‚Legende‘ erkoren. Die kleine Simz, die auf andere oft scheu und zurückhaltend wirkte, ist zu einer Rapperin herangewachsen, die genau weiß was sie will und kein Blatt mehr vor den Mund nimmt. In ihrem Leben gibt es kein ‘You can’t do this, no, you, can’t do that’- Negativtalk mehr, ein Dauerzustand in dem sie aufwuchs. Sie hatte nie das Bedürfnis die lauteste Person im Raum zu sein, weiß aber inzwischen sehr wohl, dass ihre Stimme Gewicht hat.
Seit ihrem 2019 mit dem Mercury Prize nominierten dritten Album „Grey Area“ hat die britische Künstlerin einen gewaltigen Entwicklungssprung gemacht. Das Ergebnis, ein nicht weniger legendäres Album „Sometimes I might be Introvert“, das erstaunlich extrovertiert geworden ist.
Ihr persönlicher Stil war schon immer eigen, ihre Texte tiefgründig und so soll es für die Britin mit nigerianischen Roots auch bleiben. Anders als viele ihrer Kolleginnen ist Little Simz in den sozialen Netzwerken eher zurückhaltend. „Ich wollte die Leute einfach wissen lassen, dass ich tatsächlich so veranlagt bin.“ Und so entstand für sie das Thema des neuen Albums, eine Ausgrabung der Dinge, die sie am liebsten vergessen würde.
Little Simz thematisiert düstere vergangene Zeiten und soziale Ungerechtigkeiten, rappt über Angstzustände, Erschöpfung und Frust, aber auch über ihr politisches Erwachen. In ihrem Storytelling stellt sie klar wie wichtig der Glaube an sich selbst ist, das Weitermachen, die Hoffnung und wie zerstörerisch Selbstzweifel sein können. „Sei dein eigener bester Freund, und nicht dein Feind!“
Mit Pauken und Trompeten eröffnet sie ihr Album, eine spektakuläre Orchester-Inszenierung mit Chor-Fanfare, die an den Vorspann eines Marvel Films erinnert mit einer Bildsprache die auch an Musicals anlehnt. Mit einer Naturgewalt kreieren ihre Lyrics lebhafte Bilder über ein Leben im Fadenkreuz der Gesellschaft.
Nicht nur ihre eigene Vergangenheit wird thematisiert, nein, die eindringlichen und fesselnden Stories strömen die Themse herunter bis nach Südafrika. Eine schlagfertige und kompromisslose Antwort auch auf aktuelle Geschehnisse.
Wiederkehrende Themen sind Rassismus, schwarze britische Identität und Black-Lives-Matter, begleitet von einem bombastischen, diasporischen Musikstil aus verschiedenen Klängen, Geografien und Epochen. Und wie in einer Konversation kreiert sie so einen neuen Kontext mit spannenden Dialogen.
Ihre Fans verzaubert die wortgewaltige Künstlerin mit einem Genre-übergreifenden Style, der sich irgendwo zwischen Hip-Hop und Electro bewegt, aber sich nicht auf ein Genre beschränken will. Wie Little Sims selbst von sich behauptet, ist ihr Genre der experimentelle Rap, was ihr viele Freiheiten zum Ausprobieren lässt.
Im vorletzten Album Track stellt sie sich die Frage ‚How did you get here‘ – Little Simz rappt offen und ehrlich darüber, dass sie früher nie einen Groschen in der Tasche hatte. „My brain and my hunger“ waren alles was ich hatte, war das was mich vorantrieb.
In jedem ihrer Tracks stecken ihre tiefsten Wünsche, Sehnsüchte, ihr eigener Lebensplan, sich das zu nehmen was sie liebt, was sie will und was sie braucht. Somit ist Little Simz nicht nur eine spannende junge Künstlerin, die ihren Weg trotz aller Hürden gegangen ist, sondern vor allem auch eine Inspiration und Wegbereiterin für die nächste Generation junger Frauen.
Als Inspirationsquelle dienten der heute 27-Jährigen die frühen 1990er und 2000er Hip-Hop-Jahre mit bahnbrechenden Werke von Tupac Shakur, Biggie Smalls, Jay-Z und von der Ikone Lauryn Hill, die sie 2016 und 2017 auf ihrer Tour begleitete.
Es ist keineswegs überraschend, dass sich unter den sage und schreibe 19 Album-Tracks auch Motown-Samples einschleichen. Die Genrepalette reicht von Hip-Hop, Rap, Jazz, Funk und Soul zu melodramatischen klassischen Musical Stilformen, was teilweise einen surrealen Effekt erzielt, aber dennoch passt.
Bei der Produktion des Albums hat sie sich besonders mit zeitloser Musik beschäftigt, mit den Klassikern von Nina Simone und Etta James. Laut Lima, ging es ihr nicht darum, deren Sound nachzuahmen, sondern deren Struktur zu verstehen. Ihr Album ist vielseitig. Aus dem zeitgenössischen gritty London taucht man in die Soul Ära ein – um kurz darauf epische und galaktische Abenteuer zu erleben, in dem die Protagonistin sich ihren Ängsten stellt.
Mit einer Wucht spiegelt auch die Bildsprache des starken Musikvideo zu ‚Introvert’ Little Sims Innenleben und ihre Lyrics wider. The blood of a young Massaia, Cynicism in Church. Die Mitte, so erklärt Simz immer wieder, wird keinen Bestand haben („Man it´s like they can´t sleep until our spirit is crushed“).