Aus frauenrechtlicher Sicht ist es absolut begrüßenswert, dass es mit Julia Engelmann jetzt auch eine neue Deutschpoetin gibt, die ihren unzähligen männlichen Kollegen ein paar Tantiemen wegnimmt. Das ist aber leider auch das einzig Gute an Engelmanns Entschluss, Musik zu machen.
Die von männlichen Schwiegermütterträumen dominierte Deutschpopszene darf jetzt eine Frau in ihren Reihen willkommen heißen, die den mit der Gesamtsituation rundum zufriedenen, verträumt dreinblickenden Phrasendreschern in nichts nachsteht: Julia Engelmann. Die Frau, deren Text „Eines Tages, Baby“ 2014 viral ging, ist auch dank ihrer Tätigkeit als Poetry Slammerin prädestiniert dafür, demnächst auf sämtlichen „Neue Deutschpoeten“-Samplern die männliche Phalanx der Giesingerbendzkopoiselforsterbrandensteiners mit einem X-Chromosom mehr aufzulockern.
Julia Engelmann ermutigt den Hörer, den Kopf nicht hängenzulassen, den Traum zu leben, eine Nacht darüberzutanzen – man muss nur fest daran glauben, dann wird alles wieder gut. Die lyrische Nichtigkeit ihrer Texte ist schade, denn ihre tiefe, ruhige Stimme hätte eigentlich das Potenzial, die wahren Probleme der Generation Y glaubhaft zu übermitteln. Mit sämtlichen Wandtattoos und Lebensratgebertiteln in ihren Texten macht sie sich aber zu einer einfachen Zielscheibe für alle, die in der gefühlsduseligen Profillosigkeit des deutschen Mainstreampops eine reine Verkaufsstrategie sehen.
Julia Engelmann – Grüner wird’s nicht
Tracklist:
1. Grüner wird’s nicht
2. Das Lied
3. Stille Poeten
4. Kein Modelmädchen
5. Sowas wie Magie
6. An den Tag
7. Lass mal ne Nacht drüber tanzen
8. Ich kann alleine sein
9. Bestandsaufnahme
10. Keine Ahnung, ob das Liebe ist
11. Cliffhanger
12. Jetzt
13. Kleiner Walzer
14. Grapefruit
„Poesiealbum“ von Julia Engelmann erschien am 3. November 2017 via Polydor (Universal).