Jules Ahoi nimmt uns mit auf eine Reise. Aber dieses Mal geht es nicht ans Meer. Im Februar 2023 wohnte der Singer-/Songwriter und Grafiker im Rahmen einer Künstlerresidenz im Weltkulturerbe Bauhaus Dessau.
Für einen Monat lebt und kreierte er allein im alten Meisterhaus des Malers, Typografen und Bühnenbildners Lázló Moholy-Nagy. Das Haus ist eines von vier Professoren-Häusern, die auf dem Gelände der heutigen Stiftung nebeneinander stehen. Mit der ersten Single “Old Master’s House” (VÖ: 7. Juni 2024 via Embassy of Music) vom kommenden Album “MAGNOLIA (The Bauhaus Tapes)” öffnet uns der 34-Jährige die Tür zu seinem Inneren und gewährt einen ersten Einblick in sein neues künstlerisches Kapitel.
Die Texte für das neue Album schreibt Jules in seiner Zeit in Dessau ausschließlich auf einer alten Schreibmaschine. Diese findet er auf einem Sperrmüllhaufen, als er unterwegs zum Bauhaus in einem kleinen Ort in Brandenburg einen Zwischenstopp mit seinem Van einlegt. Am Ende der Residenz steht so nicht nur der Anfang für sein neues Album “MAGNOLIA (The Bauhaus Tapes)”, sondern auch eine interdisziplinäre Ausstellung, in der er neben seiner Musik, auch die gesammelten Fragmente und Fehlversuche präsentiert, die letztlich erst zu einem fertigen Werk führen. Dieses Zusammenspiel verschiedener kreativer Ausdrucksformen bildet das Genre, das “MAGNOLIA (The Bauhaus Tapes)” vielleicht am Besten beschreibt – Artfolk.
Jules Ahoi öffnet die Tür zum „Old Master’s House“ – und seiner Gefühls- und Gedankenwelt
“Ich habe in dem Song die sehr subjektiven Eindrücke und Erlebnisse, die ich in diesem Haus hatte niedergeschrieben”, erzählt der Wahlkölner über den Entstehungsprozess von “Old Master’s House”. “Eigentlich muss man mal dort gewesen sein, um die Schattenspiele zu sehen. Die Kiefern, die vor den großen Fenstern stehen, werfen wahnsinnige Schatten im ganzen Gebäude. Dadurch ist das Innenleben des Hauses in ständigem Wandel. Die Häuser sind gleichzeitig auch Museen und die Besucher:innen, die sich das Bauhaus anschauen, spazieren oft durch die Gärten der Meisterhäuser. Das heißt, es schaut ständig jemand durchs Fenster und sagt: ‘Ah, guck mal, da sitzt einer und macht was.’ Man hört ein konstantes Tuscheln um dieses Haus herum – und das in Verbindung mit den Vögeln in den Bäumen und wie der Wind durch die Pinien geht… Man ist Teil des Ganzen und Eindringling gleichermaßen – beinahe wie ein Ausstellungsgegenstand.”
i see pine trees shaking
what's at stake when
a storm is howling
around an old master's house
i see colours fading
people gazing
quitely talking
about this old master's house
in an empty town
Inspiriert von Fernweh und Sehnsucht, einem verblassenden Sommer und den Zeichen der Zeit, die sich in allem zeigen, setzt sich der Track mit Raum und Leere auseinander, und damit, wie die Vergangenheit nachwirkt und Einfluss auf das Jetzt nimmt. “Old Master’s House” ist ein melancholischer Altpop-Song, der einen in den Arm nimmt und beruhigend hin und her wiegt, während er die Geschichte dieses temporären Zuhauses erzählt, das die Natur hineinlässt, statt sie auszusperren. Das Meisterhaus hinterließ einen nachhaltigen Eindruck auf Jules – und es wird philosophisch: “Ich habe dort darüber nachgedacht: Was bleibt eigentlich, wenn die Menschen, die diese Monumente erbauen, nicht mehr existieren? All die Dinge, die überall herum stehen – Denkmäler, Bauwerke… Am Ende zählt doch nur, wie viel Zwischenmenschlichkeit und Liebe du in die Welt gebracht hast – dafür braucht es keinen Beton.”
we'll tear down their statues
'cause love is our monument
Spätestens wenn die leicht verzerrten Klänge eines Kinderklaviers einsetzen, – das Jules, wie auch die Schreibmaschine, vor seinem Aufenthalt im Bauhaus zufällig gefunden hat – holt mindestens jeden, der ein solches als Kind mal spielen durfte, die schmerzhaft-schöne Nostalgie dieses Tracks ab. Untermalt wird die Stimmung von den tiefen Klängen des Cellos und den sanften Percussions, die den wiegenden Rhythmus von “Old Master’s House” vorgeben. Die reduzierte und mit Absicht “unperfekte” Instrumentierung geht mit den Stimmen von Jules und Cellistin Muriel Bonn eine Verbindung ein, die man wieder und wieder hören möchte.
Diese erste Single vom kommenden Album “MAGNOLIA (The Bauhaus Tapes)”, mit dem Jules Ahoi im Herbst 2024 in neuer Band-Formation durch ganz Deutschland auf Tour geht, ist somit der Auftakt zu einer neuen Phase der Introspektion und Selbstfindung für den Künstler und lässt die experimentelle und multidisziplinäre Dimension seines mittlerweile bereits sechsten Albums erahnen.
ÜBER JULES AHOI
Neue Wege hat Jules Ahoi aka Julian Braun noch nie gescheut. Er ist ein Suchender und gibt sich ungern mit dem Status Quo zufrieden, wie er DIFFUS im Video-Portrait verriet. Aber im Jahr 2024 findet der 34-jährige Musiker zurück zu seinen kreativen DIY-Wurzeln und zu einem neuen künstlerischen Selbstbewusstsein. Als wir mit ihm sprechen, bereitet er sich gerade nicht nur auf die Veröffentlichung seiner neuen Singles sowie des kommenden Albums “MAGNOLIA (The Bauhaus Tapes)” und die gleichnamige Tour im Herbst vor, sondern auch auf sein Druckgrafik-Examen und sein angehendes Grafikdesign-Studium.
Wie zu Beginn seiner Musikkarriere, mit der damaligen Band Manua Loa (übersetzt: “etwas großes Handgemachtes”), ist bei diesem Album wieder alles aus einem Guss und komplett selbstgemacht. Seitdem probierte er so ziemlich alles aus, was bei der Herangehensweise an die Musikproduktion möglich ist: “Mit anderen Künstler:innen produzieren und schreiben, in großen Studios, die Gestaltung auch mal weggeben“, erzählt der Wahlkölner. “Die Entwicklung der letzten Jahre ging eher Richtung: größer, besser, produzierter, polierter – ich hab mich irgendwie verloren gefühlt. Es ist schon irre, wenn du Songs raus bringst, die du eigentlich ohne einen Haufen Technik und Backingtracks nicht mehr einfach so spielen kannst. Letztendlich habe ich aber gemerkt, dass es das gar nicht unbedingt braucht und ich alle Bestandteile eines Albums eigentlich auch sehr gerne selber mache, auch wenn es dann vielleicht drei Mal so lange dauert. Aber dadurch sind die Alben dann auch viel intimere und persönlichere Projekte.”
Seine verschiedenen musikalischen Stationen sieht Jules Ahoi wie Zeitkapseln: “Meine Alben sind auch immer ein Lebensabschnitt. Ich mache das in erster Linie für mich als eine Art Tagebuch – aber vielleicht ist das auch irgendwann mal schön für meine Kinder – die können sich dann die Platten aus dem Regal ziehen und sagen: ‘Das sind zwei Jahre des Lebens meines Vaters.’ Das wär doch toll oder?”
So heißt es nun ganz bewusst: Zurück zu den Wurzeln – und zugleich beginnt damit ein ganz neues Kapitel für den Musiker und Künstler, den vielleicht einige noch als “Surf-Musiker” und „Van Life-Pionier“ im Kopf haben könnten, der aber sehr viel mehr als das ist. Die Grundlage für sein neues Werk – der Titel lässt es erahnen – bildete eine Künstlerresidenz im Weltkulturerbe Bauhaus, der renommierten Designschule in Dessau. Das im Spätsommer 2024 erscheinende Album ist nicht rein musikalischer Natur, sondern Ergebnis einer intensiven Beschäftigung mit Musik, Lyrik, Gestaltung und bildender Kunst.
Die Zeit in Dessau nahm einen tiefgreifenden Einfluss auf Jules Ahois musikalisches Schaffen und eröffnete ihm, inspiriert durch die Ansätze und Umgebung des Bauhaus’, neue Perspektiven auf seine eigene künstlerische Ausdrucksweise. Das neue Album „MAGNOLIA (The Bauhaus Tapes)“ als Resultat dieses Prozesses, steht für mehr als nur musikalische Kreativität: Es ist ein Zusammenspiel von verschiedenen Kunstformen, das sich über Grenzen hinwegsetzt und ein neues, formübergreifendes und interdisziplinäres Genre hervorbringt – Artfolk.
„Grenzen, gerade in der Kunst, sind gemacht dafür, verwischt zu werden”, erklärt der kreative Kopf seine Herangehensweise. „Erst ab diesem Zeitpunkt fängt es für mich an, interessant und spannend zu werden. Meine Zeit im Bauhaus hat mir bewusst gemacht, dass ich mein Kunst-Interesse nicht „aufteilen“ muss. Ganz im Gegenteil, ich erfahre aktuell höchste Genugtuung, jegliche Form des Ausdrucks ineinander fließen zu lassen.“
Mit „Artfolk“ findet Jules Ahoi, ein Genre für sich, das besonders von sogenannter “Naiver Kunst” (auch: “Art Brut”) inspiriert ist, einer Sammelbezeichnung für die künstlerischen Arbeiten von Autodidakt:innen. Er sieht in dieser Verbindung von verschiedenen Ausdrucksformen nicht-akademisch ausgebildeter Künstler:innen eine Quelle höchster künstlerischer Befreiung und zieht hier Parallelen zu seiner eigenen Biografie.
Ganz im Sinne der Bauhausschen Schule ist auch Jules ein interdisziplinärer Künstler – Musiker, Lyriker, Maler/Zeichner, Grafiker –, der stets die unmittelbare Umgebung sowie Zufallsfunde in seinen Schaffensprozess mit einbezieht. Und das neu um ihn formierte Quintett besteht mit Muriel Bonn (Cello, Bass), Ornella Tobar-Gaete (Geige, Keys, E-Gitarre), Johannes Rüther (Drums) und Joris van Treeck (Bass, E-Gitarre) aus Multiinstrumentalist:innen. Nach zwei erfolgreichen Tourneen und zahlreichen Festivalauftritten in Deutschland, Österreich und der Schweiz, kehrt der Singer-Songwriter mit seiner neu formierten Band im Herbst 2024 so endlich zurück auf die Bühne, um sein neues Album „MAGNOLIA (The Bauhaus Tapes)“ zu präsentieren.
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