Im deutschen Vorentscheid zum ESC setzte sich der 28-jährige Straßenmusiker Isaak gegen acht weitere Konkurrenten durch, darunter den Favoriten Max Mutzke, der am Ende auf Platz 2 landete und seine Teilnahme von 2004 nicht wiederholen kann. Kann Isaak den ESC-Fluch brechen? Wir wagen eine Prognose.
Die Live-Veranstaltung, die von Barbara Schöneberger wie eine Talkshow wegmoderiert wurde, wurde von der ARD ins Nachtprogramm des Nischensenders „One“ verlegt. Ein Zeichen dafür, dass man das Thema ESC nach fast 10 Jahren auf den hintersten Plätzen (mit Ausnahme von Michael Schulte) nicht mehr ganz so hoch hängen will. Immerhin sahen 2 Millionen Menschen den deutschen Eurovision-Vorentscheid, allerdings nur halb so viele Zuschauer wie bei der „heute show“, die zur gleichen Zeit im ZDF lief.
Die Hoffnung, dass deutsche Teilnehmer beim Eurovision Song Contest etwas reißen können ist auch nach diesem Vorentscheid nicht besonders groß. Die beiden Erstplatzierten zeigten aber immerhin, dass sie live singen können und man sich nicht für ihre Teilnahme schämen müsste.
Unser Tip für Isaak: Diesmal kein letzter Platz
Der Gewinnersong „Always On The Run“ ist zeitgemäß produzierter Radio-Pop vom Reißbrett, lebt aber immerhin vom Sänger. Die Stimme von Isaak ist kraftvoll und international anschlussfähig. Der Sänger, der beim Major Universal Music unter Vertrag steht, hätte sicherlich auch ohne ESC Potenzial für eine Platzierung in den Charts und dürfte unabhängig von seinem Abschneiden Karriere machen. Wir tippen also dieses Jahr auf einen ordentlichen Platz unter den ersten 15. Ein letzter Platz wird es mit Sicherheit nicht, wenn alles mit rechten Dingen zugeht.
Auch Max Mutzkes Power-Ballade „Forever Strong“ hätte es verdient nach Malmö zu fahren. Beide Sänger zeigten eine gute Live-Performance und bewiesen in Berlin, dass sie live eine Bank sind. Am Ende entschied – wie auch beim Eurovision Song Contest – eine international besetzte Jury und das Publikum 50:50 über den Sieger des Vorentscheids. Gefühlt war der bereits seit 20 Jahren etablierte Mutzke beim Publikum deutlich beliebter, aber die Details der Abstimmung wurden bisher nicht bekannt gegeben.
„Ich will zum ESC!“-Soap im Vorfeld der Show
Insgesamt hatten sich nach Angaben der ARD 693 Künstler mit einem Song für den Eurovision Song Contest beworben. Zusätzlich durften die großen Plattenfirmen Vorschläge machen. Gewinner Isaak hat bereits einen Vertrag mit Universal Music, musste sich die Aufmerksamkeit der Jury also vermutlich nicht erst erkämpfen.
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Einige Künstler ohne Plattenfirma im Rücken wurden zur Serie „Ich will zum ESC!“ mit Conchita Wurst und Rae Garvey eingeladen, wo sie von den beiden gecoacht wurden. Der Sieger dieser ESC-Soap mit dem originellen Namen Floryan hatte am Ende aber zurecht keine Chance gegen die starke Konkurrenz.
ESC Finale am 11. Mai 2024
Das Finale des Eurovision Song Contest 2024 wird am 11. Mai 2024 in Malmö stattfinden. Deutschland ist als größter Geldgeber trotz der vielen Misserfolge der letzten Jahre weiterhin im Finale gesetzt, viele andere Länder müssen sich erst im Halbfinale qualifizieren.
Als einer der großen Favoriten dürfte der Sänger der Band Years & Years, Olly Alexander, gelten, der mit seinem Song „Dizzy“ für England antritt. Der scheint alles zu haben, was einen Eurovision-Klassiker braucht: eingängiger Refrain, Tanzbarkeit und ein Hauch Retro-Nostalgie. Einen Teaser seines Songs hatte er letzte Woche via Instagram veröffentlicht.
Allerdings war er im Vorfeld mit seinem Boykottaufruf gegen eine Teilnahme von Israel beim ESC eher negativ aufgefallen. Ob es ihm wirklich hilft, sich politisch so aus dem Fenster zu lehnen, wird sich zeigen. Tatsächlich liegt in der Diskussion um Israel eine Menge Sprengstoff beim diesjährigen Event in Schweden. Mehr als 1000 Künstler und Künstlerinnen hatten in einem offenen Brief dazu aufgerufen, Israel auszuladen.
Während vor allem Briten und Schweden das Land vom ESC ausschließen möchte mit dem plumpen Argument, dass Russland als Aggressor in einem Krieg ja auch nicht teilnehmen dürfe, verweisen andere zurecht darauf, dass Israel, anders als Russland keine Diktatur, sondern eine Demokratie ist, und die Teilnahme israelischer Künstler bei einem Song Contest rein gar nichts mit den Entscheidungen der israelischen Regierung zu tun hat. Ein Ausschluss von Israel beim ESC bringt absolut niemandem etwas und forciert höchsten den zunehmenden Antisemitismus in Europa.
Eden Golan wird Israel beim Eurovision Song Contest in Schweden vertreten, sie wurde bei einer populären Casting-Show von Publikum und Jury ausgewählt.
Neues Votingsystem
Dieses Jahr wird das Voting vermutlich leicht überarbeitet, da im vergangenen Jahr der überwältigende Gewinner des internationalen Publikumsvotings, der finnische Teilnehmer Käärijä am Ende doch nicht gewonnen hatte. Viele Fans hatten darauf hin protestiert, das Jury-Voting abzuschaffen, bei dem üblicherweise die glattesten Radiosongs bevorzugt werden, weil sich die „Experten“-Jurys überwiegend aus Radioleuten zusammensetzen, die letztlich nur darüber entscheiden, was vermutlich gut im Radio laufen würde.
Wenn es danach ginge, hat Deutschland in diesem Jahr wirklich gute Karten. Für das Publikumsvoting dürfte Isaaks Performance hingegen nicht schrill und spektakulär genug sein.