Auch Herbert Grönemeyer beschäftigt auf seinem neuen Album „Tumult“ die gespaltene Gesellschaft in Deutschland und auf der Welt: Sein harmloses Rezept dagegen lautet Beschwingtheit und Beschwichtigung.
Mehr Kohlrabi als Currywurst, mehr Grüne als SPD, mehr Manufaktur als Ruhrpott: So salonfähig klingt Herbert Grönemeyer 2018 auf seinem mittlerweile 15. Album. „Tumult“ ist sein Beitrag zur aktuellen Lage der Nation, die Gespaltenheit der Gesellschaft versucht er mit beschwingtem Latino-Weltmusik-Rhythmus und deutsch-türkischem Gesang wie auf „Doppelherz / Iki Gönlüm“ zu kitten.
Dazu gesellen sich Appelle, die Tapferkeit und Mut beschwören: „Wenn der Hagel fällt, gehen wir auf’s Spielfeld“. Ob dieser Pathos aus der Fußballromantik-Kabine jedoch angesichts der Flut an ähnlichen erbaulichen deutschen Texten noch geeignet ist, die Strahlkraft vergangener Grönemeyer-Texte zu erreichen, ist fraglich. Statt grummliger „Flugzeuge im Bauch“ werden nun eben rührselige „Sehnsuchtsorte“ oder „Hoffnungszimmer“ besungen.
Video: Herbert Grönemeyer – Doppelhert / Iki Gönlum
Die optimistische Grundhaltung als Basis für ein Motivationsalbum für die Deutschen: „Nur Mut!“ lautet das unterschwellige permanente Schlagwort auf „Tumult“. Dem Hass im Internet, der Hetze auf der Straße, dem Tumult in der Welt wird von Grönemeyer das Prinzip Leichtigkeit entgegengesetzt: Ein Elektropop-Song des Albums heißt dann „Leichtsinn & Liebe“, aufmunternde Chöre feuern an und Grönemeyers drängender charakteristischer Gesang wirkt inzwischen sehr selbstzufrieden.
Musikalisch spielt Grönemeyer seine ganze Erfahrung aus: Klavierballaden, Liedermacherchansons, Poppathos etc – das Repertoire wird voll ausgeschöpft. Die Titel der Songs wie „Sekundenglück“, „Mein Lebensstrahlen“, „Warum“ oder „Der Held“ wirken wie maßgeschneiderte Labels dazu und das letzte Lied des Albums heißt dann tatsächlich „Mut“, bevor noch zwei Remixe von Hitimpulse („Leichtsinn & Liebe“) und Felix Jaehn („Lebe mit mir los“) dieses einlullende Werk abschließen.
ACT DES MONATS
„Tumult“ ist ein solides Grönemeyer-Album mit vielen Songs, die das Publikum live mitreißen werden. Und der versöhnliche Ton in den Texten samt vielen Ohs und Ahs erfüllt denselben Zweck. Wer aber wirklich etwas über die Lage der Nation hören will – mit all dem Dreck und Diskussionsbedarf darin –, dem sei eher die neue Element Of Crime ans Herz gelegt.