Vier Jahre nach The Marshall Mathers LP 2 erscheint ein neues Album von Eminem. Bringt „Revival“ die von vielen erhoffte Erneuerung der Rap-Legende?
Eminem – Walk On Water (feat. Beyoncé)
„Revival“ gehört ohne Zweifel zu den meisterwartesten Veröffentlichungen des Jahres. Mit Blick auf Eminems vergangene Veröffentlichungen gab es in weiten Teilen der Fan-Community jedoch mehr das Gefühl eines Hoffens, dass Marshall Mathers endlich wieder auf die richtige, musikalische Spur finden würde. Die Vorzeichen standen gut: Eine kreative Werbekampagne und die politisch aufgeladene BET-Cypher deuteten darauf hin, dass wir hier einen wütenden und politischen Eminem in Höchstform geliefert bekommen könnten.
▶︎ Die deutschen Album Charts im Stream
Die erste Single „Walk On Water“ ging zwar musikalisch in eine andere Richtung, war als Intro-Track jedoch dennoch höchstinteressant. Spätestens die Pop-Sternchen gespickte Playlist ließ jedoch berechtigte Zweifel an der Rückkehr von „The Eminem Show“-Em aufkommen.
„Revival“ lässt sich bestens nach dem Prinzip „The Good, the Bad and the Ugly“ beleuchten. Und schnell wird dabei deutlich, dass dieses Album von einem echten Eminem-„Stan“ durchaus anders wahrgenommen werden dürfte, als vom normalen und unbefangenen, generellen Rap-Fan.
The Good
Eminems lyrisches Ausnahmetalent trägt dieses Album. Zwar ist er weiterhin weit entfernt vom Stile eines Kendrick Lamar auf „To Pimp A Butterfly“, dennoch nutzt er seine Position an der internationalen Rap-Sitze für politische Kritik. Erwartungsgemäß richtet sich diese in weiten Teilen gegen US-Präsident Donald Trump. „Untouchable“, „Like Home“ und „Bad Husband“ bieten allesamt lyrische Glanzmomente und laden oftmals dazu ein, die Texte bei Genius parallel mitzulesen.
Audio: Eminem – Untouchable
The Bad
Es kam leider wie es kommen musste: Features wie Ed Sheeran, Pink und Skylar Grey ziehen dieses Album in eine unvermeidbare Pop-Richtung. Hat Eminem doch in der Vergangenheit durchaus bewiesen, dass der den Pop-Rap-Spagat wie kaum ein Zweiter beherrscht, bleiben die Kollaborationen auf „Revival“ zumeist recht farblos. Einzig und allein Beyoncé und Alicia Keys können den jeweiligen Songs ihren eigenen Stempel aufdrücken.
Da haben die gewählten Samples eine durchaus höhere Schlagkraft. Ob Joan Jett mit „I Love Rock ’n Roll“ auf „Remind“ oder The Cranberries auf „In Your Head“: Eminem unterhält alleine dadurch, dass man nicht genau weiß, ob man diese Samples fantastisch oder zum Fremdschämen finden soll.
The Ugly
Lyrisch und inhaltlich bewegt sich „Revival“ auf Topniveau – musikalisch leider eher am unteren Rand der momentanen Rap-Landschaft. Die Produktionen fühlen sich schlichtweg altbacken an und stellenweise wirken die Tracks wie misslungene Parodien aktueller Strömungen.
Ob es nun der Versuch eines „Migos-Flow“ auf „Chloraspetic“ ist, oder Zeilen wie „Your booty is heavy duty like diarrhea“ über das ohnehin seltsame „I Love Rock ’n Roll“-Sample gerappt werden: Auf „Revival“ finden sich leider so einige Geschmacksverirrungen. Es gibt Pop-Rap, Rock-Rap und viele Ausprägungen zu hören.
Nur das, was sich viele von „Revival“ erhofft hatten, bekommen wir nur bei den letzten Tracks wirklich geliefert: Starken, aggressiven Eminem-Rap.
Auf dem Abschlusstrack „Arose“, einem der absoluten Highlights des Albums, rappt Eminem unter anderem die folgenden Zeilen:
„I’ll put out this last album, then I’m done with it
One hundred percent finished, fed up with it
I’m hanging it up, fuck it“
Für den eingefleischten Eminem-Fan mag diese Erkenntnis schwierig bis unmöglich erscheinen, doch sollte sich Slim Shady seinen Legendenstatus im Rap bewahren wollen, wäre entweder ein drastischer Stil-Wechsel oder nach Relapse, Recovery und Revival schlussendlich „Retirement“ an der Reihe.
Die Meinung des Autors spiegelt nicht die Meinung der gesamten Redaktion wider.