Die Nerven: Mit fabelhaftem Namen und furiosen Live-Shows hat sich dieses Trio aus Stuttgart zu einer der wichtigsten deutschsprachigen Bands gemausert sowie nichts weiter als das Album des Jahres 2022 abgeliefert.
Die Nerven – Die Nerven (Album-Review)
Das selbstbetitelte in Schwarz designte Album samt uneindeutig dreinblickendem schwarzen Hund ist das fünfte Werk: Die Nerven verhandeln darauf mit viel Wut und Post-Punk im Bauch gesellschaftspolitische Themen und haben damit das dringlichste und dichteste deutschsprachige Album 2022 veröffentlicht: Musikalisch vielfältig aus Indie-, Noise- und Punkrock geflochten, arbeiten sich die Texte an unserer disparaten und destruktiven Welt auf. Mit verzweifelten und verlangenden Schlachtrufen wie „Deutschland muss in Flammen stehen“ oder „Und ich dachte irgendwie, in Europa stirbt man nie“ pendeln sie zwischen den Einstürzenden Neubauten, Rio Reiser und Tocotronic – weisen aber weit über diese Referenzecken hinaus und legen mit „Die Nerven“ einen neuen Meilenstein bzw. Monolithen in der deutschen alternativen Musik vor.
Tracklist: Die Nerven – Die Nerven
- Europa
- Ich sterbe jeden Tag in Deutschland
- Keine Bewegung
- Alles reguliert sich selbst
- Ganz egal
- Ein Influencer weint sich in den Schlaf
- Der Erde gleich
- 15 Sekunden
- Ein Tag
- 180 Grad
▶︎ Album auf Spotify hören:
Biographie Die Nerven
Das Album ist Ergebnis einer über zehn Jahre langen Bandgeschichte: 2010 gründeten sich Kevin Kuhn (Drums), Max Rieger (Gitarre, Gesang) und Julian Knoth (Bass, Gesang) in Esslingen bei Stuttgart und veröffentlichen 2012 ihr erstes Album „Fluidium“, das mit seiner treibenden Rohheit und räudigen Direktheit schon für Aufmerksamkeit sorgt. Zuvor bringen sie diverse Digital-Releases heraus, der Durchbruch gelingt dann mit dem Zweitling „Fun“, den Jan Wigger von Spiegel Online „als eine der wichtigsten und besten deutschsprachigen Platten dieses Jahrzehnts“ lobt. Für den Song „Angst“ aus dem Album treten Tocotronic als Die Nerven im dazugehörigen Clip auf, eine Band, die sie als Vorbilder nennen, genauso wie Einstürzende Neubauten oder 1000 Robota.
Nach weiteren Titeln wie „Out“ und „Fake“ ist Schluss mit der einsilbigen Titelfolge und das fünfte bislang wichtigste Werk ist selbstbetitelt – Die Nerven. In der Pandemie eingespielt, gelingt ihnen ihr (bislang) bestes Album, das Pop-Melodien und Punk-Attitüde vereint. Es ist ihr „schwarzes Album“, das in der Tradition von solchen wie Metallica, Jay-Z und Prince stehen soll und kann.
Stuttgart wird den Musikern bald zu eng, es fehlen die gebrauchten Freiräume und Kuhn geht nach Berlin abwanderte, Rieger zunächst nach Leipzig und später auch nach Berlin. Geblieben ist Knoth, der im Stadtbeirat politisch aktiv ist. Dennoch bleibt die Band zusammen und die unterschiedlichen Persönlichkeiten sowie das gemeinsame stetige Improvisieren prägen den einzigartigen Charakter der Band.
ACT DES MONATS
Punk, DIY und Experimentieren sind die Grundpfeiler ihres Musizierens: Und sie sind eine Haltung, Dinge so angehen zu wollen, wie man es will. Dekonstruieren und Neu-Arrangieren sind wichtige musikalische Stilmittel der Band, Uneindeutigkeiten und Interpretationsspielräume elementare Bausteine in den Lyrics.
Alle Mitglieder widmen sich zudem spannenden Solo-Aktivitäten, Kevin Kuhn ist nebenbei Mitglied bei den Bands Karies, Wolf Mountains und Scharping. Julian Knoth hat die beiden Band-Nebenprojekte Yum Yum Club sowie Peter Muffin Trio und mit Thomas Westner von der Münchner Band Friends Of Gas gründete und betreibt er das Label Butzen, das musikalisch interessante Projekte auf Kassetten veröffentlicht. Max Rieger ist bei All Diese Gewalt aktiv oder als Produzent von Casper, Drangsal oder Mia Morgan.
Diskographie Die Nerven
- 2012: Fluidum
- 2014: Fun
- 2015: Out
- 2018: Fake
- 2022: Die Nerven