Mit „Dunkel“ ist 2021 das 14. Studioalbum von Die Ärzte erschienen: Wir werfen deshalb einen Blick zurück auf ihre Diskografie und ihre besten Longplayer aus gut 40 Jahren Bandhistorie.
Doch welche dieser Studiowerke sind wirklich die Besten? Darüber scheiden sich die Geister, trotzdem sind es wohl vor allem die alten Alben, die sich ihren Fans für immer ins Herz gebrannt haben.
Die Ärzte im Interview über ihre Anfänge
Debil (1984)
Der Einstieg in den Ärzte-Kosmos. Songs wie „Schlaflied“, „Claudia hat ’nen Schäferhund“, Paul und natürlich „Zu spät“ sind einfach legendär und trennten schon früh die Spreu vom Weizen. Wer damit nichts anfangen konnte, wechselte wohl besser ins Fan-Lager der Toten Hosen. 2005 wurde das Album unter dem Titel „Devil“ erneut veröffentlicht, nachdem 2004 die Indizierung des Albums aufgehoben worden war.
Im Schatten der Ärzte (1985)
Das berühmte schwierige zweite Album überzeugt locker mit vielen Highlights wie „Du willst mich küssen“, „Dein Vampyr“, „Buddy Holly’s Brille“ und „Ich weiß nicht (ob es Liebe ist)“, um nur vier von ihnen zu nennen. Es ist zugleich das letzte Album, an dem Bassist Sahnie mitgewirkt hat, ehe dieser ein Jahr später nach einem Streit mit den beiden übrigen Mitgliedern die Band verließ.
Die Ärzte (1986)
Was dieses Album zum besten Album der besten Band der Welt macht, ist wohl der Umstand, dass nicht einen einzigen Filler darauf zu finden ist, sondern nur echte Punkrock-Klassiker wie „Wie am ersten Tag“, „Mysteryland“, „Sweet Sweet Gwendoline“ sowie eine coole Coverversion von „Jenseits von Eden“ und – zumindest in der Originalversion – das indizierte „Geschwisterliebe“.
ACT DES MONATS
Das ist nicht die ganze Wahrheit… (1988)
Das vierte und vorläufig letzte Album enthält Hits wie „Westerland“ oder „Bitte bitte“ sowie „Elke“. Sänger Farin Urlaub erklärt inzwischen, diesen Song werde man nicht mehr spielen, da er Fatshaming enthalte und misogyn sei. Insofern ist der Albumtitel ziemlich zeitlos, denn was zu einer Zeit vielleicht lustig war kann zu einer anderen ganz und gar unlustig sein – Selbstreflexion ist eine weitere große Stärke der Band. Im gleichen Jahr beschloss die Band außerdem ihre Auflösung, um sich auf ihre Solokarrieren konzentrieren zu können und ernsthafte Musik zu machen. Diese floppten jedoch legendär. In diesem Fall muss man wohl sagen: zum Glück! Die Fans wollten die beiden nur zusammen sehen.
Die Bestie in Menschengestalt (1993)
Mit einer unauffälligen Kleinanzeige in einer Musikzeitschrift starteten Die Ärzte 1993 ein Comeback: „Beste Band der Welt sucht Plattenfirma“. Es meldete sich Musikmanager Axel Schulz, der dafür sorgte, dass die Band ihre Platten ab 1997 komplett in Eigenregie veröffentlichen konnte und sich von der Plattenindustrie unabhängig machen konnte. Aber nicht nur finanziell, auch politisch war das Comeback ein riesiger Erfolg: „Schrei nach Liebe“ ist eine wahre Hymne, die – leider – nie an Aktualität verloren hat. Doch auch der Rest kann sich hören lassen wie „Mach die Augen zu“ und „Friedenspanzer“. Und erstmals ist hier Rodrigo González als neuer Bassist mit an Bord.
Die ganze Geschichte des Comebacks der Ärzte (Interview)
Planet Punk (1995)
Der „Schunder-Song“, „Der Misanthrop“ und „Mit Mir“ sind wohl die Highlights auf dieser Platte. Die Idee, musikalisch durch sämtliche Genres zu reiten, funktioniert mal mehr, mal weniger gut, ist in Sachen Originalität und Abwechslung aber unschlagbar. Zudem gibt es mit „Rod ♥ You“ vielleicht das erste Emoji in einem Songtitel.
Le Frisur (1996)
Ein Album wie Körperbehaarung – haben die meisten, wird aber nicht von allen geliebt. Trotzdem haben sich Songs auf dem Konzeptalbum zum Thema „Haare“ wie „Mein Baby war beim Frisör“, „3-Tage-Bart“ und „Vokuhila“ wie ein eingewachsenes Haar in den Gehörgängen festgesetzt.
13 (1998)
Das achte Ärzte-Album trägt den Titel „13“, um die Anzahl der wechselnden Konstellationen zu verdeutlichen, in denen die Band zuvor ihr Glück versuchte. Von einigen Kritikern als eher mittelmäßig eingestuft, ist es bei den Fans extrem beliebt. Fun Fact: Hidden Tracks haben Tradition. Auf dem Ärzte-Album „13“ war er ganz besonders gut versteckt: „Lady“ – Ein Bombastrockschinken vor dem Herrn. Und so findet man ihn.
Runter mit den Spendierhosen, Unsichtbarer (2000)
Kuschlig von außen (das Album kam in einer hellblauen Plüschtasche daher), innen mit Songs wie „Manchmal haben Frauen…“, „Leichenhalle“ und „Dir“ doch wieder so typisch kratzig Ärzte, dass man als Fan nicht dran vorbeikam, auch wenn man sich zuvor schon von der Band abgewandt hatte.
Geräusch (2003)
Ein Doppelalbum zwischen Baum und Borke, die Ärzte noch nicht vollends erwachsen, aber auch keine Kinder mehr. „Deine Schuld“ und „Unrockbar“ wurden zu Hits, waren aber auch der Grund, aus dem viele alte Fans ab diesem Zeitpunkt aufhörten, sich weitere Platten der Band zu kaufen.
Jazz ist anders (2007)
Dass es dieses Album in unsere Top 10 geschafft hat, ist den Songs „Lied vom Scheitern“, „Lasse redn“ und „Junge“ (kurioserweise wurde der Song 2013 von Heino und Xavier Naidoo gecovert) zu verdanken, denn eigentlich sind es ja doch eher die weniger erwachsenen Ärzte, die ihren Fans die Tränen in die Augen treiben.
auch (2012)
Ja, auch dieses Album gehört ins Ranking und das 12. Ärzte-Werk fragt im Opener selbstironisch und inzwischen zum geflügelten Wort geworden: „Ist das noch Punkrock?“. Die Verpackung ist im Stil eines Gesellschaftsspiel gehalten und als Spielfiguren lagen drei Kronkorken im Booklet. Trotz dieser Geschenke an die Fans und trotz Platz 1 in den Charts gilt „auch“ als ihr schwächstes Album, was wohl auch an Spannungen in der Band lag.
2013 trennte sich Farin Urlaub nach der Tour zum Album von der Band und begab sich auf eine ausgiebige Reise um die Welt. Im Interview beschreibt Farin Urlaub diese schwierige Zeit und sagte, dass er drei Jahre lang nicht mit Bela B gesprochen habe, bis sie sich für ein Benefiz-Konzert wieder gemeinsam auf eine Bühne stellten und den Spaß an ihrer Band wiederfanden.
Hell (2020)
Routinierte, aber rentenferne Punk-Profis am Werk: Die Ärzte sind hiermit nach achtjähriger Pause mit neuen einoperierten Ohrwürmern zurück, Hell yeah! Musikalisch schütteln sie einen melodieverliebten Hit nach dem anderen aus dem Ärmel, die zwischen Bierzeltsound, Indie-Rock, Surfpop, Schlagerpop, Countryfolk, Reggaesound und Stadionkracher lässig hin und her wechseln.
Dunkel (2021)
Nach einem Jahr Pause folgte nach dem spielfreudigen „Hell“ folgerichtig der düstere Gegenpart namens „Dunkel“: Das durchaus politische Album schließt mit einer Aufforderung und einem ärztlichen Rat, dem man ebenfalls absolut folgen sollte: “Wie wärs mit wählen gehen? Dein Kreuz gegen Hakenkreuze!”
Biografie Die Ärzte
Die Ärzte aus Berlin sind ein Phänomen. Seit 1982 Jahren haben sie sich von einer kleinen Berliner Szene-Band zu einer gesamtdeutschen Institution hochgearbeitet.
Es gibt wohl kaum einen, der nicht schon mal etwas von BelaFarinRod gehört hat und nicht mindestens einen ihrer Songs kennt. Dabei begann die Geschichte der Band wie die von tausenden anderen Bands der Punkzeit.
Dirk Felsenheimer („Bela B.“, heute punktlos „Bela B“) und Jan Vetter (Farin Urlaub) lernten sich 1980 im Alter von 17 Jahren in der Diskothek Ballhaus Spandau kennen.
Gemeinsam mit dem Bassisten Sahnie (bürgerlich Hans Runge), gründeten Felsenheimer und Vetter Die Ärzte. Nach eigenem Bekunden wählten sie den Bandnamen aus keinem bestimmten Grund. Es gibt verschiedene Theorien über die Namensherkunft; eine der populären Mutmaßungen besagt, dass Bela B in den alphabetisch sortierten Regalen der Plattenläden stets eine Band mit dem Anfangsbuchstaben Ä vermisst hatte.
1982 gaben sie ihr erstes Konzert gaben die Ärzte in einem besetzten Haus am Heinrichplatz in Kreuzberg.
1984 nahmen die Ärzte die Mini-LP „Uns geht’s prima… “ auf, die beim Berliner Indie-Label Vielklang veröffentlicht wurde. Durch einen Hinweis des Nena-Managers Jim Rakete nahm die CBS Schallplatten GmbH die Ärzte unter Vertrag.
1988 lösten sich Die Ärzte nach Streitigkeiten mit ihrer Plattenfirma auf. Farin und Bela starteten mit King Kong und Depp Jones jeweils eigene Bands und scheiterten beide krachend! Dabei verpulverten sie ihr kleines Vermögen, das sie sich mit den Ärzten erspielt hatten.
1993 entschieden sie sich mit Rod Gonzalez von den befreundeten Rainbirds als Bassisten zu einem Comeback. Mit der Anzeige in einem Branchenmagazin „Beste Band der Welt sucht Plattenfirma“ konnten sie sich am Ende die Plattenfirma aussuchen. Das Comeback Album „Die Bestie in Menschengestalt“ hielt sich 54 Wochen in den deutschen Charts, die Single „Schrei nach Liebe“ wurde ihr erster Nummer 1-Hit. Mit ihrem Comeback stiegen Die Ärzte zur populärsten Band des Landes auf, ihre Konzerte sind legendär und ihre Platten verkaufen sich wie geschnitten Brot.
1997 entschieden Die Ärzte gemeinsam mit Manager Axel Schulz ein eigenes Indielabel Hot Action Records zu gründen und ihre Musik unabhängig von den Major-Plattenfirmen zu veröffentlichen. Ein letzter Stinkefinger in Richtung Musikbranche: die Band war zu erfolgreich geworden, um noch vom Wohlwollen und Vorschüssen einer Plattenfirma abhängig zu sein.
2013 trennte sich Farin Urlaub nach der Tour zum Album „auch“ von der Band. Die Ärzte hatte sich auseinandergelebt und es schien zunächst keinen Weg zurück zu geben. Urlaub begab sich auf Weltreise und veröffentlichte ein erfolgreiches Soloalbum, Bela B widmete sich anderen Projekten.
2016 gaben Die Ärzte ein Benefizkonzert bei „Jamel rockt den Förster“ und sie entdecken wieder den Spaß an ihrer Musik.
2019 veröffentlichten die Ärzte ihr Gesamtwerk unter dem Titel Seitenhirsch. In einem exklusiven Interview erzählen Bela, Farin und Rod von ihrer langen Karriere. Die Ärzte spielten eine Tour im europäischen Ausland und waren Headliner bei Rock am Ring und Rock im Park.
2020 kündigen Die Ärzte nach achtjähriger Pause ihr neues Album „HELL“ an, das am 23. Oktober 2020 erscheint. Die Single „Morgens Pauken“ wird am 21. August ausgekoppelt.
2021 erscheint mit „Dunkel“ das bislang letzte Werk der Band. Es folgen ausgiebigte Tourneen durch die Republik.
2024 spielen Die Ärzte zwei Konzerte im Berliner Flughafen Tempelhof, anlässlich des 40. Geburtstags ihres Debüts.
Diskografie Die Ärzte
1984: Debil
1985: Im Schatten der Ärzte
1986: Die Ärzte
1988: Das ist nicht die ganze Wahrheit …
1993: Die Bestie in Menschengestalt
1995: Planet Punk
1996: Le Frisur
1998: 13
2000: Runter mit den Spendierhosen, Unsichtbarer!
2003: Geräusch
2007: Jazz ist anders
2012: auch
2020: Hell
2021: Dunkel