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Die besten Filme von Martin Scorsese

Regisseur Martin Scorsese ist ein Gigant nicht nur des US-Kinos. Hier sind seine sechs Meisterwerke.

Wenn es um Filme geht, die nie verstauben, fällt regelmäßig der Name Martin Scorsese. Zwar liegt die ganz große Zeit des am 17. November 1942 in New York geborenen Italoamerikaners schon lange zurück. Doch nur ganz wenigen Regisseuren gelingt es, gleich mehrere Standardwerke zu schaffen – und das in verschiedenen Genres.

In den 70ern gehörte Scorsese zu den Erneuerern des Kinos. Er blieb aber stets auch Traditionalist und machte aus seinem Faible für die Klassiker etwa von John Ford und Howard Hawks nie einen Hehl. Im Grunde sind alle Filme des inzwischen über 80-Jährigen in erster Linie Charakterstudien. Wie verhalten sich Menschen in Extremsituationen? Das hat Scorsese stets mehr interessiert als alles andere. Deshalb war und ist es ihm auch so wichtig, für jedes Drehbuch die geeignete Bildsprache zu finden. Hinzu kommt eine Faszination für Gewalt, die aber stets in die Handlung eingebunden und somit kein Selbstzweck ist. Viele Filme handeln von Schuld, Sühne, Vergebung und Strafe. Kurz: vom Katholizismus. Dieses Thema verbindet Scorsese mit anderen italoamerikanischen Filmemachern wie Francis Ford Coppola (Der Pate) und Abel Ferrara (Bad Lieutenant). In seiner Jugend wollte Scorsese sogar Priester werden. Glücklicherweise wurde er von der Jesuitenschule geworfen.

Bei seinem Aufstieg zum Regie-Giganten hatte er Glück, aber vor allem die richtigen Leute an seiner Seite. Ohne die mit ihm befreundeten Method Actors Robert De Niro und Harvey Keitel, die kein Problem mit extremen Rollen haben, wären Scorseses frühe Filme nur halb so gut gewesen. Alle Protagonisten standen in den 70ern mit ihrer Lust zur Improvisation und ihrem Interesse an schäbigen Charakteren außerhalb des verkrusteten Hollywood-Systems. Auch deshalb hielten sie wohl zusammen wie Pech und Schwefel. Und Scorsese lernte früh, dass das richtige Team seine Filme besser macht.

Das gilt auch für die Crew. Thelma Shoonmaker war schon beim Debüt „Wer klopft denn da an meine Tür“ (1967) für den Schnitt verantwortlich – und ist es seit 1980 durchgängig bis heute. Kennengelernt hatte sich das Duo bereits an der Uni. Eine lange Zusammenarbeit gab es zudem mit Michael Ballhaus. Sieben Filme drehte der Regisseur seit 1985 mit dem kreativen deutschen Kameramann, der 2017 verstarb.

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Am 20. Mai 2023 will Martin Scorsese in Cannes seinen neuen Film „Killers Of The Flower Moon“ vorstellen. Zuvor blicken wir noch einmal auf seine sechs Meisterwerke zurück. In allen ist Robert De Niro zu sehen. Hier sind sie.

6. Casino (1995)

Dies ist der letzte makellose Film, den Scorsese gedreht hat. Es ist die Rückkehr zum Mafiafilm und zum eingespielten Duo Robert De Niro und Joe Pecsi. Ersterer gibt wie in „Good Fellas“ (siehe unten) den skrupellosen Strategen (Samuel „Ace“ Rothstein), Letzterer den impulsiven Brutalinski (Nicky Santoro). Die Spielerstadt Las Vegas ist für beide Charaktere ein Schlaraffenland, doch das böse Ende kommt gewiss. Überragend ist außer den männlichen Hauptdarstellern auch Sharon Stone als Femme Fatale Ginger. Dank Scorsese gelang ihr die beste Vorstellung ihrer Karriere.

5. The King of Comedy (1982)

Viel zu oft wird dieser Film vergessen, wenn es um Scorseses größte Werke geht. Kommerziell war er ein Misserfolg. Es ist die einzige Komödie, die der Regisseur gedreht hat. Doch der Humor ist mehr als unangenehm. Robert De Niro spielt brillant den Psychopathen Rupert Pupkin, der sich für einen glänzenden Comedian hält. Um in der Late-Night-Show seines Vorbildes Jerry Langford (Jerry Lewis) auftreten zu dürfen, entführt er es zusammen mit seiner Freundin Masha (Sandra Bernhard). Der Stand-up-Auftritt vor Livepublikum ist der Höhepunkt des Films. De Niro zeigt beifallsheischend, was einen schlechten Comedian von einem guten unterscheidet. Eine Sternstunde.

4. Hexenkessel (1973)

Der erste von Scorseses Mafiafilmen beschäftigt sich konzentriert mit jenen, die unten in der Nahrungskette stehen. Harvey Keitel glänzt in der Hauptrolle (Charlie), doch ein Nebendarsteller stiehlt ihm die Show: der damals noch unbekannte Robert De Niro, mit dem Scorsese erstmals zusammenarbeitete. Als Kleinganove und naiver Gernegroß Johnny Boy, der sich an keine Regel hält und eine Katastrophe auslöst, wirbelt De Niro über die Leinwand. Für den Schauspieler war der Auftritt ein entscheidender Schritt auf dem Weg zu einem der gefragtesten Charakterdarsteller Hollywoods. Während Keitel, mindestens so begabt, in der zweiten Reihe blieb. Gerecht ist sie nicht, die Filmwelt.

3. Wie ein wilder Stier (1980)

Scorsese, so will es die Legende, war in schlechtem körperlichen Zustand und obendrein nicht von der Geschichte um den realen Boxer Jake LaMotta überzeugt. Robert De Niro blieb dran und setzte sich durch. Zum Glück: Raging Bull, so der Originaltitel, ist der beste Boxerfilm der Geschichte. Überwiegend in Schwarz-Weiß gedreht, behandelt er schonungslos und vor allem völlig unglamourös den Aufstieg und Fall einer italoamerikanischen Sportlegende. Jake LaMotta selbst stand Scorsese beratend zur Seite. Doch nichts wurde beschönigt. De Niro, ganz Method Actor, fraß sich einen ordentlichen Ranzen an, um den alternden Ex-Boxer zu verkörpern. Absolut sehenswert ist auch der erstmals vom Regisseur eingesetzte Joe Pesci (als Jakes Bruder Joey). Er wurde zu einem von Scorseses Lieblingsschauspielern.

2. Good Fellas (1990)

In ärmlichen Verhältnissen in New Yorks Little Italy aufgewachsen, ist Martin Scorsese zugleich fasziniert und abgestoßen von der Brutalität, mit der die Mafia agiert. Für Menschen ohne Perspektive ist die Kriminalität oft der einzige Ausweg. Davon handelt dieser auf wahren Begebenheiten beruhende grandiose Film. Henry Hill (Ray Liotta) arbeitet sich in der Cosa Nostra, einer Bande mit traditionell kapitalistischen Strukturen, verbissen nach oben. Der Vollblutverbrecher Jimmy Sangster (Robert De Niro) wird sein Mentor, inklusive des unkontrollierbaren Wüterichs Tommy DeVito (Joe Pesci) sind sie lange eine eingeschworene Gemeinschaft. Die Kohle fließt im Überfluss, aber die Scheinwelt zerbröckelt. Legendär ist Pescis improvisiertes Mafia-Gaststättengespräch mit Liotta, das bis heute immer wieder zitiert wird („How am I funny?“). Aus dem Off ebenso begeistert wie unmoralisch erzählt wird die Good Fellas-Handlung von Henry Hill. Das hatte sich Scorsese von einem der besten Filme überhaupt abgeschaut, Robert Hamers zynischer Satire „Adel verpflichtet“ (1949).

1. Taxi Driver (1976)

„Are you talking to me?“ Wie Hamers Meisterwerk gehört auch dieser Film zum Tafelsilber des Kinos. Eine einsamere, dysfunktionalere, paranoidere Großstadtfigur als Travis Bickle gibt es nicht. Robert De Niro spielt alle seine Talente aus. Man ist von Bickle abgestoßen, hat aber zugleich – unwillentlich – Mitleid mit ihm. Auch die anderen Protagonist:innen wurden phänomenal besetzt. Als Zuschauer schwer zu ertragen sind Jodie Foster, damals 13, in der Rolle des zur Prostitution gezwungenen Kindes Iris sowie Harvey Keitel als manipulierender Zuhälter Sport. Der Film ist ein einziger Fiebertraum: Geht Bickle wirklich mit Betsy (Cybill Shepherd) beim ersten Date in ein Pornokino? Ist er wirklich ein Ex-Marine? Will er wirklich den Präsidentschaftskandidaten Charles Palantine (Leonard Harris) umbringen? Räumt er wirklich bis an die Zähne bewaffnet im Hurenhaus auf? Oder ist das alles nur Einbildung? Scorsese lässt die Fragen unbeantwortet und stellt sich damit – und mit seiner radikalen Bildsprache – in aller Schärfe gegen das verschnarchte Hollywood. Subversiv erzeugt Taxi Driver Aggressionen, die niemand haben will. Das kann Kino leisten. Ein Verdienst auch des Drehbuchautors Paul Schrader.

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