Es soll ja Leute geben, für die avancierte das Debütalbum der britischen Band Daughter auf Anhieb zu einem Klassiker der neueren Popgeschichte. Hoch emotional, intim und voller Gefühl ist das Trio um Sängerin Elena Tonra jetzt zurück. „Not To Disappear“ ist eine zugleich bewegende wie auch zutiefst traurige Geschichte ums Vergessen.
Wie mag das sein, wenn wirklich alles und jeder nach und nach ganz langsam verschwindet. „Then I lose my children. Then I lose my love. Then I sit in silence. Let the picture soak.“, heißt es in der ersten Single „Doing The Right Thing“. Es ist die Chronik, von der viele ihren eigene tragische Geschichte erzählen könnten. Geschichten, die nicht nur für die von Demenz betroffenen schlimm sein müssen, vor allem aber auch für die zahlreichen Familienangehörigen.
Ungeschönt, empathisch und herzzerreißend zeichnet das Video zu „Doing The Right Thing“ ein nur schwer zu verdauendes Porträt:
Als Filmemacher konnte man dabei alte Bekannte gewinnen. Iain Forsyth & Jane Pollard (Regisseure des Nick-Cave-Films „20.000 Days on Earth“ und auch des Daughter-Videos zu „Still“) zeichnen sich als kongeniales Duo dafür verantwortlich, zu den Geschichten und Songs die passenden Bilder im Kopf und auf der Leinwand zu kreieren.
Mit den Zutaten haben Elena Tonra, Igor Haefeli und Remi Aguilella wenig experimentiert. Tiefe, eindringliche Drumparts, die mit den unterschwelligen Basslines perfekt zusammenarbeiten, der markante E-Gitarreneinsatz ist geblieben und Tonra’s Stimme strahlt noch immer diesen geheimnisvollen Mix aus eiskalter Distanz und trostspendender Wärme aus.
Es sind vor allem die melancholisch angehauchten Song wie „Numbers“, „Doing The Right Thing“ oder „Mothers“, die mit einer ganz eigenen Dramatik die Hörer fesseln. Die Uptempo-Nummer „No Care“ durchbricht dabei kurzzeitig das von Atmosphäre und Melancholie getragene Gesamtbild von „Not To Disappear“, zeigt Daughter von einer anderen Facette.
Und kurz bevor ein Jeder denkt, das sei es dann doch fast schon gewesen, kommt „Fossa“. Mal treibend nach vorne, dann wieder zurückgezogen und fast schüchtern, erzählt der Song in sieben Minuten seine ganz eigene Geschichte und schwebt rückblickend dann doch noch immer ein wenig über den restlichen Stücken.
Den großen Hit mag das zweite Album der Briten nicht liefern. Dafür aber ein stetes, großartiges Gesamtbild, in dem jeder Song seine eigene besondere Geschichte erzählt und damit ein für allemal klarstellt, dass Daughter in Sachen düster-melancholischem Indiepop/Rock so schnell niemand das Wasser reichen kann.
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