Auch im stolzen Alter von 83 Jahren befindet sich Musiklegende Bob Dylan wieder auf Tour und gibt noch einmal in Deutschland mehrere Konzerte. Wir waren bei der „Rough And Rowdy Ways Tour 2022“ dabei – und raten ab.
Seit 36 Jahren ist Bob Dylan auf seiner „Never Ending Tour“ unterwegs und spielte im Lauf der Jahre in nahezu jeder Kleinstadt.
Auf seiner seit mehreren Jahren laufenden Tour spielt er hauptsächlich die Songs seines 2020er Albums „Rough and Rowdy Ways“ und nur ein paar Songs von früheren Werken. Die großen Klassiker sind dagegen – wie meistens – gar nicht zu hören, eine „Greatest Hits“-Show zu spielen ist nicht die Sache des kauzigen Eigenbrötlers. Alleine damit könnte er einen ganzen Abend füllen.
Bob Dylan in Berlin 2022: Ehrfurchtsvolle Langweile
Beim ersten von drei Konzerten in der Berliner Music Hall 2022 verschanzt sich Dylan weitgehend hinter seinem Klavier und krächzt seine Texte mehr rezitierend als singend ins Mikrofon. Kein Zweifel, das hier ist nicht nur einfach eine weitere Show, es ist ein Fan-Event. Die Stimmung im Publikum ist ehrfürchtig, für ein Rock-Konzert ist es extrem leise im komplett bestuhlten Saal, in dem sich überwiegend ältere Fans, aber auch ein paar ihrer Kinder und Enkelkinder eingefunden haben, um dem alten Kauz bei der Arbeit zuzushen.
Dylan verzichtet wie immer komplett auf jegliche Showelemente oder direkte Kontaktaufnahme mit seinem Publikum, sondern bleibt von Anfang bis Ende vertieft in seine Musik und steht nur ab und zu einmal auf, um die alten Knochen auszuschütteln wie ein Hochleistungssportler beim Seitenwechsel.
Wäre der alte Dylan ein Newcomer, mit seinem gediegenen Talking-Blues würde er heute wohl eher kleine schummrige Jazzbars füllen als die ganz großen Arenen. Aber ein Künstler, der bereits seit 60 Jahren unterwegs ist, dem die Jugend der 60er Jahre an den Lippen hing, der in den 70ern wie kein anderer gecovert wurde, der im Lauf seiner Karriere den Pulitzerpreis, den Kennedy Award, einen Oscar, einen Golden Globe, zahlreiche Grammys sowie den Literaturnobelpreis gewonnen hat, schwebt scheinbar weit über den Dingen.
ACT DES MONATS
Sympathisch ist das nicht, unterhaltsam leider auch nicht und so plätschert das Konzert langsam dahin und es fallen einem allerhand Dinge ein, die man sonst so erledigen könnte in diesen zwei Stunden Lebenszeit.
Klar: So einen wie Dylan wird es nie wieder geben. Und das ist jedem bewusst, der heute auf ein Konzert von ihm geht. Und all das schwingt von Anfang bis Ende mit. Aber das reicht einfach nicht. Ein bisschen Respekt darf man als Künstler auch seinem Publikum entgegenbringen, das teils weite Wege in Kauf genommen und viel Geld dafür ausgegeben hat, ihn zu hören.
Statt mit ein paar freundlichen Worten (ich erinnere mich sehr gerne an den überaus charmanten Leonard Cohen im Jahr 2008, der sein Publikum förmlich mit Wärme, Dankbarkeit und Freundlichkeit überschüttete), müssen sich leidgeprüfte Dylan-Fans damit abfinden, was der große Meister ihnen hinwirft. Und es sind dennoch genügend, die ihm immer noch nachreisen, in der Hoffnung, dass er vielleicht doch nochmal einen der großen alten Songs spielt oder irgendetwas Bedeutendes sagt.
Auf der Tour 2024, die ihn unter anderem nach Erfurt, Berlin, Nürnberg, Frankfurt, Stuttgart, Saarbrücken und Düsseldorf bringt, spielt er dann doch noch ein paar alte Klassiker: unter anderem hat er „All Along The Watchtower“, „It Ain’t Me Babe“ und einen seiner größten Songs „It’s All Over Now, Baby Blue“ mit im Gepäck.
Aus gutem Grund hat er ein absolutes Foto- und Handyverbot verfügt: jeder, wirklich jeder Konzertbesucher würde sich diese vielleicht letzte Gelegenheit nicht entgehen lassen, um ein Erinnerungsvideo oder Foto von ihm zu schießen. Doch Bob Dylan ist bereits seit Jahrzehnten keine öffentliche Figur mehr, sondern tritt nur noch durch seine Musik in Erscheinung. Und das scheint er bis zum Schluss auch so beibehalten zu wollen.
Setlist Bob Dylan Tour 2024 (5. Oktober 2024 in Prag)
- All Along the Watchtower
- It Ain’t Me, Babe
- I Contain Multitudes
- False Prophet
- When I Paint My Masterpiece
- Black Rider
- Watching the River Flow
- My Own Version of You
- Desolation Row
- Crossing the Rubicon
- Key West (Philosopher Pirate)
- It’s All Over Now, Baby Blue
- I’ve Made Up My Mind to Give Myself to You
- Dignity
- Mother of Muses
- Goodbye Jimmy Reed
- Every Grain of Sand