Die isländische Sängerin Björk hat in einem Interview mit der schwedischen Zeitung Dagens Nyheter scharfe Kritik an Spotify und der Streaming-Ökonomie geübt.
„Spotify ist wahrscheinlich das Schlimmste, was Musikern passieren konnte“, sagte Björk im Rahmen der Promotion ihres neuen Konzertfilms Cornucopia, der aktuell auf Apple TV+ gestreamt wird.
Die Musikerin bemängelt vor allem die Auswirkungen der Streaming-Kultur auf Künstler und die Gesellschaft insgesamt. „Ich habe das Glück, nicht mehr auf Tourneen Geld verdienen zu müssen, aber viele junge Musiker sind dazu gezwungen“, erklärte Björk und bezeichnete die wirtschaftlichen Bedingungen der Streaming-Dienste als problematisch.
„Spotify ist wahrscheinlich das Schlimmste, was Musikern passieren konnte. Die Streaming-Kultur hat eine gesamte Gesellschaft und eine ganze Generation von Künstlern verändert.“ (Björk)
Streaming-Einnahmen: ein umstrittenes Modell
Hintergrund ihrer Kritik ist das Vergütungssystem von Streaming-Diensten. Plattformen wie Spotify zahlen zwischen 0,003 und 0,005 Dollar pro Stream an Rechteinhaber wie Labels und Verlage, die diese Beträge dann an die Künstler weiterleiten. Damit können nur wenige, meist globale Stars, nennenswerte Einnahmen erzielen. Für die meisten Musiker bleibt Touren, Merchandise und Brand-Kooperationen die Haupteinnahmequelle. Doch auch hier gibt es Schwierigkeiten: Die Nachfrage nach Live-Konzerten hat sich in der postpandemischen Ära abgekühlt, viele Tourneen kämpfen mit geringen Ticketverkäufen bei gleichzeitig extrem hohen Preisen. Viele Menschen können sich Konzerte schlicht nicht mehr leisten – und wenn, strömen sie in Massen zu Adele, Coldplay oder Taylor Swift und geben ihr gesamtes Jahresbudget für Konzerte dafür aus.
Forderung nach Veränderung
Björk reiht sich damit in die wachsende Zahl von Künstlern ein, die eine Reform der Streaming-Ökonomie fordern. Während Plattformen wie Spotify Milliardengewinne einfahren – der geschätzte Vermögenswert von CEO Daniel Ek liegt laut Forbes bei 7,4 Milliarden Dollar, ein Vielfaches vom Vermögen von Taylor Swift – bleibt für die Mehrheit der Musiker kaum etwas übrig.
Zusätzlich schafft KI ein ganz neues Problem für viele Musiker: Spotify und andere Dienste arbeiten daran, Musik mit Hilfe von künstlicher Intelligenz zu erschaffen, sodass Musiker künftig gar nicht mehr bezahlt werden müssen und die großen Firmen durch die reine Masse von automatisch generiertem Soundmüll, sich den restlichen Anteil vom Kuchen auch noch einverleiben können. Deshalb wehren sich bereits immer mehr Künstler gegen die Verwendung ihrer Musik als unbezahlte „Trainingsdaten“ für KI-Anbieter.
Die Marktmacht von Spotify ist ein Problem
Als Musikplattform kommen wir in Deutschland kaum an Spotify vorbei. Im Vergleich der Streaminganbieter liegt Spotify mit rund 37 Prozent Marktanteil ganz vorne, es folgen Amazon Music (21 Prozent) und Youtube (12 Prozent), die Künstler ebenso schlecht wie Spotify bezahlen. Die Streamingdienste, die deutlich mehr an Künstler ausschütten liegen abgeschlagen im einstelligen Prozentbereich. Dazu gehören Tidal oder Qobuz.
Labels und Künstler erwarten von uns, dass wir Spotify als Streaminganbieter pushen, da dort die meisten ihrer Hörer sind. Sinnvoller wäre allerdings, auf andere Streamer zu setzen, doch deren Nutzerzahlen in Deutschland sind teilweise noch so klein, dass sie am Ende – trotz signifikant höherer Ausschüttungen – weniger Einnahmen erwirtschaften. Dennoch lohnt sich ein Umdenken und auch ein Wechsel. Mit Anbietern wie Tunemymusic ist ein Umziehen der gesamten Musiksammlung einschließlich aller Playlisten gar kein Problem.
Nach groben Schätzungen bekommen Musiker pro 1000 Streams folgende Summen ausgezahlt:
Streaming-Dienst | Einnahmen pro 1000 Streams |
---|---|
Qobuz | 37,84 € |
Napster | 17,48 € |
Tidal | 11,50 € |
Apple Music | 6,76 € |
Deezer | 6,22 € |
Google Play Music | 6,22 € |
Amazon Music | 3,70 € |
Spotify | 2,86 € |
Pandora | 1,22 € |
Soundcloud | 1,20 € |
YouTube | 0,63 € |
Es ist nahezu unmöglich, die genauen Einnahmen aus Streaming genau zu berechnen, da eine Vielzahl von Variablen den Verdienst beeinflussen. Die Vergütung pro Stream variiert nicht nur zwischen den Plattformen, sondern hängt auch von Faktoren wie dem Land des Hörers, dem Abonnementmodell (kostenlos oder kostenpflichtig) und den individuellen Lizenzvereinbarungen der Künstler ab.
Zusätzlich spielen Wechselkurse und unterschiedliche Preisgestaltungen in verschiedenen Regionen eine Rolle. Dadurch wird jede Schätzung zu einer komplexen Rechnung, die auf Durchschnittswerten basiert.
Labels verdienen gutes Geld über Masse und Backkatalog
Während Dienste wie Napster vergleichsweise hohe Beträge pro Stream zahlen, liegen Plattformen wie Soundcloud am unteren Ende der Skala. Ein pauschaler „pay-per-stream“-Betrag existiert daher nicht. Da große Labels nur über die gesamte Menge der Streams ihres Katalogs Umsatz generieren, betrifft sie das Problem viel weniger als einzelne Künstler, die nur ein paar Krümel vom Kuchen abbekommen.
Aus diesem Grund haben die großen Labels also gar kein Interesse an einer Revolution und sich längst mit den großen Anbietern arrangiert. Wer mit seinem Backkatalog derart viel Geld verdient, kann keine neuen Einnahmequellen für den Nachwuchs erschließen. Die meisten Musiker*innen, die heute noch sehr viel Geld verdienen jenseits des Mainstreams, sind so wie Björk (59) noch im CD-Zeitalter groß geworden, wo sie an jeder verkauften Platte gut verdienen und sich künstlerisch unabhängig von den großen Plattenfirmen machen konnten. Diese Zeiten sind lange vorbei. Und deshalb sind außergewöhnliche Karrieren wie die von Björk heute und künftig de facto gar nicht mehr denkbar.
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