Nach der Trennung ihrer Band Sugarcubes veröffentlichte die Isländerin Björk ihr erstes Solo-Album mit dem passenden, aber dennoch falschen Namen, denn ihr Debüt gab dieses musikalische Genie bereits mit zarten elf Jahren im Jahr 1977.
Als 1993 dieses isländische Wunderwesen die Herzen der Musikwelt im Sturm eroberte, war eigentlich bereits klar, dass Björk Guðmundsdóttir in keine Kategorie passt: Ein exzentrischer Gesang legte sich hier über synthetische Beats und versöhnte in den Melodien Indiefans mit Verfechtern der elektronischen Musik – dazu benötigt das Multitalent Björk nicht einmal Gewalt, wie die Single „Violently Happy“ spielerisch schön beweist. (Fun Fact am Rande: Im verrückten Clip von Fotograf und Regisseur Jean-Baptiste Mondino spielt „Walking Dead“-Star Norman Reedus einen der eingesperrten „Irren“).
Die erste Single-Auskopplung aus dem Album war jedoch „Human Behaviour“, ein Art-Pop-Song, der trotz düsterem und dramatisch fortschreitenden Drums einen eingängigen Sog entwickelt. Auch für diesen Clip konnte mit Michel Gondry („Science Of Sleep“, „Abgedreht“) ein berühmter Regisseur gewonnen werden, der den Song über menschliches Verhalten aus der Perspektive von Tieren mit Hilfe von Papier-mâché-Technik in einen charmanten wie nerdigen Clip verwandelte und in dessen Verlauf Björk im Magen eines „Bären“ landet.
Wie vielfältig dieses Debüt ist zeigt, dass Björks Leidenschaft fürs Theatralische und Musicalhafte bereits aufblitzt wie im zarten Liebeslied „Like Someone In Love“, das so klingt als würde eine leicht beschwipste Marilyn Monroe durch eine verlassene Filmkulisse torkeln. Anrührend und zugleich doch radiopoptauglich ist schließlich die Ballade „Venus As A Boy“, in der mit dem indischen Instrument Tabla die Percussions zart und geheimnisvoll vorangetrieben werden. Als unschuldig oder brav sollte dieser romantisch anmutende Track allerdings nicht missverstanden werden, schließlich lauten die ersten Zeilen: „His Wicked Sense Of Humor Suggests Exciting Sex!“.
Für die Aufnahmen ihres ersten Solowerks zog Björk von Reykjavik nach London, wo sie die damals sehr lebendige Club-Kultur aufsog und den DJ und Produzenten Nellee Hooper kennenlernte, der mit Massive Attack und Soul II Soul arbeitete. Hooper verpasste dann auch „Debut“ den letzten raffinierten Schliff und typischen Björk-Sound aus exaltiertem Gesang, ungewöhnlicher Instrumentierung, elektronischer Kühle und kratziger Indie-Attitüde: 1993 war das nichts weniger als eine Sensation und bleibt bis heute sensationell innovativ.
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ACT DES MONATS