Jahrgang 2001: Die neue düster-dramatische Pop-Prinzessin Billie Eilish veröffentlicht ihr lang ersehntes Debüt-Album, denn bereits mit 15 Jahren machte sie mit ihren Teenangst-Trotzpop ziemlich Furore.
Die neue Hoffnung des Pops, ach was, die neue Queen des Pops: Mit Superlativen überhäuft, sieht die derart Gepriesene den Lobeshymnen gelassen bis gelangweilt entgegen. Billie Eilish inszeniert sich als altkluge abgeklärte Alternative („Dude. Wir sterben alle„) zu generischen Pop-Sternchen und kokettiert mit ihrer neuen zugewiesenen Rolle als Königin des Pop-Zirkus’, indem sie in der ersten Single ihres nun erschienenen Debüt-Album „When We All Fall Asleep, Where Do We Go?“ einwirft: „You Should See Me In A Crown“.
Mit Trap- und Hip-Hop-Einflüssen kommt dieser von der BBC-Sherlock-Folge „The Reichenball Falls“ inspirierten Song daher: Darin sagt Bösewicht Moriarty „…honey, you should see me in a crown“. Genauso hypnotisch wicked ist auch Eilish in diesem synthiegetränkten Lied und im Clip dazu krabbeln diverse Vogelspinnen auf ihrer Krone, ihrem Gesicht herum. Schließlich öffnet sie in typischem Teenagertrotzmodus ihren Mund, doch statt eines provokanten Gähnens krabbelt eine dieser Vogelspinnen heraus.
Teenangst, Selbstmordgedanken, Weltschmerz, Melancholie: Das sind die Themen der Billie Eilish Pirate Baird O’Connell, die trotz Hype um sie herum authentisch zu sein scheint. Den oft reduzierten scary sad Songs, die sie alle selbst oder zusammen mit ihrem Bruder schrieb, nimmt man all das ab. Das Album geht indessen ziemlich furios mit „Bad Guy“ los, eine unglaublich perlende Pophymne mit catchy Melody, die aus Lollipops zu bestehen scheint und in ein fast droniges Ende mündet.
Das folgende „Xanny“ spielt auf einer jazzy Pianolinie, darüber liegen düstere Synths und Eilishs Stimme wandert innerhalb des Songs von lieblich zu furchteinflößend – ein Song, der zugleich Soundtrack zu Liebesfilm oder Horrorstreifen sein könnte und eigentlich die Stimmung des Albums perfekt einfängt. Eilish packt derart viel Freude, Leid und Leidenschaft in ihr Debüt, dass es schwer fällt, sich diesem kreativen Feuerwerk zu entziehen.
Denn trotz Eilishs wagemutigem Genremix aus Electro, Hip-Hop, Pop und R&B wirken ihre Lieder eben niemals beliebig: Mit Streaming aufgewachsen verschmilzt sie Vorbilder wie Lana Del Rey oder Tyler, The Creator in eine eigene Soundsprache und weckt damit interessanterweise wieder das Interesse am guten alten Album-Konzept. Bei Apple Music wurde ihr Debüt über 800.000 Mal vorbestellt, ein neuer Rekord und ein erstaunliches Interesse an einem Album für User, die bislang meist nur einzelne Tracks vormerkten.
Erwachsene blicken jedoch skeptisch auf die Auftritte Eilishs und raunen etwas von „Kinderstars, die alle übel enden“ oder einem „Image, das die Plattenfirma kreierte“. Ein wenig erinnert das alles an die aktuellen Klimaschutzdemonstrationen von Schülerinnen und Schülern weltweit, deren Anliegen entweder als „Schuleschwänzen“ oder „Phase“ abgetan wird.
Dabei ist es gar nicht so schwer, den einstigen Teenie in sich wieder zu finden und damit all die widerstreitenden Gefühle und Gequältheiten dieser Zeit. Die Musik Eilishs hilft dabei auf jeden Fall – es sei denn, man hatte mit 15 Jahren ein Helmut-Kohl-Plakat über dem Bett. Aber das ist eine andere traurige Teenie-Geschichte.
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