Zwischen Jazz, Hip-Hop und Soul erzählen Modha in beeindruckenden Kollaborationen von den Auswirkungen mentaler Belastungen auf uns und unser Umfeld. Trotzdem ist „Through The Cycle“ ein wundervoll lebensbejahendes, vielseitiges Album.
“We drive along the motorway at night /
Sleeping through the wake to survive /
What’s left of our lives”
– Modha ft. Candice Nembhard – “Call It Luck”
Jede*r siebte volljährige Deutsche erfüllt im Laufe seines Lebens mindestens einmal die diagnostischen Kriterien für eine Depression.[1] Bei Musiker*innen variieren internationale Studienergebnisse: Während eine Untersuchung aus 2019 ergab, dass 73% der selbstständigen Musiker*innen Angstzustände und Depression im Zusammenhang mit ihrer Arbeit erleben, ist nach übereinstimmenden Studien aus verschiedenen Teilen der Welt mindestens jede*r Zweite betroffen.[2] Und jetzt?
Muss man die systemischen Ursachen bekämpfen. Das Patriachat abschaffen zum Beispiel. Oder den Kapitalismus überwinden. Sign us up. Das Berliner Jazz/Hip-Hop/Soul Duo Modha hat einen niedrigschwelligen Weg gewählt und setzt mit ihrem Projekt „Through The Cycle“ auf die heilende Kraft des kreativen Schaffens.
Zwischen Musik, Poesie und Film eröffnen die beiden Musiker und Produzenten Dhanya Langer und Max Scholl einen Raum für Dialog. Aus intimen Gesprächen wuchs das Bewusstsein, dass viele Menschen in ihrem Umfeld mit psychologischen Belastungen konfrontiert sind. Auf ihrem 10 Song starken Debütalbum, lassen Modha ihre Freund*innen und musikalischen Wegbegleiter*innen zu Wort kommen. Mal in der Form eines ausgelassenen Instrumentals, hier mit eindrucksvollen Spoken-Word Passagen, dort als einfühlsamer Neo-R&B-Song.
Auf „Through The Cycle“, das auf die 2019er EP „Getting By“ folgt, verbinden Modha Einflüsse aus Berlins reichhaltiger Jazz- und Hip-Hop-Szene mit R&B aus den Staaten und UK-Soul. Garniert werden die stilvollen Produktionen von ausgezeichneten Gastvokalist*innen, der Poetin Candice Nembhard, dem R&B-Maestro Phabo aus L.A., dem in Berlin beheimateten Songwriter Noah Slee, oder dem britischen Soul-Sänger Jermaine Peterson.
ACT DES MONATS
„Through The Cycle“ greift die unterschiedlichsten Einflussfaktoren und Stressoren auf – und durchläuft die Phasen, die Betroffene erleben. Resignation und Schlaflosigkeit zum Beispiel, wie im eingangs gewählten Zitat. Oder ganz konkrete Ängste, die Noah Slee in „Animosity“ zum Ausdruck bringt:
“What if you can’t afford therapy / What if these walls keep caving in /
What if my path was compromised / Cos I’m digging up my past”
Doch trotz all der inhaltlichen Schwere überrascht „Through The Cycle“ mit einer warmen, positiven Grundstimmung. Als würden Modha sagen wollen: Wir sehen deinen Schmerz, deine Ängste, aber es gibt eine andere Welt da draußen, die wunderschön ist und die auf dich wartet. Es gibt Menschen, die dir helfen können, dich durch die Komplexitäten des Lebens zu navigieren. Das Tal liegt hinter dir, jetzt geht es bergauf. Oder wie Jermaine Peterson in „Growth“ singt:
„All there is left for me to do is grow.“
Das Album wird begleitet von einem beeindruckenden Kurzfilm des Regisseurs Nils Hansen. Gedreht in Berlin, webt der Film das Narrativ der Songs durch pointierte Kurzgeschichten und Live-Performances, mit dem Ziel das Stigma psychischer Belastungen zu dekonstruieren.
[1] Robert Koch Institut (2021): Psychische Gesundheit in Deutschland
[2] Gloria Gogröf (2022): Psychische Belastungen bei selbständigen Musikschaffenden – ein Überblick und Präventionsansatz