Vor 20 Jahren öffnete das Berghain unter Jubel seine Türen. Wir erklären, warum das Berghain wirklich der beste Club der Welt ist – und warum die Türsteher nicht jeden reinlassen.
Das Berghain wurde während der Corona-Auszeit 2020 zur Kunsthalle umfunktioniert und selbst zum Ausstellungsstück.(Foto: Tonspion)
Das Berghain ist seit seiner Eröffnung im Dezember 2004 eine Ikone im Berliner Nachtleben und weltweit berühmt und berüchtigt. Das kommt nicht von ungefähr. Bereits der Vorgänger Ostgut wurde zwischen 1998 und 2003 zur Ikone, musste dann aber der heutigen Mercedes-Benz-Arena weichen. Das erfolgreiche Konzept des Ostgut wurde im Berghain konsequent weiter entwickelt. Heute ist der Club populärer als je zuvor.
Dass der Club heute von jedem Reiseführer als Touristen-Highlight angepriesen wird, man am Wochenende inzwischen 2 bis 4 Stunden anstehen muss und die Hälfte der Leute trotzdem abgewiesen werden muss, ist nicht die Schuld des Clubs, sondern einfach nicht mehr anders machbar. Der Ansturm ist schlicht zu groß und der Club jedes Wochenende gut gefüllt. Früher kam übrigens noch jeder rein, der sich nicht total daneben benahm und alt genug war.
Die Geschichte des Berghain
Die Geschichte des Berghain beginnt mit der schwulen Sexparty Snax, die zunächst in einem Nazi-Bunker aus dem 2. Weltkrieg in Berlin-Mitte gefeiert wurde. Wo sich früher Menschen vor Bomben verstecken mussten, feierte in den 90er Jahren die Fetischszene der Stadt zu harter Techno-Musik und hartem Sex. Der Legende nach war die Luft im Bunker so heiß und stickig, dass der Schweiß wie Regen von der Decke tropfte.
Die zunächst illegale Veranstaltung wanderte 1998 in ein verlassenes Bahngebäude neben dem Ostbahnhof, wo neben dem „men only“-Sexclub Lab.oratory der Club Ostgut, sowie die kleinere Panoramabar im 1. Stock entstand. Der Club öffnete sich allen, die zu düsterem Techno und House feiern wollten, blieb aber in erster Linie ein Ort für queere Menschen. Zu Beginn hostete der Club auch Dragshows und Livemusik, u.a. gehörten 2raumwohnung zu den gern gesehenen Stammgästen im Ostgut. Lange Schlangen gab es damals nur zu Silvester und auch die Türsteher, teilweise dieselben wie heute, waren freundlich-zugewandt. Abgewiesen wurde nur, wer sich ganz offensichtlich an der Tür geirrt hatte oder schon zu besoffen oder breit ankam.
Schon damals entwickelte sich das Ostgut schnell zum Geheimtipp und wurde in Berlin als Nachfolger des Tresors als bester Club der Stadt gehandelt.
2003 kam dann das Aus des Ostgut: der Club wurde abgerissen und ein amerikanischer Immobilieninvestor baute die heutige Uber Arena auf den Ruinen des Clubs. Lange gab es Gerüchte, dass der Club an anderer Stelle neu eröffnen werden sollte und am 18. Dezember 2004 war es dann endlich so weit: Unter Applaus der früheren Stammgäste öffnete die heute legendäre Tür des Berghain erstmals in einem ehemaligen Heizkraftwerk. Und zur Überraschung aller, lebte der Spirit des Ostgut und der alten Panoramabar am neuen Standort sofort wieder auf, nur alles zwei Nummern größer – und noch besser.
Die neue Panoramabar sah genauso aus wie die alte und das Berghain hatte nun Decken so hoch wie die einer Kathedrale. Und seitdem pilgern Woche für Woche Gläubige aus aller Welt in den Technotempel und feiern ausgelassen nicht selten bis in den Montag hinein.
Schnell konnte sich das Berghain einen Ruf als bester Club der Welt aufbauen und das hat viele Gründe.
10 Gründe, die das Berghain zum besten Club der Welt machen
- Die Musik
Was sollte bei einem Club an erster Stelle stehen? Richtig: die Musik. Das Berghain pfeift bei seinem Booking auf große, etablierte Namen und setzte von Beginn an konsequent auf einen eigenen Stamm von Resident DJs und Freunde des Hauses, um seinen eigenen Sound zu entwickeln. Viele dieser DJs sind inzwischen international gefragt und veröffentlichen auf Ostgut Ton, dem hauseigenen Label. Einige der Residents sind auch verantwortlich für das DJ-Booking und holen jedes Wochenende die weltbesten DJs nach Berlin, die international noch niemand auf dem Zettel hat. Während das Berghain strikt hartem Techno vorbehalten ist, zeigt sich die Panoramabar musikalisch vielfältig und bunt. Vor allem die Closings am Montagmorgen sind legendär, dann ist wirklich alles erlaubt.
▶︎ Playlist: The sound of Berghain – 10 DJ Sets von Resident DJs
- Der Sound
Eine riesige Industrieruine wie das Berghain ordentlich zu beschallen ist eine Herausforderung. Mit seinem mächtigen Funktion One Soundsystem hüllt das Berghain seine Besucher in Sound und ist doch an keiner Stelle des Clubs unangenehm laut, selbst wenn man direkt vor den haushohen Boxen steht. Wer den Bass mitten auf der Tanzfläche nicht ganz tief in der Magengrube fühlt, dem ist auch nicht mehr zu helfen. Wer Techno verstehen will, muss diese Erfahrung selbst gemacht haben. Der Sound in der Techno-Kathedrale hat schon manchen Skeptiker für immer zu Techno bekehrt.
- Das Gebäude
Mit dem Abriss des Berghain Vorläufers Ostgut im Jahr 2004, an dessen Stelle jetzt die Mercedes-Benz-Arena Helene Fischer-Fans begrüßt, schienen die Tage des damals schon besten Berliner Technoclubs bereits gezählt. Doch der Umzug erwies sich nach zwei Jahren Zwangspause als großer Glücksfall. Die neue Heimat des Berghain – der Name setzt sich aus den Stadtteilen KreuzBERG und FriedrichsHAIN zusammen – in einem ehemaligen Heizkraftwerk ist inzwischen zu einer Ikone geworden. Neben dem Berghain gibt es die Floors Panorama Bar, Kantine, Laboratory, Garten und Säule. Die Halle beherbergt Ausstellungen und Performances und wird zu Neujahr zur riesigen Chillout-Area und bei den Snax-Parties zum geheimnisvollen Sex-Labyrinth. Und im Biergarten Rüdersdorfer Bierhof können alle Berliner im Sommer entspannt bei Burger und Bier in der Sonne chillen oder Fußball-WM gucken, selbst wenn man sich gar nicht für Techno interessiert. Das Berghain ist längst einer der wichtigsten Kulturorte der Haupstadt geworden und ein Touristenmagnet.
▶︎ Die 10 besten Clubs in Berlin
- Die Location
Das Berghain steht auf einer der seltenen Industrieflächen mitten in Ost-Berlin. Fußläufig vom Berliner Ostbahnhof und doch gut versteckt vor lärmempfindlichen Anwohnern oder überfüllten Touristenmeilen ist das Berghain perfekt gelegen. So bleibt es auch in Zukunft geschützt vor Klagen oder Immobilienhaien, zumal die Betreiber das denkmalgeschützte Gebäude gekauft haben.
- Das Licht
Das Berghain legt nicht nur viel Wert auf Sound, sondern auch auf Licht, auch wenn das weniger offensichtlich ist. Weniger ist mehr, ist ganz klar die Devise im Berghain. Statt spektakulärerer Effekte und LED-Spektakel beschränkt man sich im Berghain ganz bewusst auf schummrig-pulsierendes Licht und viel Nebel, gerade hell genug, um seine Mittänzer direkt neben sich sehen zu können, aber nicht zu viel Aufmerksamkeit darauf zu richten, was in den Ecken und untenrum so alles passiert. Auch Stars wie Björk feiern deshalb gerne ganz privat im Berghain, weil sie sich dort völlig frei bewegen können und nur selten erkannt werden. Und natürlich weil im ganzen Club ein absolutes Fotoverbot gilt, das auch strikt kontrolliert wird. - Bar und Garderobe
Hat man einmal die notorisch ruppige Tür im Berghain passiert, staunt man nicht schlecht über die Freundlichkeit und Aufmerksamkeit des Personals. Nirgendwo bekommt man schneller sein Getränk serviert, weil auch das Barpersonal bis ins letzte Detail geschult ist. Davon könnte sich so mancher Club etwas abschneiden. Das Berghain ist organisiert wie eine Maschine, ein Rädchen greift ins andere. Wer etwas im Eifer des Gefechts verloren hat, kann es am nächsten Tag am „Lost and found“-Schalter des Berghain abholen.
- Sex
Das Berghain entstand aus einer schwulen Sex- und Fetischparty. Und der Darkroom Laboratory im Erdgeschoss des Hauses ist nach wie vor das Fundament des Berghain und sorgt dafür, dass das Feiern im Berghain nicht nur laut und extatisch, sondern auch heiß wird. Inzwischen wissen auch Heteros die freizügige „anything goes“-Athmosphäre zu würdigen und geben ihre Hemmungen einfach an der Garderobe ab. Und das sprichwörtlich: einfach blank zu ziehen ist gar kein Problem im Berghain und ganz normal. Einmal im Jahr zu Neujahr ist auch „das Lab“ für alle geöffnet und auch Frauen können sich im Darkroom austoben.
- Konsistenz
Seit dem Ostgut, hat sich das bewährte Konzept kaum verändert: Musik, freie Liebe, no perfume! Diese besondere Mischung zieht sich konsequent durch die Geschichte des Berghain. Veränderungen finden eher evolutionär und langsam statt. Das gilt zum Glück auch für die Preise, die im Club trotz des enormen personellen Aufwands (und fairer Löhne) immer noch im Rahmen sind. Mit der Presse spricht das Berghain nach wie vor grundsätzlich nicht, selbst wenn sich immer wieder wildeste Gerüchte um den Club ranken. Die einzige Art und Weise wie das Berghain nach außen kommuniziert, ist der Club selbst und die Musik. Teile des Clubs können auch für Veranstaltungen gemietet werden, was manchmal auch zu Missverständnissen führt, wenn etwa Lady Gaga ihre Albumpremiere angeblich im Berghain feiert oder ein Modelabel bei einer Modenschau die Corona-Auflagen missachtet. Ein besonderer Gewinn für die Berliner Musikszene ist die Berghain Kantine, die auch kleineren und unbekannteren Künstlern eine Bühne bietet. - Die Türsteher
Es ist die verhassteste Tür der Republik und doch wäre das Berghain nichts ohne seine Türsteher. Denn die müssen jedes Wochenende mindestens die Hälfte der anreisenden Techno-Fans abweisen, es wäre sonst schlicht überfüllt mit besoffenen englischen Touristen beim Junggesellenabschied. Trotzdem schaffen sie es meistens, dass im Laden eine friedliche, feierwütige und tolerante Gemeinde eine gute Zeit haben kann, ohne Angst vor Aggression oder Homophobie. Und das konsequente Fotoverbot im Club ist eine echte Wohltat. Der gefürchtete Chef-Türsteher Sven Marquardt ist dabei derjenige, der dafür sorgt, dass die Mischung der Leute stimmt, sodass sich drinnen alle wohl und frei fühlen können. Wer abgewiesen wird, sollte sich nichts daraus machen und es ein anderes mal versuchen. Deshalb sagen die Türsteher auch meistens nur knapp „heute nicht“. - Das Publikum
Natürlich beschweren sich Berliner gerne und häufig darüber, dass sich die Touristen über „ihre“ Stadt hermachen und früher alles besser war. Tatsächlich aber machen die Gäste aus aller Welt das Berghain erst interessant. Ob Techno-Kids, Anzugträger, Muskelmänner, Punks, Hippies oder ganz nackt: es gibt entgegen aller Gerüchte keinen Dresscode im Berghain. Herkunft, Geschlecht oder sexuelle Ausrichtung spielen im Berghain absolut keine Rolle, jeder wird gleich behandelt, sofern er die Tür überzeugen konnte, dass er zum Feiern und nicht nur zum Gaffen kommt. Wo kann man das heute sonst schon behaupten? Leider sorgen die diversen Online-Foren und Telegram-Gruppen dafür dass heute fast alle in schwarz gekleidet sind, obwohl es im Berghain gar keinen Dresscode gibt.
Auch wenn es inzwischen für viele Berliner zu mühsam und anstrengend geworden ist, am Wochenende stundenlang in der Berghain-Schlange gemeinsam mit Touristen aus aller Welt zu stehen: der Ruf des besten Clubs der Welt ist gut begründet. Und was so gut ist, ist natürlich auch sehr populär und leider immer latent überfüllt. Das Berghain hat aber durch seine wegweisende Arbeit viele neue Clubs in Berlin inspiriert, in denen man sich heute die langen Nächte um die Ohren schlagen kann. Und das ist vielleicht sein größter Verdienst.