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Stereophonics – Make ‘em Laugh, Make ‘em Cry, Make ‘em Wait (Album 2025)

Mit ihrem 13. Studioalbum legen die Stereophonics eine pointierte Sammlung vor, die in gerade einmal acht Songs ein erstaunlich breites Spektrum britischer Rockmusik der letzten Jahrzehnte abbildet.

Make ‘em Laugh, Make ‘em Cry, Make ‘em Wait ist kein nostalgisches Erinnerungsstück, sondern ein lebendiges, dynamisches Werk, das sich bewusst kurz hält – aber kaum Wünsche offenlässt.

Vom Pub-Rock zur poetischen Reife

Die walisische Band um Sänger Kelly Jones hat in über drei Dekaden zahlreiche Phasen durchlaufen – von rotzigem Pub-Rock bis zu ausproduzierten Hymnen für große Festivalbühnen. Das neue Album knüpft stilistisch an die frühe Direktheit der Band an, öffnet sich aber zugleich für feinere, nachdenklichere Töne.

In „Make It On Your Own“ etwa treffen dramatische Streicher auf verzerrte Gitarren in einem Song über Selbstbehauptung und Neuanfang. Die kraftvolle Stimme von Jones, inzwischen rauer und markanter als je zuvor, trägt diesen Opener ebenso wie die ruhigeren Balladen.

Zwischen Britpop, Folk und Americana

Musikalisch pendeln die Stereophonics zwischen eingängigem Britpop, klassischem Singer/Songwriter-Folk und Americana-Einflüssen. Songs wie „Mary Is A Singer“ erinnern mit ihrer Slide-Gitarre und Mundharmonika an amerikanische Roots-Ikonen wie Tom Petty, während „Seems Like You Don’t Know Me“ mit Synthesizerflächen und Drumcomputer-Pattern an den 80er-Sound von Don Henley anknüpft. Trotz der unterschiedlichen Stile bleibt das Album in sich geschlossen, nicht zuletzt dank des gewohnt soliden Songwritings.

Die Themen: Verlust, Sehnsucht, Erlösung

Inhaltlich geht es häufig um die Rolle von Musik als Trostspender und Lebensanker. Der Track „Backroom Boys“ entwirft das Bild einer imaginären Rock’n’Roll-Band, deren Spiel zur existenziellen Erfahrung wird. Eine dunkle Note zieht sich unterschwellig durch das ganze Album: Der Tod des ehemaligen Bandmitglieds Stuart Cable, der vor 15 Jahren an seinem Erbrochenen erstickte, hinterlässt auch in der heutigen Banddynamik Spuren.

Kürze als Stärke

Mit einer Laufzeit von knapp 31 Minuten ist Make ‘em Laugh, Make ‘em Cry, Make ‘em Wait das kürzeste Studioalbum der Bandgeschichte – und vielleicht gerade deshalb so wirkungsvoll. Jeder Song erfüllt eine Funktion, jeder Moment scheint bewusst gewählt. Es gibt keine überflüssigen Passagen, keine Füller.

Ein visuelles Statement

Das auffällige Albumcover mit rosafarbener Krakel-Schrift auf einem hellen Hintergrund verweist auf ein Gemälde der französisch-amerikanischen Künstlerin Louise Bourgeois. Kelly Jones ließ sich von der Ausstellung emotional berühren – ein Statement, das sich auch musikalisch in der Offenheit und Verletzlichkeit einiger Songs widerspiegelt. Der ungewöhnliche Farbton kontrastiert bewusst mit der oft rauen Klangwelt des Albums und verleiht dem Gesamtwerk eine fast zarte Note.

Rückblick mit Haltung

Die Stereophonics stehen 2025 nicht im grellen Scheinwerferlicht wie einst, doch sie brauchen das auch nicht. Während andere Bands ihrer Generation große Live-Comebacks feiern und die Vergangenheit zelebrieren – Oasis mit Welttournee, Pulp mit neuem Album – legen sie einfach ein weiteres solides, stimmiges Werk vor. Es ist ein Album für Menschen, die mit dieser Musik aufgewachsen sind, aber auch für jene, die zwischen Streaming-Algorithmen nach echter Handschrift suchen. Make ‘em Laugh, Make ‘em Cry, Make ‘em Wait erfüllt sein Versprechen: Es bringt zum Lächeln, berührt und überrascht – ganz ohne Eile.

Stereophonics – Die Biografie einer britischen Rockinstitution

Die Stereophonics zählen zu den konstantesten britischen Rockbands der letzten drei Jahrzehnte. Gegründet im walisischen Cwmaman, zeichnet sich ihre Karriere durch große Stadionhymnen, persönliche Krisen und eine bemerkenswerte musikalische Wandlungsfähigkeit aus. Im Zentrum steht Sänger und Gitarrist Kelly Jones, dessen unverwechselbare Stimme und klare Handschrift als Songwriter der Band eine markante Identität geben. Die folgende Biografie erzählt die Geschichte der Band entlang ihrer Alben – mit Blick auf Entwicklung, Sound und Wendepunkte.

Word Gets Around (1997)

Mit ihrem Debüt gelang Stereophonics ein sofortiger Achtungserfolg. Word Gets Around ist ein raues, ehrliches Album über das Leben in einer walisischen Kleinstadt. Songs wie „A Thousand Trees“ oder „Local Boy in the Photograph“ erzählen in detailreichen Miniaturen von Jugend, Gerüchten und Schicksalen – ohne Pathos, aber mit Empathie. Der Sound ist gitarrenlastig, britisch, in der Tradition von Bands wie The Jam oder Oasis.

Besetzung damals: Kelly Jones (Gesang, Gitarre), Richard Jones (Bass, nicht verwandt), Stuart Cable (Schlagzeug).

Performance and Cocktails (1999)

Zwei Jahre später gelang der kommerzielle Durchbruch. Performance and Cocktails enthält einige der bekanntesten Songs der Band, etwa „The Bartender and the Thief“ oder „Just Looking“. Die Musik wurde ausgefeilter, der Sound größer. Stereophonics entwickelten sich vom Working-Class-Geheimtipp zur etablierten Rockband, füllten große Hallen und waren regelmäßig in den britischen Charts vertreten.

Just Enough Education to Perform (2001)

Mit diesem Album festigten Stereophonics ihren Status. Der Hit „Have a Nice Day“ wurde zur Hymne – obwohl Kelly Jones ihn eigentlich als ironischen Kommentar auf amerikanische Oberflächlichkeit verstand. Der Stil wurde weicher, melodischer, radiotauglicher. Kritisch beäugt von der britischen Musikpresse, aber millionenfach verkauft.

You Gotta Go There to Come Back (2003)

Ein emotionaleres, bluesigeres Werk mit mehr Raum für Experimente. Die Band verarbeitete Einflüsse von Soul, Blues und Garage Rock. Das Album enthält den Song „Maybe Tomorrow“, einer ihrer größten Hits, später auch in mehreren Filmen verwendet. Im selben Jahr stieg die Band auf dem Höhepunkt ihres Erfolgs auf große Welttour.

Language. Sex. Violence. Other? (2005)

Ein Stilbruch: härter, direkter, aggressiver. Der Wechsel wurde auch durch den internen Umbruch geprägt – Gründungsmitglied Stuart Cable war zuvor wegen persönlicher und musikalischer Differenzen entlassen worden. Er starb 2010 tragisch im Alter von 40 Jahren. Auf diesem Album spielte Javier Weyler Schlagzeug. „Dakota“, der Opener, wurde der erste Nummer-1-Hit der Band in Großbritannien.

Pull the Pin (2007)

Ein eher experimentelles Album, das dennoch auf Platz 1 der UK-Charts landete. Songs wie „It Means Nothing“ zeigten eine melancholische, fast politische Seite der Band. Trotz Erfolg in Großbritannien verlor die Band international etwas an Präsenz.

Keep Calm and Carry On (2009)

Dieses Album wurde weniger euphorisch aufgenommen. Kritiker bemängelten eine gewisse Gleichförmigkeit und fehlenden Biss. Dennoch zeigte Kelly Jones als Produzent Mut zur Selbstkontrolle. Die Band agierte zunehmend als gefestigtes, routiniertes Kollektiv.

Graffiti on the Train (2013)

Ein Neuanfang. Die Band gründete ihr eigenes Label Stylus Records und veröffentlichte ein thematisch zusammenhängendes Album mit cineastischem Anspruch. Graffiti on the Train ist üppiger arrangiert, mit orchestralen Elementen und erzählerischer Tiefe. Es markierte einen künstlerischen Wendepunkt.

Keep the Village Alive (2015)

Inhaltlich als Fortsetzung zu Graffiti on the Train gedacht, bietet das Album hymnische Songs wie „C’est la Vie“ oder „I Wanna Get Lost With You“. Die Band klang wieder selbstbewusster und energetischer – ein Signal, dass sie auch nach fast zwei Jahrzehnten noch Neues zu sagen hatten.

Scream Above the Sounds (2017)

Dieses Werk orientierte sich stärker am Mainstream-Pop. Elektronische Einflüsse, breitere Arrangements, aber auch solide Rocksongs bestimmten das Bild. Kritisch wurde das Album zwiespältig aufgenommen – zu glatt für einige Fans, zu unentschlossen für andere. Dennoch bestätigte sich die Loyalität ihrer Hörerschaft.

Kind (2019)

Eine Rückkehr zur Akustik. Intimer, sparsamer instrumentiert und mit introspektiven Texten. Kind entstand in nur elf Tagen und zeigt eine verletzlichere Seite von Kelly Jones, der sich nach der Erkrankung seiner Tochter aus dem Rampenlicht zurückgezogen hatte. Der Sound erinnert stellenweise an Americana und Folk der 1970er.

Oochya! (2022)

Ein bewusst abwechslungsreiches, teils überladenes Album. Mit 15 Songs über eine Laufzeit von über einer Stunde ist Oochya! das ambitionierteste Album der Band seit langem. Stilistisch reicht es von Rock über Pop bis hin zu klassischen Balladen. Es war eine Art Rückschau auf das bisherige Werk – mit Augenzwinkern und Stadionformat.

Make ‚em Laugh, Make ‚em Cry, Make ‚em Wait (2025)

Das bislang kompakteste Album der Band mit gerade einmal acht Songs in unter 31 Minuten. Hier beweisen die Stereophonics ihre Klasse durch Reduktion. Jeder Song sitzt, keine Sekunde ist überflüssig. Kelly Jones und seine Mitstreiter mischen Americana, Britpop und Folk zu einem reifen Spätwerk, das in seiner thematischen Dichte und musikalischen Klarheit überzeugt. Es geht um Verlust, Liebe, Musik als Rettung – und die bittersüße Nostalgie eines langen Weges.


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