Unser Hausmittel gegen kalte und dunkle Wochenstarts – die Miserable Monday Playlist heute unter anderem mit Musik von Wir sind Helden, Gisbert zu Knyphausen und Men I Trust. Zusammengestellt von der Band Reiche Söhne.
“Odeur” heißt die aktuelle EP der Band Reiche Söhne, die am 29.01. erschienen ist. Der Pressetext begründet den Namen der Platte mit den Worten: „Weil reiche Menschen oft auch gut riechen …“. Ah ja. Reich ist das Trio aus Halle an der Saale um die Zwillingsbrüder Jonas & Marius Dahmen, sowie „Rhythmusboy“ Stijn Scheper vor allem an clever- (selbst)ironischen Texten, einem unfassbar guten Stil und einem Sound, der das nerdige Indieherz um mindestens eine Oktave höherschlagen lässt.
Irgendwo zwischen The Hives, Franz Ferdinand, Kraftklub und den Ärzten bespielt die Band seit 2018 mittelgroße Clubbühnen und Festivals und hat sich damit eine beachtliche Fangemeinde aufgebaut. Ihre Songs liefen in bekannten Radiostationen wie MDR SPUTNIK, RADIO FRITZ, EGO FM, zahlreichen Hochschulradios und bei BBC Radio 6 Music.
Auf ihrem aktuellen zweiten Release befinden sich fünf „Dunftnoten“, die lyrisch vielseitig sind – so werden beispielsweise Postboten als die Überbringer langerwarteter Liebe besungen, die Nachteile von Tiny Häusern aufgezählt oder die geplante Obsoleszenz in einer Beziehung entdeckt. Insgesamt erscheint zu jedem der fünf Lieder ein Musikvideo, wobei drei als Liveperformance aus dem Studio veröffentlicht werden.
Die Platte ist ein kleines Hitfeuerwerk. Beim Hören verliert man sich in dem Gedanken, wie es wäre, wenn man jetzt in einem verschwitzten, schlecht gelüfteten Kellerclub zu den Songs durch die Nacht tanzen könnte. Gut wäre das. Richtig gut. Geht aber gerade nicht. Und darum wird das Wohnzimmer, die Küche oder eben der Ort, an dem man die fünf Songs gerade hört, zur eigenen kleinen Indiedisco.
DIE PLAYLIST
ACT DES MONATS
Wir sind Helden – Die Ballade von Wolfgang und Brigitte
Obwohl sich das Lied mittlerweile seit 2010 in meinem Mp3-Player und später dann auf meiner Spotify-Lieder-die-ich-immer-hören-kann-Playlist befindet, kann ich nicht genug davon bekommen. Judith Holofernes singt von einer komplizierten Kiste inklusive freier Liebe, mit Protagonist*innen die eher die Namen meiner Großeltern, als meiner Generation, tragen: Wolf(gang), Brigitte, Manfred und Irene. 80er und die Freie Liebe – ich bin 1994 geboren, hab also nichts damit zu tun. Und doch finde ich die Geschichte, die Judith Holofernes beschreibt so schön und tragisch, dass es mich nicht müde macht, sie zu hören. Auch wenn ich jedes Mal hoffe, dass Wolfgang vielleicht irgendwann merkt, dass Brigitte nichts für ihn übrig hat. Überleg dir das doch nochmal, in Zeiten von 1,50m Abstand ist Polyamorie sowieso nicht so angebracht. Es gibt noch so viele andere Lieder von Wir sind Helden oder Judith Holofernes, die ich hier gern platziert hätte. Da ich mich aber entscheiden muss, gibt’s den für euch.
Gisbert zu Knyphausen – Seltsames Licht
Gisbert zu Knyphausen ist Veranstalter des Heimspiel Festivals bei dem es kein Bier, sondern Wein als alkoholische Begleitung gibt. Das liegt vor allem daran, dass es auf dem Weingut seiner Eltern stattfindet. Wenn das nicht auch zu Reiche Söhne passt, dann weiß ich auch nicht weiter. Aber das ist nicht der Grund, warum dieses fantastische und traurige Lied auf dieser Playlist landet. Dennoch ist ein Wein beim Hören des Songs sicher etwas Gutes. Die Zeile „Sechs kleine Jungs, aufgereiht im dunklen Anzug und ihre Lieder klagten lautlos in der Nacht. Sie sangen: bitte, bitte bleib hier, so wie wir“ ist so verdammt traurig, dass es auf diese Liste gehört. Schon erstaunlich, dass ich ein Lied über Abschied, Trauer und Beerdigung so oft hören kann. Dieses Lied hat nebenbei bemerkt eine so schöne Gitarrenbegleitung, dass ich es gefühlt immer spiele, wenn ich eine Akustikgitarre in die Hand nehme. Hört euch alles von Herrn zu Knyphausen an.
Fortuna Ehrenfeld – Penn‘ könn‘
„Viel zu müde aber nicht penn‘ könn‘. Bisschen aggro aber nicht flenn‘ könn“. Wie oft habe ich dieses Lied und das dazugehörige Album „Hey Sexy“ schon besoffen auf dem Nachhauseweg gehört? Auch hier gibt’s einen Wein-Bezug. Moment mal, habe ich die Aufgabenstellung falsch verstanden. Waren das jetzt Lieder zum Wein oder zum Weinen? Sänger Martin Bechler trinkt den jedenfalls auf der Bühne auch immer. Das sollten wir bei uns auch mal einführen. Während ich das schreibe, merke ich, dass mir traurige Lieder häufig in Verbindung mit Alkohol begegnen. Beides hilft schließlich gut gegen den Alltagsschmerz (Trotzdem liebe Kinder, schmerzen nicht mit Alkohol wegtrinken, lieber diese Playlist hören). Es lohnt sich in jedem Fall einmal die Songtexte von Fortuna Ehrenfeld zu studieren.
Midlake – Roscoe
Ein Song von dem ich nicht mehr weiß wie er zu mir gekommen ist, aber er ist bis heute hängengeblieben. Hört euch das unbedingt mal auf Kopfhören an. Ich glaube, dass es besonders der Mix der Gitarren war, der das Lied so interessant gemacht hat. Auf den Songtext habe ich nie so richtig geachtet, aber es ist für mich auch mal gut, einfach nur auf die Musik zu hören. Und genau da hat „Roscoe“ was total Trauriges an sich. Ich habe mal in einem Interview zum Song gelesen, dass der Songtext einzig und allein aufgrund des ersten Wortes des Lieds geformt wurde – „Stonecutters“. Diese Art den Songschreibens haben wir neuerdings auch für uns entdeckt. War beispielsweise bei „iPhone 3G“ ähnlich. Zuerst stand die Zeile „In meinem BMW liegt immer noch dein Ladegerät“. Erst später kamen wir auf den Zweig, über geplante Obsoleszenz zu singen.
HAIM – Right Now
Die drei Schwestern, die zusammen als HAIM auftreten, habe ich tragischerweise erst vor kurzem entdeckt. (I know, shame on me!) Unser Videograph Marco Sensche hatte mir in Vorbereitung auf unseren Dreh für die Odeur Live-Sessions die Valentine Session von HAIM empfohlen. Auch die kann ich im Übrigen sehr empfehlen. Seitdem läuft HAIM und insbesondere der Song „Right Now“ in Dauerschleife.
Charlie Cunningham – Permanent Way
Nach einem Jahr wie es 2020 war und wie es zumindest zum Teil 2021 wird, fehlt es mir definitiv im Zug zu sitzen oder auf dem Weg zu Konzerten. Wenn es dann draußen regnet (sorry für den Kitsch) ist Charlie Cunningham das richtige für die Ohren. Hört euch dieses Lied an und erzählt mir bitte nicht, dass es nicht die Hymne schlecht hin, für solche verregneten Auto-/Zugfahren ist. Kurz vor C**** hatte ich die Chance zu einem Konzert von Charlie Cunningham zu fahren. Damals habe ich abgelehnt. Aber vielleicht ist dies auch die einzig gute Seite der Pandemie: Konzerte und Co wieder richtig schätzen zu lernen.
Olli Schulz und der Hund Marie – Weil die Zeitlich so beeilt
Wer Olli Schulz nur von seinem Podcast Fest und Flauschig oder noch von Circus Halli Galli kennt, der weiß vielleicht nicht, dass er auch ein grandioser Musiker ist. Der Song war der erste Track, den ich von Olli hörte. Die Zeile „Weil die Zeit sich so beeilt“ wurde übrigens auch von Thees Uhlmann im Tomte Lied „Voran, Voran“ besungen. Wenn das also kein Zeichen für einen guten Song ist. Lebenstraum: Einmal von Thees Uhlmann in einem Song zitiert werden.
Men I trust – Show Me How
Egal welchen Song man von Men I Trust hört, man verliebt sich jedes Mal in die Basslines und generell in die Produktion. Gerade als Bassist sind die Songs eine große Inspiration. In „Show me How“ gehts um diese eine Person von der man träumt und am Ende leider feststellen muss, dass man selber nur als guter Freund oder Freundin gesehen wird.
Tame Impala – Feels Like We Only go backwards
Tame Impala ist eine ziemlich besondere Band. Zunächst weil es erstmal keine klassische Band ist. Eigentlich steckt hinter Tame Impala die Person Kevin Parker. Der ist quasi Sänger, Gitarrist, Bassist, Drummer und Produzent in einem. Der Song war mein Einstieg in das Tame Impala Universum. Im Text geht es um diese blöde Situation, dass man denkt: „ich bin darüber hinweg“ doch dann trifft es einen wieder unerwartet. Somit scheint es, als ginge man die ganze Zeit nur rückwärts. Ist auf jeden Fall ein ziemlicher Herz-Schmerz Song. Deswegen unbedingt mal anhören.
Nothing but Thieves – Real Lovsong
Die britische Band Nothing but Thieves zeichnet sich durch die prägnante, hohe Stimme von Frontmann Conor Mason und dem trockenen, treibenden Sound aus. Im Lied Real Love Song geht es, wie der Songtitel auch schon suggeriert, um das Verlangen und die Sehnsucht nach der großen Liebe. Einem Liebesgeständnis in dieser Form kann niemand widerstehen. Unbedingt anhören!