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Wertschätzung für Musik: Nimmt die Zahlungsbereitschaft immer weiter ab?

Musik ist seit Jahrhunderten ein zentraler Bestandteil der Kultur. Sie begleitet uns in den schönsten und schwersten Momenten unseres Lebens, bietet Trost, Freude und Inspiration. Doch in den letzten Jahren und Jahrzehnten hat sich die Art und Weise, wie wir Musik konsumieren, dramatisch verändert.

Die grundlegendste Zäsur besteht im Verschwinden von physischen Tonträgern, die zuerst durch MP3s Mitte der Neunziger Jahre abgelöst wurden. Daraufhin erschienen Anfang der 2000er-Jahre die ersten Streaming-Plattformen, die den physischen Tonträgern den Todesstoß versetzten.

Dies führte dazu, dass die Hörer sich keine physischen Tonträger mehr kauften, sondern stattdessen auf Streaming und MP3s setzten, was insgesamt günstiger ist, als sich CDs oder Platten zu kaufen. Mit dem Aufstieg von Streaming-Diensten und der allgegenwärtigen Verfügbarkeit von Musik stellt sich die Frage: Nimmt die Zahlungsbereitschaft für Musik immer weiter ab? Dieser Frage soll in diesem Artikel nachgegangen werden.

Die Entbündelung von Musik und die Auswirkungen auf die Zahlungsbereitschaft

Eine der bedeutendsten Veränderungen in der Musikindustrie war die Entbündelung von Musik durch die Einführung von MP3-Dateien. Früher mussten Musikliebhaber ganze Alben kaufen, selbst wenn sie nur an einem oder zwei Songs interessiert waren. Dies änderte sich schlagartig mit dem Aufkommen von digitalen Musikplattformen wie iTunes, die es den Nutzern ermöglichten, einzelne Songs für 0,99 € oder 1,29 € zu kaufen. Auch beim Streaming sparen die Hörer, wenn es möglich ist, sodass für die monatlichen Abogebühren gelegentlich Sonderangebote oder Gratismonate über Plattformen wie mein-deal.com genutzt werden. Diese Entwicklung hatte weitreichende Konsequenzen für die gesamte Musikindustrie, aber in allererster Linie für die Künstler.

Musikliebhaber begannen, ihre Lieblingssongs einzeln zu kaufen, anstatt ganze Alben zu erwerben. Dies führte zu einem signifikanten Rückgang der Albumverkäufe, was sich negativ auf die Einnahmen der Künstler und Plattenfirmen auswirkte. Viele Alben sind konzeptionell gestaltet und erzählen eine Geschichte, die durch den Kauf einzelner Tracks verloren geht.

Mit der Möglichkeit, einzelne Songs günstig zu erwerben, änderte sich die Wahrnehmung des Wertes von Musik. Musik wurde zunehmend als günstiges und leicht verfügbares Gut wahrgenommen, was die Zahlungsbereitschaft der Konsumenten weiter verringerte.

Die Rolle von MySpace und frühen Musikplattformen

In den frühen 2000er Jahren revolutionierte MySpace die Art und Weise, wie Musik entdeckt und konsumiert wurde. Als eine der ersten großen Social-Media-Plattformen bot MySpace Musikern eine Möglichkeit, ihre Musik direkt einem breiten Publikum zu präsentieren, ohne die Notwendigkeit eines Plattenvertrags oder physischer Vertriebswege. Künstler konnten Profile erstellen, Songs hochladen und direkt mit ihren Fans interagieren. Diese neue Form der Musikverbreitung hatte tiefgreifende Auswirkungen auf die Musikindustrie und insbesondere auf den Verkauf von physischen Tonträgern.

MySpace ermöglichte es Künstlern, ihre Musik weltweit zu verbreiten und eine Fangemeinde aufzubauen, ohne auf traditionelle Vertriebswege angewiesen zu sein. Dies führte dazu, dass viele Künstler und Bands bekannt wurden, bevor sie überhaupt ein physisches Album veröffentlichten. Einige Künstler, wie die Arctic Monkeys, nutzten die Plattform erfolgreich, um eine massive Online-Fangemeinde aufzubauen, was später zu hohen Verkaufszahlen ihrer physischen Alben führte. Allerdings profitierte nicht jeder Künstler in gleichem Maße von physischen Verkäufen.

Da Fans die Musik ihrer Lieblingskünstler direkt auf MySpace hören konnten, verringerte sich die Notwendigkeit, physische Tonträger zu kaufen. Musik war jederzeit und überall zugänglich, was den Kauf von CDs und anderen physischen Medien weniger attraktiv machte. Dies trug zu einem allgemeinen Rückgang der physischen Musikverkäufe bei, da immer mehr Konsumenten digitale und Streaming-Optionen bevorzugten.

MySpace war besonders vorteilhaft für Indie-Künstler und kleine Labels, die keine großen Budgets für die Produktion und den Vertrieb physischer Tonträger hatten. Diese Künstler konnten ihre Musik direkt online stellen und unabhängig von großen Plattenfirmen Erfolg haben. Während dies die Vielfalt und Zugänglichkeit von Musik erhöhte, führte es auch dazu, dass physische Verkäufe weiter zurückgingen, da Indie-Fans oft digitale Plattformen bevorzugten.

Der Einfluss von YouTube

YouTube, gegründet im Jahr 2005, entwickelte sich schnell zu einer der größten und einflussreichsten Plattformen für den Konsum von Musik. Schon früh erkannten Künstler und Plattenfirmen das Potenzial der Plattform, um Musikvideos und andere Inhalte einem breiten Publikum zugänglich zu machen. Ab etwa 2006 begannen immer mehr Künstler, ihre Musikvideos und Songs auf YouTube hochzuladen, was die Musikindustrie nachhaltig veränderte.

Die einfache Zugänglichkeit von Musik auf YouTube führte zu einem Rückgang der physischen Tonträgerverkäufe. Konsumenten konnten Musik kostenlos und jederzeit auf der Plattform anhören, was den Anreiz verringerte, CDs oder Vinyl-Schallplatten zu kaufen. Die Verfügbarkeit von Musikvideos auf YouTube bedeutete auch, dass Musikliebhaber nicht mehr darauf angewiesen waren, Musikvideos im Fernsehen zu sehen oder physische Medien zu kaufen, um ihre Lieblingslieder zu genießen.

Während die Verkäufe physischer Tonträger zurückgingen, eröffnete YouTube neue Monetarisierungsmöglichkeiten für Künstler und Plattenfirmen. Durch Werbeeinnahmen und Partnerschaftsprogramme konnten Künstler Geld verdienen, wenn ihre Videos angesehen wurden. Diese Einnahmen waren jedoch oft nicht ausreichend, um die Verluste durch sinkende CD-Verkäufe vollständig auszugleichen, insbesondere für kleinere Künstler.

Der Rückgang physischer Datenträger

Parallel zum Aufkommen von Streaming und MP3s verschwanden physische Datenträger wie CDs und Schallplatten zunehmend vom Markt. Während in den 90er Jahren die CD-Verkäufe auf ihrem Höhepunkt waren, führte die Digitalisierung dazu, dass die Nachfrage nach physischen Produkten rapide abnahm. Heute machen Streaming und digitale Downloads den Großteil des Musikkonsums aus. Kaum jemand kauft noch CDs und gibt für ein ganzes Album oder eine Maxi-CD als Single Geld aus.

Mit dem Rückgang physischer Datenträger sanken auch die Produktions- und Vervielfältigungskosten erheblich. Die Herstellung, Verpackung und der Vertrieb von CDs und Vinyl-Schallplatten sind teure Prozesse. Digitale Musik hingegen kann nahezu ohne zusätzliche Kosten vervielfältigt und verbreitet werden. Diese Kosteneinsparungen könnten theoretisch die Margen erhöhen, doch die Realität ist komplexer.

Trotz der Reduktion der physischen Produktionskosten bleibt unklar, ob die Margen tatsächlich gestiegen sind. Die niedrigen Auszahlungen pro Stream und die dominierende Stellung weniger großer Streaming-Plattformen bedeuten, dass viele Künstler Schwierigkeiten haben, von ihren digitalen Verkäufen und Streams zu leben. Die Erlöse pro Stream sind gering, und es bedarf Millionen von Streams, um einen nennenswerten Betrag zu verdienen.

Infografik: Wie lukrativ ist Musikstreaming? | Statista

Spotify als neues Monopol

Das Aufkommen von Spotify machte es möglich, Musik jederzeit und überall zu hören, ohne physische Medien kaufen zu müssen. Der Rückgang der physischen Tonträgerverkäufe beschleunigte sich durch die breite Akzeptanz von Spotify und ähnlichen Diensten wie Apple Music und Tidal. Da Nutzer für einen geringen monatlichen Betrag oder sogar kostenlos auf riesige Musikkataloge zugreifen konnten, wurde Musik zunehmend als günstig verfügbares Gut wahrgenommen, was die Zahlungsbereitschaft weiter verringerte.

Trotz der hohen Nutzerzahlen und Einnahmen zahlen Spotify und andere Streaming-Dienste aber vergleichsweise geringe Beträge pro Stream an die Künstler. Dies hat zu weit verbreiteter Kritik geführt, da viele Musiker nicht genug verdienen, um von ihren Streaming-Einnahmen zu leben. Ein Künstler muss Millionen von Streams generieren, um ein nennenswertes Einkommen zu erzielen. Trotz seines Erfolgs und seiner großen Nutzerbasis kämpft auch Spotify mit der Wirtschaftlichkeit. Die hohen Lizenzgebühren an Plattenfirmen und Künstler sowie die Notwendigkeit, ständig in Technologie und Marketing zu investieren, machen es schwierig, profitabel zu sein.

Die Musikindustrie wandelt sich ständig

Foto von Danny Howe auf Unsplash

Früher dienten Tourneen vor allem der Promotion von Alben, doch heute haben sich die Rollen vertauscht. In Zeiten sinkender Einnahmen aus Albumverkäufen und physischen Tonträgern sind Live-Auftritte für viele Künstler zur wichtigsten Einnahmequelle geworden. Ticketverkäufe, Merchandise und VIP-Pakete generieren erhebliche Einnahmen, während Musikveröffentlichungen oft dazu dienen, die Nachfrage nach Konzerten zu steigern.

Trotz hoher Kosten und Risiken sind Tourneen heute essenziell, da sie direkte finanzielle Vorteile und einzigartige Erlebnisse für die Fans bieten, was sich besonders während der Pandemie als kritische Abhängigkeit erwiesen hat. Die Begeisterung der Fans für Liveauftritte zeigen aber auch deutlich, dass die Wertschätzung für Musik keinesfalls geringer ist, als die früher der Fall war. Tickets sind üblicherweise teurer als ein Album auf CD oder die Kosten für ein Monatsabo eines Streamingdienstes. Das zeigt, dass die Musikfans die Künstler und deren Musik immer noch schätzen, nur eben durch die große Verfügbarkeit weniger Geld in Tonträger investieren.

KI und ihre Auswirkungen auf die Musikindustrie

Die fortschreitende Entwicklung von Künstlicher Intelligenz (KI) hat die Musikindustrie auf vielfältige Weise transformiert. Durch automatisierte Komposition, fortschrittliche Produktionswerkzeuge und personalisierte Musikempfehlungen bietet KI sowohl Künstlern als auch Hörern neue Möglichkeiten und Herausforderungen.

KI-Algorithmen wie OpenAI’s MuseNet und Google’s Magenta sind in der Lage, komplexe Musikstücke zu komponieren, die oft von menschlichen Kompositionen kaum zu unterscheiden sind. Diese Technologie ermöglicht es, Musik in verschiedenen Stilen und Genres zu erstellen und hat Anwendungsbereiche in Film, Werbung und Videospielen gefunden. Wie gut das bereits funktioniert, zeigt das folgende Video:

Wertschätzung bleibt bestehen – Zahlungsbereitschaft nimmt ab

Insgesamt befindet sich die Musikindustrie inmitten eines tiefgreifenden Wandels, der durch die fortschreitende Entwicklung von KI weiter beschleunigt wird. Die Branche muss sich an diese Veränderungen anpassen und Wege finden, die Vorteile der KI zu nutzen, während sie gleichzeitig faire Bedingungen für Künstler und die kreative Vielfalt in der Musik fördert.

Auch die Entlohnung für die Künstler durch Streaminganbieter wie Spotify muss sich zum Positiven für die Künstler wandeln, da diese sonst bald nicht mehr von ihrer Musik leben können, wenn es nicht gerade die Kanye Wests und Taylor Swifts der Musikszene sind.

Musik wird niemals aussterben, aber wer heute mit Musik Geld verdienen will, der muss auch für gut funktionierendes Marketing über Social Media sorgen und seiner Musik so viele Klicks wie nur möglich verschaffen. Wenn dies aber der Hauptgrund wird, um Musik zu machen, dann werden dies auch die Hörer merken und irgendwann abschalten.

Wie gezeigt wurde, nimmt die Wertschätzung für Musik nicht ab, aber die Zahlungsbereitschaft ist dafür nicht mehr so hoch wie zu Zeiten von CD und LP. Das liegt am Angebot von Streaming-Riesen wie Spotify, bei denen man für 11 € im Monat fast die gesamte Musik der Welt hören kann. Wer früher CDs gehört hat und heute Spotify nutzt, kann ein einfaches Rechenbeispiel aufmachen: Hat man sich mehr als eine CD im Monat gekauft, dann war die Zahlungsbereitschaft früher definitiv höher. Das hat aber nicht unbedingt etwas mit der Wertschätzung zu tun.

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