Krautrock ist eine Musikrichtung der 70er Jahre, die durch deutsche Bands wie Kraftwerk, Can, Neu! oder Tangerine Dream Weltruhm erlangte. Wir widmen dem wegweisenden Genre eine Playlist.
Die Entstehung des Krautrock in den 60er Jahren
Krautrock entstand in den späten 60er Jahren, als Bands wie Amon Düül oder Can begannen psychedelische Rockmusik zu spielen und viel Raum für Improvisationen und Experimente ließen. Der Begriff Krautrock stand selbstironisch einerseits für „Krauts“, die herablassende englische Bezeichnung für Deutsche, sowie Kraut im Sinne von Marihuana und anderen halluzinogenen Drogen.
Bezeichnend für Krautrock war die Erweiterung des klassischen Rock-Instrumentariums durch elektronische Instrumente und das Erforschen neuer Klänge. Viele Krautrocker waren fasziniert von der Arbeit des Komponisten Karlheinz Stockhausen, der die elektronische Musik maßgeblich entwickelte.
Karlheinz Stockhausen – Telemusik (1966)
Vor allem das Studio des Kölner Produzenten und Jazzmusikers Conny Plank gilt als Keimzelle des Krautrock, er ermunterte seine Schützlinge, Grenzen zu erforschen und Neues auszuprobieren. Dazu gehörten auch Experimente mit Drogen und deren Einfluss auf die Musik. Statt Studiozeit stundenweise abzurechnen, konnten seine Bands so lange im Studio bleiben, bis die Platte fertig war.
So entstand neben dem psychedelischen Debütalbum der Scorpions auch das Kraftwerk-Album „Autobahn“ mit seinem 23-minütigen Titeltrack in „Connys Studio“.
ACT DES MONATS
Plank entwickelte neue Schnitttechniken, um die Musik seiner Bands auf ein neues Level zu heben und neue Klangerlebnisse zu schaffen. Und all das ohne Sampler oder digitale Technik, wie wir sie heute kennen. Damit nahmen die Krautrocker die neuen Technologien quasi voraus und prägten den Sound einer neuen Generation. Später zog das Studio internationale Künstler wie Ultravox, Eurythmics oder Killing Joke an.
Aber auch in Berlin entstand in den frühen 70ern die sogenannte Berliner Schule der Bands wie Tangerine Dream, Ashra, Harmonia oder der Elektronik-Pionier Klaus Schulze zugeordnet wurden.
Musikalische Besonderheiten im Krautrock
Krautrock steht nicht für einen bestimmten Sound, es gibt völlig unterschiedliche Spielarten und Instrumentierungen. Häufig legten monotone Bassfiguren und stoisches Schlagzeugspiel die Basis für lange Improvisationen auf Gitarre oder Synthesizern. Manchmal wurde gesungen oder geschrien, viele Bands spielten rein Instrumental, es gab keine klassischen Songstrukturen aus Strophe, Bridge, Refrain mehr.
Krautrock sollte vor allem als Hörerlebnis auf Platte, aber auch live funktionieren. Die Konzerte der Krautrockbands waren oftmals reine Jam-Sessions, auf denen sich die Musiker austobten, da vieles, was im Studio entstand, live gar nicht reproduzierbar war. Manche Bands kamen aus dem Jazz (Can), andere aus dem Rock (Amon Düül) und auch die erste rein elektronische Musik entstand zu dieser Zeit. Krautrock ist eine Mischung aus diesen drei Genres, ein Amalgam aus mehreren Jahrzehnten Musikgeschichte.
Die Bedeutung von Krautrock in der Musikgeschichte
Nachdem die Musikszene der Nachkriegszeit vor allem von den anglo-amerikanischen Vorbildern lebte – die Nazis hatten sämtliche heimischen Subkulturen ausgelöscht – entstand mit Krautrock erstmals wieder eine ganz eigene musikalische Spielart, die schnell auch die internationale Musikszene beeinflusste. Vor allem in England gilt Krautrock bis heute als das Maß aller Dinge für Musikkenner, die Ursuppe von der heute fast jede Band und jeder Produzent sein Handwerkszeug gelernt hat.
Ende der 70er Jahre wurde Krautrock abgelöst von der Punk-Bewegung, denen drei einfache Akkorde und rebellische Texte genügten, um der Jugend eine Stimme zu verleihen. Punk war auch eine Gegenbewegung zur artifiziellen Musik der frühen 70er Jahre.
Viele Künstler aus Pop, Techno oder auch Rap beziehen sich bis heute auf Krautrock, auch einige der ersten Rap-Tracks in den frühen 80er Jahren wurden in Deutschland produziert. Techno wäre ohne den Einfluss von Kraftwerk gar nicht vorstellbar. Aber auch Bands wie Sonic Youth, Radiohead oder Stereolab waren maßbeglich inspiriert von den deutschen Krautrockern.
Die wichtigsten Bands des Krautrock
Fast jede deutsche Band der frühen 70er wird international unter „Krautrock“ einsortiert, ein paar Vertreter gelten aber als international wegweisende Größen, wenn sie auch selbst mit ihrer innovativen, unkonventionellen Musik kommerziell zunächst nicht besonders erfolgreich waren. Die meisten Krautrocker verdienten sich ihren Lebensunterhalt hauptsächlich als Filmkomponisten.
- Amon Düül
- Ash Ra Tempel
- Birth Control
- Bröselmaschine
- Can
- Cluster
- DAF
- Ejwuusl Wessahqqan
- Embryo
- Faust
- Grobschnitt
- Guru Guru
- Harmonia
- Kraan
- Kraftwerk
- La Düsseldorf
- Neu!
- Popol Vuh
- Tangerine Dream
Krautrock ebnete mit Bands wie Rheingold, Kraftwerk oder DAF Ende der 80er Jahre auch der Neuen Deutschen Welle den Weg, die deutsche Produktionen wieder in die Charts beförderte. Nach der experimentellen Phase der 70er folgte allerdings die starke Kommerzialisierung der deutschen Pop- und Rockmusikszene. Der Produzent Conny Plank starb 1987 an Krebs und mit ihm sein legendäres Studio in Wolperath.
Bis heute berufen sich Bands wie Mouse On Mars, Kreidler oder Camera auf den Krautrock als wichtigste Inspiration und entwickeln den Krautrock mit internationaler Ausrichtung weiter.