Man muss nur den Titel „Seven Nation Army“ lesen und im Kopf spielt das bekannte Gitarrenriff der White Stripes. Anhand der wichtigsten Stationen wollen wir nachvollziehen, wie ein Garage-Rock-Song zu einer der größten Fußball-Hymnen unserer Zeit wurde.
Ob Queens „We Are The Champions“, „Three Lions“ von The Lightning Seeds oder die legendäre Liverpool-Hymne „You’ll Never Walk Alone“ von Gerry & The Pacemakers – so einige Rock- und Popsongs haben über die Jahre ihren Weg ins Fußballstadion gefunden und sich dort über Jahrzehnte hinweg gehalten. Und auch wenn einige der Songs ab und zu für Kopfschütteln sorgen, so bescheren uns andere wiederum jedes Wochenende einen Gänsehautmoment. Versteht man nur als Fußballfan so richtig, oder?
Dafür, dass Anfang der 2000er ausgerechnet ein Garage-Rock Song von einer Band aus Detroit, Michigan an die Spitze des Fußballolymps klettern sollte, hätte man wohl bei Fußballwetten extrem hohe Quoten angeboten bekommen. Doch Jack und Meg White alias The White Stripes hielten sich mit „Seven Nation Army“ nicht nur 39 Wochen in den deutschen Charts, sondern haben auch 15 Jahre später noch eine Dauerkarte in jeder Stadion-Playlist sicher.
Wir blicken auf die einzigartige Geschichte des Songs zurück und wollen anhand der wichtigsten Momente nachvollziehen, was Jack White mit James Bond zu tun hat, wieso ausgerechnet Brügge für den ersten Erfolg des Songs verantwortlich ist und wie „Seven Nation Army“ den Sprung zum internationalen Sport-Hit geschafft hat.
2002 – Die Entstehung
Anfang der 2000er war eine interessante Zeit in der Karriere der White Stripes. Das vierte Album „Elephant“ war in Planung und mit dem Vorgänger „White Blood Cells“ hatte das Duo zwar auch erste Charterfolge in den USA und Großbritannien gefeiert – sowie nachträglich über eine Millionen Platten verkauft -, vom Alternative-Olymp waren sie aber dennoch weit entfernt. Zur Einordnung: 2002 spielten Jack und Meg eine kleine Europa-Clubtour. Die Locations in Deutschland hießen damals Orangehaus, München (250 Plätze) und Club Manufaktur, Schorndorf (450 Plätze).
ACT DES MONATS
Während einer Australien-Tour zu dieser Zeit spielte Jack White das legendäre „7NA“-Riff erstmals beim Plattenlabel vor, konnte damit aber von Beginn an nicht für große Euphorie sorgen. Die Ähnlichkeit zur 5. Sinfonie von Anton Bruckner soll ihm damals jedoch nicht aufgefallen sein.
In Whites Herz schlummerte zu dieser Zeit jedoch noch ein besonderer Wunsch. Er träumte davon, eines Tages die Titelmelodie für einen der „James Bond“-Filme beitragen zu dürften und hielt sein Riff deshalb zunächst unter Verschluss. Wie wir wissen, wurde ihm die Bond-Ehre erst 2008 im Duo mit Alicia Keys und dem Song „Another Way To Die“ zuteil.
„Seven Nation Army“ schaffte es deshalb letztendlich doch als Opener auf „Elephant“ und wurde – entgegen allem Protest der Labelverantwortlichen – die erste Singleauskopplung.
Video: Alicia Keys & Jack White – Another Way To Die
Inhalt
Nein, in „Seven Nation Army“ geht es weder um verschiedene Nationen, noch um einen tatsächlichen Krieg. Jack White verarbeitet stattdessen seine Wut über das Gerede und Getuschel welches in einer Kleinstadt herrscht. Die Situation des Protagonisten des Songs ist dabei mit der Situation der White Stripes zu dieser Zeit vergleichbar. Die Band feierte erste Erfolge, war in der Heimat aber immer wieder mit unfairen Beschuldigungen und Neid konfrontiert.
Der Titel „Seven Nation Army“ entstammt dabei aus der Kindheit von Jack White. Damals konnte er den Begriff „Salvation Army“ (dt. Heilsarmee) nicht richtig aussprechen. Die Wortschöpfung diente später als Arbeitstitel und letztendlich sogar als offizieller Songtitel.
2003 – Ein Song macht Fußball-Karriere
Dass „Seven Nation Army“ ein guter Song mit Ohrwurmpotential ist, stand wohl von Anfang an außer Frage. Trotzdem erklärt diese Tatsache noch nicht, warum die Hauptmelodie bereits wenige Monate nach Veröffentlichung ihren Weg ins Fußballstadion fand. Schuld daran drüften wohl die Fans des Club Brugge Koninklijke Voetbalvereniging, in Deutschland besser bekannt als FC Brügge sein.
Die belgischen Fans reisten im Oktober 2003 als deutlicher Außenseiter zum Champions-League-Auswärtsspiel nach Mailand, wo der Vorjahressieger AC Milan mit Weltstars wie Andrea Pirlo und Kaka wartete. Die Fans vertrieben sich in einer Mailänder Bar die Zeit und schnappten dort zum ersten Mal ein besonders eingängiges Gitarrenriff auf.
Am Abend geschah in der 33. Minute des Spiels das Undenkbare. Andrés Mendoza schoss Brügge zum 1:0 Sieg. Die Fans erinnerten sich an das Riff, begannen die Melodie zu singen und brachten den „Po Po Po Po“-Song, wie er bis heute in Italien genannt wird, als inoffizielle Hymne des FC Brügge mit nach Belgien.
Musikalische Besonderheit
Entgegen dem ersten Eindruck, verzichtet „Seven Nation Army“ vollständig auf den Einsatz einer Bass-Gitarre. Stattdessen setzte Jack White auf eine halbakustische Kay Hollowbody E-Gitarre aus den 50er-Jahren und reduzierte deren Ausgangssignal durch ein Effekt-Pedal (Digitech Whammy) um eine Oktave.
Der komplette Song wurde mit Equipment aufgenommen, welches vor dem Jahr 1960 erschien.
2006 – Alle Wege führen nach Rom
Im Februar 2006 machte der FC Brügge erneut Bekanntschaft mit Italien. Und auch wenn man gegen den AS Rom dieses Mal „nur“ im UEFA Cup spielte und zudem auch noch 2:1 unterlag, verhalf der italienische Besuch „Seven Nation Army“ in die musikalische Champions League. Denn die Fans der „Roma“ fanden Gefallen an der eingängigen Melodie, übernahmen sie für sich und setzen damit den Startschuss dafür, dass der Song seinen Platz in den Stadien der Welt fand.
Video: AS Rom vs. FC Brügge – „Po Po Po Po“-Song
Denn fortan nahm die Entwicklung deutlich Fahrt auf. Bereits bei der Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland – wir denken schmerzhaft zurück – fungierte „Seven Nation Army“ als inoffizielle Hymne der italienischen Nationalmannschaft. Die UEFA-Verantwortlichen gingen den Trend mit und setzen den Song bei der Europameisterschaft 2008 als offizielle Einlaufhymne der Mannschaften ein.
Und wer bei der Fußball-Weltmeisterschaft 2018 in Russland genau hingehört hat, dürfte die White Stripes wohl auch in der Playlist vieler Stadien wiederentdeckt haben – 16 Jahre nachdem Jack White das Riff zum ersten Mal vorspielte.
Jack White selbst scheint von der Fußball-Adaption seit jeher begeistert zu sein:
„Ich fühle mich geehrt, dass die Italiener diesen Song als ihren eigenen übernommen haben. Nichts in der Musik ist schöner, als wenn die Menschen eine Melodie aufnehmen und in das Pantheon der eigenen Volksmusik übernehmen.“
Vom Fußball hat sich der Song in den American Football, Basketball und Eishockey ausgebreitet. Und obwohl sich die White Stripes im Jahr 2011 aufgelöst haben, feiert das Duo bei vielen großen Sportereignissen immer wieder eine kurze Chart-Rückkehr. Und beim Glastonbury-Festival 2017 bekam der Song sogar ein politische Rolle verpasst. Denn während des Festivals wurde die Melodie als Grundlage für „Jeremy Corbyn“-Sprechchöre genutzt.
Und wer die originale White Stripes-Version mittlerweile nicht mehr hören kann, dem stehen ja auch noch Cover-Versionen von The Flaming Lips, Kate Nash, Audioslave u.v.a. zur Auswahl.
Jack White hat im März 2018 sein aktuelles Album „Boarding House Reach“ veröffentlicht. Meg White hat sich nach der Auflösung der Band hingegen vollständig aus dem Musikgeschäft zurückgezogen.
Und zum goldenen Abschluss. Das Originalvideo zu „Seven Nation Army“ von The White Stripes: