Bald jährt sich der Todestag von Bruce Lee zum 50. Mal. Ebenfalls 1973 erschien der letzte vollständige Film mit dem Martial Arts-Giganten. Was machte diesen Mann zum Mythos?
Kappen, T-Shirts, Kapuzenpullis, Trainingsanzüge, Basecaps, Schmuck, Bücher, Tassen, Badelatschen, Schreibzeug: Der Bruce Lee-Online-Shop hat alles. Ständig gibt es neue Kollektionen, das Geschäft läuft. Lee, der allen Berichten zufolge nie weniger im Sinn hatte, als den Kult um seine Person zu forcieren, hätte seine helle Freude daran gehabt. Doch so hart er arbeitete: Zum Mythos wurde er erst nach seinem geheimnisumwitterten Tod am 20. Juli 1973 mit gerade einmal 32 Jahren (dazu später mehr). Wie ein Held wird er verehrt.
Dabei war Bruce Lee sicher kein Sympath. In den wenigen verfügbaren Interviews findet sich nicht das geringste Anzeichen von Humor. Der Mann war besessen von Kung Fu, der perfekten Physis und davon, wie er am beeindruckendsten auf der Leinwand zur Geltung kam. Wurde in Filmen mal nicht geprügelt, konnte er wirken, als sei er ein naiver Teenager. Davon sollte man sich aber nicht täuschen lassen. Lee war hochintelligent und wusste, dass es keine eindimensionalen Stars gibt. Auf das Gesamtpaket kommt es an, und das schnürte der begnadete Kämpfer – seine technischen Fähigkeiten waren überragend – höchstpersönlich. Entsprechend schwierig muss die Zusammenarbeit mit ihm gewesen sein.
Bruce Lee: Vor dem Starruhm
Geboren wurde Bruce Lee am 27. November 1940 in San Francisco. Er kam keineswegs aus armen Verhältnissen. Sein Vater war eine Berühmtheit der Kanton-Oper und trat rund um den Globus auf, seine Mutter entstammte einer der wohlhabendsten Familien Hongkongs. Eine einfache Kindheit hatte Bruce trotzdem nicht. Der Junge, der bereits kurz nach seiner Geburt mit den Eltern ins damals noch von den Japanern besetzte Hongkong zog, kränkelte. Später, die Metropole war nach dem Krieg wieder britische Kolonie, musste er sich in der Schule mit englischen Mitschülern herumschlagen. Buchstäblich.
Ausweg: Kampfkunst. Fünf Jahre lang trainierte Bruce Lee die Techniken des Wing Chun bei Großmeister-Promi Ip Man (die überwiegend frei erfundene Filmreihe über diesen mit Donnie Yen in der Hauptrolle ist sehr zu empfehlen). Regelmäßig war Lee in Straßenkämpfe verwickelt. Nachdem er einem Mitschüler die Zähne ausgeschlagen hatte und eine Gefängnisstrafe drohte, so will es jedenfalls die Legende, schickten ihn seine Eltern zurück in die USA. Bruce Lee war 18.
Der Rückkehrer, der sich an der Uni einschrieb, aber vor allem trainierte und in eigens gegründeten Studios Kampfsport unterrichtete, entwickelte seinen persönlichen Kung Fu-Stil. Ein im Fernsehen übertragener Auftritt machte einen TV-Produzenten auf Lee aufmerksam. Eingesetzt wurde der Prügelmime unter anderem in zwei Serien: „The Green Hornet“, bezeichnenderweise ein riesiger Erfolg in Hongkong, und „Longstreet“.
ACT DES MONATS
Lee wollte unbedingt die USA erobern. Und das gelang ihm, allerdings über den Umweg Hongkong. Die ersten Kinofilme mit Lee als Hauptdarsteller wurden vom Studio Golden Harvest produziert. Sie machten ihn zum Star und den Eastern plötzlich weltweit begehrt. Mit zwei weiteren Filmen zementierte Lee seinen Status.
Bruce Lee: Filme
Man muss es so hart sagen: Die Bruce Lee-Filme haben im Lauf der Jahrzehnte arg gelitten. Das Debüt „Die Todesfaust des Cheng Li“ (1970, Regie: Lo Wei), in dem der Held in Thailand mit einer Drogenbande abrechnet, ist bis auf den Fight am Schluss stinklangweilig. Am besten gehalten hat sich aufgrund einer stringenten Geschichte ohne Leerlauf und guter Actionszenen der zweite Eastern. In „Todesgrüße aus Shanghai“ (1971, Lo Wei) spielt Bruce Lee einen unbeugsamen chinesischen Kung Fu-Experten, der sich den japanischen Besatzern, vor allem einer fiesen Kampfsportschule, entgegenstellt und zum Märtyrer wird. Das klingt plump und ist es auch. Trotzdem macht der Film viel Spaß. Wie bei der „Todesfaust“ war Lee am Drehbuch beteiligt.
Immerhin tolle Kampfszenen gibt es in den letzten beiden vollständigen Filmen. Verwirrend sind die dümmlichen deutschen Titel: „Die Todeskralle schlägt wieder zu“ erschien vor „Der Mann mit der Todeskralle“, wurde aber erst danach in Deutschland veröffentlicht. Und eine „Todeskralle“ ist nur im letzten Film zu sehen, in dem sich der mit nur einer Hand ausgestattete Bösewicht allerlei Waffen, darunter auch Krallen, auf den Stumpf montiert, um es Gegnern einzuschenken.
In „Die Todeskralle schlägt wieder zu“ (1972) überließ Lee nichts dem Zufall. Er war Darsteller, Regisseur, Drehbuchautor und als Chef der von ihm gegründeten Firma Concord zudem Mitproduzent. Eine solche Machtfülle hatte es im Eastern noch nie gegeben. Die Handlung: Held Tang Lung kommt aus Hongkong nach Rom, um Verwandten beizustehen. Eine Gangsterbande will sich deren Restaurant unter den Nagel reißen. Höhepunkt ist Lees Fight im Kolosseum gegen den mehrmaligen Karate-Weltmeister Chuck Norris, der hölzern einen Auftragskiller mimt.
„Der Mann mit der Todeskralle“ (1973, Regie: Robert Clouse) schließlich war der erste von Studios in Hongkong und den USA gemeinsam produzierte Film der Geschichte. Er ist der am häufigsten zitierte und hat in der Tat eine Menge an haarsträubenden Schauwerten. Sie sind 70er pur: das kunterbunte Setting, der gewaltige Afro von Co-Star Jim Kelly, die Klamotten, der funky Soundtrack von Lalo Shifrin. Martial Arts-Fans freuen sich darüber hinaus über die kleinen Auftritte der damals noch unbekannten Jackie Chan und Sammo Hung. Ach ja: Aufgemischt wird diesmal eine ruppige Verbrechersekte auf einer einsamen Insel. Es gibt sehr viele Feinde und für Bruce Lee in der Rolle des, hoppla, „Lee“ nur zwei Verbündete: „Williams“ (Jim Kelly) und „Roper“ (John Saxon, ebenfalls Karateka). Alle langen kräftig zu.
Bruce Lee: Superstar
Warum wurde Bruce Lee zum Superstar? Weil seine Filme für damalige Verhältnisse revolutionär choreographiert waren. Der Kung Fu-Künstler legte allergrößten Wert darauf, die zum Teil sehr brutalen Kämpfe so realistisch wie möglich aussehen zu lassen. Das sieht man heute noch. Lee war pfeilschnell, er brauchte keine filmischen Geschwindigkeitstricks. Vor allem sein Umgang mit dem Nunchaku, einer historischen Waffe aus zwei mit einer Kette verbundenen Holzstäben, ist atemberaubend. Dazu war Lee ein großer Charismatiker. Zwei seiner Manierismen gingen in die Popkultur ein: das trotzige Daumenstreichen über den Nasenflügel und das im Falsett vorgetragene „Uuuuuuiihuuuuuuu!“ in den Kampfpausen.
Mit seinen ersten drei Filmen hatte Bruce Lee erreicht, was er wollte: Er war der berühmteste Kampfsportler der Welt. Doch schon den herausragenden Erfolg des vierten Films erlebte er nicht mehr. Die Tragik macht einen Star erst zum Mythos.
Bruce Lee: Todesursache
Schon während der Dreharbeiten zu „Der Mann mit der Todeskralle“ hatte Bruce Lee, der sich nie schonte, große gesundheitliche Probleme. Am Abend des 20. Juli 1973 starb er 32-jährig nach Einnahme eines Schmerzmittels. Laut medizinischer Berichte hatte das eine allergische Reaktion und in der Folge eine Hirnschwellung ausgelöst.
Diese profane Erklärung reichte den Lee-Gläubigen selbstverständlich nicht. Der Übermensch, der Unbesiegbare, einfach so dahingerafft? Da musste etwas anderes dahinterstecken.
Also schossen die Gerüchte ins Kraut. Die beliebteste Theorie von Verschwörungsmythikern ist bis heute diese: Weil Bruce Lee in Filmen und Sportstudios geheime Kung Fu-Techniken verriet, wurde er von asiatischen Kampfsport-Fundamentalisten klandestin beseitigt. Andere Rätselrater führen medizinische Gründe an. Erst vor ein paar Jahren hieß es, Lee habe täglich sieben Liter Wasser getrunken und sei aufgrund dieser ungeheuren Mengen an Nierenversagen gestorben. Ob das stimmt, wird man nie erfahren. Aber will man das überhaupt? Mythen sind ja meist spannender als die Wahrheit.
Bruce Lee: Mein letzter Kampf
Mit Bruce Lee lässt sich tonnenweise Geld verdienen. Der Ausverkauf begann schon kurz nach seinem Tod. Ein erster Höhepunkt: Im Jahr 1978 wurde das krude zusammengebosselte Machwerk „Mein letzter Kampf“ (Robert Clouse) veröffentlicht. Mit den Dreharbeiten zu diesem Film hatte Lee nach „Die Todeskralle schlägt wieder zu“ begonnen, sie aber zugunsten von „Der Mann mit der Todeskralle“ ruhen lassen. Im Kasten waren nur wenige Szenen.
Wie macht man daraus einen abendfüllenden Film, wenn man keine Computertricks zur Verfügung hat? Man verpflichtet einen Typen, der dem Verstorbenen ein bisschen ähnlich sieht. Deshalb wirkt mein „Mein letzter Kampf“ auch so lächerlich. Ersatzmann Kim Tai-chung kann einem leidtun, wie er verzweifelt versucht, so richtig brucemäßig rüberzukommen. Lohnend sind nur jene Szenen, in denen sich der echte Lee in einer Pagode nach oben prügelt. Seinen gelben Kampfanzug kopierte Quentin Tarantino für „Kill Bill Vol. 1“.
Es wird nicht das letzte Mal gewesen sein, dass Filme Bruce Lee zitieren. Wer wissen will, wie sehr er nach wie vor verehrt wird, braucht nur ins Internet zu schauen. Über Lee wird unablässig diskutiert. Und deshalb ist er es eben: unsterblich.