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Steve Blame (Ex-MTV) präsentiert die besten Videos aller Zeiten

Steve Blame war zwischen 1987 und 1994 die sonore Stimme und Moderator der MTV News. Es war die Blütezeit des Musikvideos als Kunstform. Für Tonspion präsentiert er seine liebsten Musikvideos aller Zeiten.

Steve Blame und Tina Turner (Foto: Steve Blame)
Steve Blame (links) und Tina Turner (Foto: Steve Blame)

In den 1970er Jahren wurde das Musikvideo als Werbemittel für Künstler und Bands entwickelt, damit ihre Musik in Fernsehsendungen auf der ganzen Welt beworben werden konnte, wo sie nicht live auftreten konnten. Obwohl frühe Videos wie Bowies „Life on Mars“ oder Queens „Bohemian Rhapsody“ eine Kunstform für sich waren, begann die Ära des Popvideos erst, als der Musiksender MTV 1981 in den USA startete. Der 24-Stunden-Kanal musste gefüttert werden, und viele Jahre lang bedeutete eine Platzierung auf der Playlist von MTV für einen Künstler kommerziellen Erfolg.

Der Launch eines neuen Videos eines Weltstars wurde zum Event. Ich erinnere mich, dass ich Mitte der Achtziger in einem Londoner Club war, als der DJ die Musik stoppte, um eine exklusive Erstaufführung des Videos zu zeigen. Ein heute unvorstellbarer Gedanke.

Die 90er waren die Blütezeit der MTV-Ära, und die Macht des Senders bedeutete, dass Künstler sich den Wünschen des TV-Monopolisten unterordnen mussten, damit ihr Video gesendet wurde. Aber nachdem YouTube MTV verdrängt hatte, erlangten die Künstler wieder ihre kreative Freiheit zurück und es folgte eine neue goldene Ära des Videos.

Hier sind meine persönlichen Meilensteine in chronologischer Reihenfolge:

David Bowie – Life On Mars

Das 1971 veröffentlichte Video wurde am 12. Mai 1973 in der Konzerthalle Earl’s Court in London gedreht. Regie führte der Fotograf Mick Rock, der später als „der Mann, der die Siebziger filmte“ bezeichnet wurde, da er die meisten Künstler dieser Ära dokumentiert hatte. Das Video zeigte einen stark geschminkten Bowie in einem blauen Anzug von Freddi Buretti, dem Schneider, der viele von Bowies frühen Looks entwarf. Was ich an diesem Video liebe, ist die Schlichtheit und gleichzeitig faszinierende Weltfremdheit von Bowie. Ein musikalisches und imageprägendes Meisterwerk.

ACT DES MONATS

Linkin Park (Bandfoto 2024, James Minchin)
ACT DES MONATS: Linkin Park (Foto: James Minchin)

 


Michael Jackson – Billie Jean

Unter der Regie von Steve Barron, einem der einflussreichsten Videoregisseure der frühen 80er Jahre, wurde „Billie Jean“ 1982 veröffentlicht. Als MTV in den USA eingeführt wurde, ignorierte der Sender zunächst – zu seiner ewigen Schande – schwarze Künstler, aber Jacksons Video zu „Billie Jean“ konnte einfach nicht ignoriert werden und verhalf den schwarzen Künstlern auf MTV zum Durchbruch. Jackson wollte etwas Magisches, und obwohl die Plattenfirma sagte, sie könnten sich die zusätzlichen Tanzsequenzen, die er vorhatte, nicht leisten, bleibt das Video ein großer Meilenstein im Pop-Video. Obwohl viele sagen werden, dass „Thriller“ das beste Jackson-Video ist, war „Billie Jean“ dasjenige, das Jackson auf MTV groß machte und ihn als eine magische Figur präsentierte, die die Tanzfläche kontrollierte, auf der er sich bewegte.


A-ha – Take On Me

Ein weiteres Video von Steve Barron, ist dieser Kurzfilm aus dem Jahr 1985, der sich stark auf Animationen stützte und Morten Harket innerhalb von drei Minuten von einer Comicfigur zum Sexsymbol machte. Dies war das zweite Video und der vierte Versuch, den Song erfolgreich zu machen. Es ist eine beeindruckende Arbeit und zeigt, wie Technologie und ihre Entwicklungen das Video in den 80er Jahren beeinflusst haben. Es stützte sich auf Rotoskopie und das Nachzeichnen von Bildern, um Live-Action zu erstellen.

Barron führte im selben Jahr Regie bei Money for Nothing von Dire Straits. Ursprünglich nur als Live-Video geplant, wurde gemunkelt, dass MTV die Idee nicht mochte, und es wurde geändert, um 3-D-Animationen aufzunehmen. Mark Knopfler von Dire Straits hasste Videos, er glaubte, dass die Musik für sich selbst sprechen sollte. Am Ende wurde aus „Money for Nothing“ ein Video für einen MTV-kritischen Song, das es in die Heavy Rotation schaffte, einen MTV-Award gewann und 1987 den Ableger MTV Europe eröffnete.


Peter Gabriel – Sledgehammer

1986 veröffentlicht, behauptet Gabriel, dass dieser Song nur wegen des Videos ein Erfolg war. Unter der Regie von Stephen R. Johnson, der zuvor das „Road to Nowhere“-Video von Talking Heads gedreht hatte, wurde „Sledgehammer“ zum meistgespielten Video auf MTV. Die Stop-Motion-Grafiken waren fesselnd und innovativ. Obwohl viele Leute meiner Generation es heute wahrscheinlich als abgenudeltes Video ansehen würden, zeigt ein anderer Blick mit einer frischen Perspektive von heute, dass es noch heute ein Meisterwerk ist und dass es jede der neun Auszeichnungen verdient hat, die es bei den VMAs gewonnen hat.


Beastie Boys – Sabotage

Ein Killer-Song mit einem Killer-Video. „Sabotage“ von den Beastie Boys wurde 1994 veröffentlicht und von Spike Jonze inszeniert. Gekleidet in Starsky- und Hutch-Klamotten der 70er Jahre fahren die drei Beastie Boys als verdeckte Ermittler durch L.A. Der Legende nach sahen sie sich die TV-Krimiserie „Die Straßen von San Francisco“ an, um sich inspirieren zu lassen. Später sagte Danny Boyle, Regisseur von „Trainspotting“, dass seine Eröffnungsszene im Film von dem Video inspiriert war. Es wurde für zahlreiche MTV-Awards nominiert, konnte aber keinen Preis ergattern. Es hätte alles abräumen müssen.


Aphex Twin – Come To Daddy

Unter der Regie von Chris Cunningham im Jahr 1997 ist dies eine alptraumhafte dystopische Vision irgendwo zwischen Horror und Fantasy, in der Kinder alle das Gesicht von Richard D. James haben und in verlassenen Gebäuden hausen. Cunningham gehört neben Spike Jonze, David Fincher, Hype Williams, Jonathan Glazer und Michel Gondry zu den großen Videoregisseuren der 90er Jahre. Als ich für einen inzwischen eingestellten Jugendfernsehsender in Luxemburg arbeitete, wählte ich dieses als erstes Video, das gespielt werden sollte, sehr zum Leidwesen des Geschäftsführers und Eigentümers des Senders.


The Prodigy – Smack my Bitch Up

Unter der Regie von Jonas Akerlund, ebenfalls 1997, war dies eines der Videos, das seine Karriere als Regisseur katapultierte und die Aufmerksamkeit von Madonna erregte, die ihn bat, ein Video für „Ray of Light“ zu drehen. Jonas hatte eine Partynacht in Stockholm verbracht und hatte vage Erinnerungen an die Nacht zuvor. Zuerst mochte Liam von Prodigy die Rohfassung des Videos nicht und lehnte es ab, aber Akerlund schnitt das Video einfach fertig und schickte es am Ende an Liam. Der war plötzlich begeistert von dem Twist am Ende! Das Video war damals verboten, tagsüber wurde auf MTV nur eine gekürzte Fassung gezeigt und noch heute ist es auf Youtube nicht zufinden aufgrund seiner explizitenn, nicht jugendfreien Szenen. Ein großartiges Video.


Arcade Fire – The Suburbs

Das offizielle Video zu „The Suburbs“ (2010) ist aus einem halbstündigen Kurzfilm unter der Regie von Spike Jonze herausgeschnitten, der veröffentlicht wurde, um das gleichnamige Album von Arcade Fire zu promoten. Es folgt einer Gruppe von Schulkindern, die am Rande einer dystopischen Welt unter Kriegsrecht leben. Da das Album teilweise durch das Aufwachsen in den Vororten von Austin, Texas, beeinflusst wurde, unterstreicht sowohl das Video als auch der Kurzfilm die Angst vor dem, was die Vororte Amerikas darstellen. Es ist ein Kunstwerk mit einer zugrunde liegenden Botschaft über Amerika.


Beyoncé – Formation

Beyonces „Formation“ 2016 Video unter der Regie von Melina Matsoukas ist ein modernes Meisterwerk. Das Video zu dem Song, das von ihrem Album „Lemonade“ stammt, wurde um die Geburtstage von Trayvon Martin und Sandra Bland veröffentlicht, beide Opfer von brutaler Polizeigewalt gegen People of Color. Die Themen der Videos sind Polizeigewalt, Rassismus, LGBTQ und schwarzer Stolz. Das ist Beyoncé in ihrer schönsten und kraftvollsten Form. Melina Matsoukas ist eine der großen Videoregisseurinnen unserer Zeit.


Childish Gambino – This Is America

Der Song von Donald Glover und das 2018 veröffentlichte Video von Hiro Murai handeln von Waffen und Waffengewalt in Amerika und Polizeibrutalität gegen Schwarze. Popkultur ist manchmal eine Flucht, hier werden wir direkt konfrontiert. Es wird oft zu Recht als das meistdiskutierte Musikvideo der Geschichte bezeichnet.


Steve Blame

Nach seiner Zeit bei MTV entwickelte Blame TV-Formate und arbeitet heute als Drehbuchautor in Köln. In seinem Podcast „POP: The History Makers“ spricht er mit Künstlern, Produzenten und Regisseuren über ihre Erinnerungen. In einer aktuellen Folge spricht er mit dem Regisseur von Michael Jackson’s „Billie Jean“ über die Entstehung des Musikvideos.