Mit ihrem dritten Album gelingt Mine der große Wurf: „Klebstoff“ ist schon jetzt eines der besten deutschsprachigen Alben 2019, einfach so.
Einfach so? Zugegeben, die Songs kommen vordergründig oft mit einer derartigen Leichtigkeit daher, dass man glauben mag, Jasmin Stocker alias Mine schüttelt das alles einfach so aus dem Handgelenk. Wer die Künstlerin aber schon länger beobachtet, weiß, dass die tägliche Arbeit an ihrer Musik mit so viel Akribie, Detailversessenheit und einem Hang zur Perfektion einhergeht, dass nichts dem Zufall überlassen wird. Außer vielleicht beim Video zum Titeltrack, wo sie sich in der Fußgängerzone von Passanten mit Filzstiften beschriften lässt:
Video: Mine – Klebstoff
Musikalisch ist auch Mines drittes Solo-Studioalbum ein gewohnt umwerfender Mix aus Pop, Hip-Hop, Chansons, markanten Streicher-Arrangements, wilden Chören, vergessenen Instrumenten (Stichwort Dudelsack) und raffinierten Kompositionen. Der alles zusammenhaltende Klebstoff dabei ist Mines Stimme, die von zart bis Nina Hagen in jedem Song aufs Neue überrascht.
Mine schreibt ihre Texte und Kompositionen selbst, arrangiert und produziert selbst und weiß auch in Sachen Artwork ganz genau, was sie will. Besonders eindrucksvoll kann man das im Video zur Single „90 Grad“ beobachten:
„Einfach so“ heißt auch ein Track auf der Platte. Er ist eines der vielen Highlights vom „Klebstoff“-Album. Ein Feature mit Giulia Becker – ihres Zeichens oft der heimliche Star in Böhmermanns Neo Magazin Royale – die schon 2016 mit ihrer grandiosen, feministischen Hymne „Verdammte Schei*e“ das Internet begeisterte.
ACT DES MONATS
Mines „Einfach so“ ist aber viel mehr als die Kollaboration mit einer der klügsten und unterhaltsamsten Frauen, die das deutsche Fernsehen zu bieten hat. Es ist textlich eine Liebeserklärung an ihr Management, das die Künstlerin vom ersten Tag an begleitet hat und auch vor anfangs utopischen Vorhaben wie zwei fünfstelligen Crowdfunding-Kampagnen nicht zurückschreckte. Selbstredend, dass Mine diese Kampagnen mit Bravour buchstäblich über die Bühne brachte und sowohl Fans als auch Feuilleton mit den Orchester-Konzerten nachhaltig beeindruckte.
„Ich schreibe einen Hit
Und ich zeige ihn dir nicht
Ich hab‘ das beste Team
Es war schon da als noch überhaupt nichts ging
Ich wohne in einem Schloss
Angemietet, 50 Quadratmeter groß
Ich habe von allem nur ein bisschen
Ich fühle mich wie King
Auch wenn ich‘s nicht bin
Einfach So“
Mine – „Einfach so“
Besagter Titel ist aber irgendwie auch eine Abrechnung mit all den Zweifelnden und Skeptikern, die erst spät zur Erkenntnis gekommen sind, dass wir es hier mit einer ganz großen Künstlerin zu tun haben. Ein Schlussstrich unter das jahrelange Hocharbeiten und Zähne zusammenbeißen. 2019 scheint nicht nur musikalisch ihr bisher erfolgreichstes Jahr zu werden – auch die Festivalmacher dieses Landes haben Mine endlich auf ihre Line-Ups gesetzt. Für die anstehende Tour zum Album sind bei mehreren Terminen jetzt schon keine Karten mehr zu haben.
Live kann es übrigens durchaus mal passieren, dass unangekündigt die ein oder anderen Feature-Gäste mit auf die Bühne kommen. Je nach Stadt und Setlist gesellen sich dann Leute wie Großstadtgeflüster, Fatoni, Edgar Wasser, Haller oder Bartek von Die Orsons dazu. Auf der Tour übrigens ganz offiziell dabei: AB Syndrom.
2016 wurde Mine der Preis für Popkultur verliehen, der jedes Jahr von der vielköpfigen Fach-Jury vergeben wird. Die Kategorie damals: „Lieblingssolokünstlerin“. 2019 könnte sie wieder einen Preis erhalten, dann jedoch in einer neu zu gründenden Kategorie: Zukunftspop.