Coldplay bringen diese Woche ihr siebtes Studioalbum „A Head Full Of Dreams“ raus. Es ist der große Abschluss einer wahrscheinlich bald endenden Suche.
Drei junge Zauberer suchen in „Die Heiligtümer des Todes“, dem siebten Teil von Joanne K. Rowlings Zaubererepos Harry Potter, nach den einzelnen Essenzen der Seele ihres Widersachers Lord Voldemord. Jeder kennt die Geschichte um Hermine, Ron und Harry. Eine ganze Generation ist mit den Büchern, den Filmen aufgewachsen. Nicht anders ist es bei Coldplay. Auch sie haben mit ihren sechs Studioalben Millionen geprägt. Und auch sie sind seit Jahren auf der Suche. Das Suchen und Finden könnte nach „A Head Full Of Dreams“, ihrem siebten Studioalbum, erst einmal enden.
Auf der Suche nach der Essenz des Pop stürmten Chris Martin und seine Kollegen die Chartspitzen der Welt. A Rush Of Blood To The Head, X&Y, Viva La Vida oder auch Ghost Stories – Coldplay gelingt der Drahtseilakt so international zu klingen, dass sie sowohl Großbritannien bzw. Europa eroberten, aber auch in den Staaten einen Megaseller nach den anderen ablieferten.
„Es fühlt sich an wie der siebte Harry Potter Band.“ Chris Martin
Tiger sind am gefährlichsten, am besten, kurz bevor sie sterben. Der Vergleich hinkt vielleicht ob der Todesmetapher ein wenig, aber „A Head Full Of Dreams“ fühlt sich an wie der letzte große Auftritt eines alternden Boxprofis.
ACT DES MONATS
Dominant sind, anders als auf dem Herzschmerz-Trennungsvorgänger „Ghost Stories“, vor allem die Mid- und Uptempo-Nummern. Nachdenklich-melancholische Texte unter dem hell schimmernden Deckmantel gut tanzbarer Arrangements, das ist und war schon immer der Zauber, der Coldplay-Songs innewohnte. Nach dem Opener „A Head Full Of Dreams“ kommt mit „Bird“ gleich das erste starke Highlight: man muss schon ein paar Dutzend male hinhören, um das geordnete Instrumentenchaos auseinander zu flicken – überladen und chaotisch mutet der Song an, bis er abrupt, ohne Vorwarnung endet und Beyoncé zart und behutsam in „Hymn For The Weekend“ die Stimme erhebt.
Allein dieser Song rechtfertigt diese weitere, diese wahrscheinlich letzte Coldplay-Episode. Sphärische Soundlandschaften und die mit Hall überladene Stimme des R’n’B-Superstars, dazu Martin’s stimmliche Varianz und eine beinahe unverschämte Eingängigkeit – die Essenz des Pop scheint zum Greifen nah. Und man wünscht sich fast, das Album würde genau hier, nach drei Songs enden. Die Erkenntnis wächst, dass es ab hier eigentlich nur schlechter werden kann. Wird es auch, aber nicht viel.
„Amazing Day“ – ein 7-minütiger musikalischer Kurztrip erinnert zu Beginn an das von Jon Hopkins mitproduzierte „Viva La Vida“-Album, beatlastig, elektronisch und liebevoll mit vielen kleinen Spielereien unterlegt. Bis es langsam verhallt, nach 2:50 Minuten. Was folgt ist eine Ballade der alten Schule – zwei Songs in einem. Eine grandiose Idee, welche sinnbildlich für das gesamte Coldplay-Spektrum an Soundvariationen steht. „Amazing Day“ist neben der Beyoncé-Ko-Produktion das zweite Highlight von „A Head Full Of Dreams“.
Wem Coldplay mit diesem Album vor allem ein Denkmal setzen, sind nicht die Fans, nicht das Label oder ihren Liebsten. „A Head Full Of Dreams“ ist ein Denkmal ausschließlich für sich selbst. Das wahrscheinliche Ende einer der größten Bands der letzten 15 Jahre zeigt noch einmal, warum man sie vermissen wird.
Eine Hoffnung bleibt: Auch Harry Potter hat bereits zahlreiche Sequels nach sich gezogen. Das Album erschien am 04.12. über Parlophone/Warner Music.