Ein Album wie ein Teeniezimmer in der Provinz: Ein Wirrwarr aus Namen der Popkultur durchzieht Thees Uhlmanns neues Album, das sich damit positioniert und auch politisiert.
Es beginnt mit deutscher Tristesse, wenn Uhlmann konstatiert, „das Leben ist kein Highway, es ist die B 73“. „Evangelisch schlecht gelaunt zieh ich meine Runden“, singt er, der „fünf Jahre nicht gesungen“ hat. Das dritte Solo-Album des Tomte-Sängers ist nicht nur persönlich geworden, sondern auch ziemlich politisch.
Musikalisch pendelt der Sound dabei realtiv überraschungsfrei zwischen Kneipen-Rock, rumpelndem Punkflirt oder Springsteen-Songwriter-Melancholie, die Gitarre immer im Mittelpunkt mit jeweils ausgefeilter Arbeit.
Video: Thees Uhlmann – Ich bin der Fahrer, der die Frauen nach HipHop Videodrehs nach Hause fährt
Dabei ist es der alltägliche Horror, der in Provinzen lauert, den Uhlmann adressiert. In „Danke für die Angst“ verneigt er sich vor Stephen King und singt „Was ich über’s Leben weiß, weiß ich aus „Stand by Me““. Überhaupt ist die Verschränkung von Wissen über Popkultur und der aktuellen Verzweiflung über die Politik albumimmanent: Ein Lied ist dem jung verstorbenen EDM-Star Avicii gewidmet, der sich mit nur 29 Jahren das Leben nahm. Darin spricht Uhlmann ein wenig väterlich zu ihm und singt „Avicii, Kunst wird nicht schlecht, nur weil das viele hören“, aber auch „elektronische Musik kann man sich so selten schöntrinken“.
ACT DES MONATS
Auch Popstar Katy Perry wird in dieser Art beratschlagt, wenn der Grand Hotel van Cleef-Labelgründer Uhlmann fordert: „Katy Perry, ich spüre deinen Schmerz, komm zum GHvC“. Und dann dämmert es, dass selbst die peinlichste Musik irgendwann cool wird, die Provinztristesse und die damit einhergehenden politischen Verheerungen aber bleibt. Die Frage „Du hast über die Scorpions gelacht, aber die sind in Stranger Things / Was ist, wenn wir beide wie Hannover sind?“ ist der Stachel im Album.
Video: Thees Uhlmann – Avicii
Was ist, wenn der deutsche Indierock eigentlich auch wie Hannover oder Henmoor ist? Thees Uhlmann umarmt die Provinz und setzt ausgerechnet diese gegen den Populismus. Im Titelsong umarmt er alle, auch diejenigen, die man so gerne von oben herab betrachtet als deutscher Indie-Musiker: „Die Yakuza T-Shirt-Träger“, „die Behinderten auf dem Konzert im Stadtpark, von Adel Tawil“, „für den Dealer im Görli“, „für die HSVer vom Dorf“ und – mit einem schönen Kalauer – für „die Vierfaltigkeit der Bobs: Bob Marley, Bob Dylan, Bob Andrews und Bob Ross“.
Mit diesem vielleicht naiven Arsenal kämpft er gegen Gleichgültigkeit und Generalisierung, mal albern, mal absurd, aber immer mit dem alternativen Blick auf den Alltag.