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Cro – tru. (Album)

Cro erfindet sich in seinem eigenen Stil neu. In unserer Review lest ihr, was „tru.“ mit dem Thema Zeit zu tun hat und wieso sich ein Vergleich zu Kanye West nicht vermeiden lässt.

Video: Cro – Unendlichkeit

Die Promo-Phase zu Cros drittem Studioalbum war so einfach wie effektiv. Aus dem Nichts erscheinen mit „Baum“ und „Unendlichkeit“ zwei absolute Hit-Singles, die eine andere Stilrichtung ankündingen. Im Video spielt er mit dem Ablegen der Panda-Maske und änder zwischenzeitlich, ganz nach dem Vorbild eines Kanye West, auch nochmal den Albumtitel. Fernab vom überzogenen Promozirkus lässt Cro weitestgehend die Musik sprechen und verdeutlicht dadurch seinen eigenen Status. 

Die ersten Singles verursachten einen kleinen Aufschrei – seit dem MTV Unplugged 2015 hatte man wenig von Cro gehört. Sein „Comeback“ liefert direkt zwei Hits. „Baum“ und „Unendlichkeit“ machen klar: Das hier ist immer noch Cro, aber auf einer anderen Stufe.

Ausgereifter, reflektierter und sich damit seiner eigenen Position im deutschen Rap bewusst. Stellenweise wirkt es so, als würde Cro auf die deutsche Szene herabblicken, ohne dabei aber arrogant zu wirken.

„Raop“ und „Melodie“ haben einige der größten Hits der vergangenen Jahre hervorgebracht, konnten aber immer nur bedingt als Gesamtprojekte überzeugen. Gelingt Cro mit „tru.“ endlich das klassische „Album seiner Karriere“?

ACT DES MONATS

Linkin Park (Bandfoto 2024, James Minchin)
ACT DES MONATS: Linkin Park (Foto: James Minchin)

 

Zeit ist ein entscheidendes Motiv bei der Bewertung dieses Albums. Es lässt sich schlichtweg nicht verneinen, dass „tru.“ unter seiner eigenen Länge leidet. 17 Tracks in der normalen Version sprengen zwar keinesfalls den Rahmen eines modernen Rap-Albums, jedoch können Songs wie „no. 105“ und „0711“ nicht mit dem Hitpotenzial der restlichen Tracklist mithalten. Es wäre übertrieben die Tracks auf den Status der „Füller“ herabzustufen, dennoch hätte ein Album im Format eines „Lang Lebe Der Tod“ unter Umständen eine noch stärkere Wirkung entfaltet.

Zeit gehört aber auch zu den größten Stärken des Albums. Die schönste Entwicklung im Vergleich zu den Vorgängern: Cro nimmt sich für seine Songs endlich die Zeit, die sie tatsächlich brauchen. Fernab von Radiotauglichkeit erstrecken sich die Songs oftmals auf über sechs Minuten. Im Fall von „slow down“ mag das für manchen Hörer zwar anstrengend sein, bei „baum“ und „2kx“ wird jedoch schnell deutlich, dass die Songs durch den neuen Freiraum an Seele gewinnen.

Freiraum scheint allgemein ein Stichwort für dieses Album zu sein: Nicht nur die Tracklängen, auch die Instrumentals und Cros Rap-Gesangs-Mix scheinen sich von den bisherigen Pop-Grenzen losgesagt zu haben. 

Cro hat den Rap in Deutschland geprägt wie kaum ein anderer Interpret, scheint jedoch selbst neue Wege gehen zu wollen. Mehr Gesangseinlagen und Einflüsse, die man vielleicht unter Dream-Pop einordnen könnte, erinnern in Ansätzen an Drake. Entgegen weiter Teile der aktuellen Rap-Landschaft fühlt es sich bei Cro jedoch nicht etwa wie eine Kopie, sondern wie der logische nächste Schritt an.

Video: Cro – TRU

Eine besondere Erwähnung hat sich der Track „computiful“ verdient. 12,5 Minuten moderner Liebes-Opus mitsamt ungekanntem Autotune-Gewitter und mehrfachen Interludes. Da vorschnelle Autotune-Feindseligkeit in den vergangenen Jahren zum ständigen Begleiter der deutschen Rap-Landschaft geworden ist, wird sich dieser Track nicht vor undurchdachter Kritik in Kommentarspalten retten können. Eines gilt es jedoch zu bedenken: Hätte ein Kanye West diesen Track veröffentlicht, würde er als kleines Meisterwerk behandelt werden. „computiful“ zeigt, was dieses Album auszeichnet: Es ist ein mutiger Schritt nach vorne. Für Cro selbst und die deutsche Rapszene. 

Cro hat etwas geschafft, was vielen Künstlern über Jahre verwehrt bleibt: Er hat sich in seinem eigenen Stil neu erfunden. „tru.“ präsentiert eine hörenswerte Mischung aus Cros klassischem Stil und neuen Elementen. Ob Genres oder Inhalte, Cro scheint bewusst auf gängige Konventionen verzichten zu wollen, schafft es dabei aber glücklicherweise ganz bei sich selbst zu bleiben.

Tracklist:

01. kapitel 1
02. forrest gump (feat. Patrice)
03. fkngrt 
04. tru
05. hi
06. todas (feat. Wyclef Jean)
07. baum
08. unendlichkeit (Main Edit)
09. computiful
10. no. 105
11. noch da
12. paperdreams
13. fake you. (feat. Ivy Sole)
14. alien
15. 0711
16. slow down (feat. Ace Tee)
17. 2kx
18. tokyo13317 (Bonus Track)
19. unendlichkeit (Video Edit) (Bonus Track)
20. my life (Bonus Track)

„tru.“ von Cro erschien am 8. September 2017 via Chimperator.

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