Mit „Seal the Deal & Let’s Boogie“ wandern Volbeat auf einem schmalen Grat. Der Biss der alten Zeiten fehlt ein bisschen, die Dänen bleiben dennoch eine der spannendsten Rockbands der Gegenwart. Wir haben uns in das neue Album reingegroovt.
Der 3. Juni 2016 steht für Volbeat nicht nur im Zeichen von Rock am Ring, wo die Dänen schon lange als Headliner eingeplant sind, sie feiern gleichzeitig auch die Veröffentlichung ihres neuen Albums „Seal the Deal & Let’s Boogie“. Nachdem sich das letzte Album „Outlaw Gentlemen & Shady Ladies“ schon ein wenig von den harten Riffs der ersten Scheiben verabschiedete und sich in ein teils sehr melodiöses, teils düsteres Westerngewand schmiss, ist wohl die spannendste Frage, wie sich der Sound von Volbeat entwickeln wird. Weiter in Richtung Mainstream? Oder einen Schritt zurück und mit Anlauf in die gut pomadisierte Fresse?
Die erste Single „The Devil’s Bleeding Crown“ ließ vermuten, dass die Release-Party auf Deutschlands großem Zwillingsfestival etwas härter ausfallen könnte als zuletzt, denn der neue Song kommt doch mit etwas mehr Wumms um die Ecke als weite Strecken des Vorgängeralbums. Mit einem einfachen, aber wirkungsvollen Anfangsriff und der beeindruckenden Stimmgewalt von Michael Poulsen grooven sich Volbeat zu einem Mitklatsch-Interlude, das geradezu für Rock am Ring geschaffen wurde. Die Single ist gleichzeitig Album-Opener und macht Laune auf den Rest.
Anschließend dominieren allerdings etwas zu zahme E-Gitarren, wenn sie nicht schon von vornherein durch die Akustische ersetzt wurden. Dieses Prinzip hat in der Volbeat-Bandhistorie zwar schon oft hervorragend funktioniert, damals klangen die Klampfen allerdings noch erheblich dreckiger und rauer. Der Sound von „Marie Laveau“ oder der anderen Vorab-Veröffentlichung „For Evigt“ ist etwas zu perfekt und glatt produziert und nimmt den Songs den Biss, der Volbeat eigentlich so gut zu Gesicht steht.
Diese Überperfektionierung von Sound und Songstruktur, welche sich vor drei Jahren schon andeutete, steht wohl auch in Verbindung mit Gitarrist Rob Caggiano. Einst Teil der Thrash-Metal-Band Anthrax, kreischt er seit 2013 bei Volbeat die Saiten. Mit seinem Engagement ist der rotzige, harte Punkeinfluss bei Volbeat gesunken und die Quantität an klassischen Metal-Soli gestiegen. Nicht, dass es allein Caggianos Verdienst wäre, aber diese Entwicklung nimmt Volbeat die „Fuck it“-Rock’n’Roll-Attitüde von einst und somit einiges an Power. Zumindest im Gesamtbild.
ACT DES MONATS
Zwischendurch gibt es nämlich mit „The Gates of Babylon“, „The Loa’s Crossroad“ und vor allem „Seal the Deal“ immer noch Songs, welche die unheimliche Energie von Volbeat einfangen. Sogar der Chor im anfangs gewöhnungsbedürftigen „Goodbye Forever“ weiß nach zwei, drei Durchläufen zu überzeugen. Und im Endeffekt konnte Volbeat mit Überraschungen immer punkten. Dies fing allein mit der Mischung aus Metal, Punk, Rock’n’Roll und einem Elvis am Mikro an.
Dieses Konzept verlassen die Dänen nun aber immer mehr und gehen neue Wege. Man muss Künstlern ja auch Entwicklungen zugestehen, niemand sollte auf der Stelle stehen bleiben. Bei dem Potenzial und der bereits gezeigten Qualität ist die Richtung allerdings schade, denn abgedämpfte Powerchords und Soli um der Soli willen sind schon lange nicht mehr spannend. Umso erstaunlicher ist die Ambivalenz auf „Seal the Deal & Let’s Boogie“. Wo früher die Gesamtheit der Scheibe die einzelnen Tracks noch besser machte, wechselt nun der Status der Songs zwischen Repeat-Kandidat und Skiptastenopfer hin und her.
Volbeat beweisen, dass sie zu den interessantesten Rock-Bands der Gegenwart gehören, wandern aber auf einem schmalen Grat. „Seal the Deal & Let’s Boogie“ wird zweifellos erfolgreich sein und hat definitiv Höhepunkte am Start. Wie es danach mit den Dänen und ihrem Sound weitergeht, wissen sie vielleicht nicht mal selbst. In der Vergangenheit legten sie die Latte einfach unfassbar hoch. Wer jetzt schon in den alten Zeiten schwelgen möchte, kann seinen Kopf zu unseren bisherigen Highlights von Volbeat schütteln.
„Seal the Deal & Let’s Boogie“ erschien am 03.06.2016 über Vertigo.